Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde die am 2. Feber 1964 geborene, sohin jugendliche kaufmännische Angestellte Simonetta A des Vergehens der dauernden Sachentziehung nach § 135 Abs 1 StGB. schuldig erkannt, weil sie am 31. Jänner 1980 in Wattens ihren damaligen Dienstgeber Franz B dadurch geschädigt hat, daß sie eine Blechkassette im Wert von 300 S aus seinem Gewahrsam dauernd entzog, ohne die Sache sich oder einem Dritten zuzueignen. Gemäß § 13 JGG. wurden der Ausspruch und die Vollstreckung der zu verhängenden Strafe für eine Probezeit von zwei Jahren vorläufig aufgeschoben. Von der weiteren Anklage, zur selben Zeit und am selben Ort dem Franz B Bargeld, und zwar ca. 7.000 S in Banknoten, 350 S in Münzen und 50 DM, sowie einen Barscheck über 1.098 S mit dem Vorsatz weggenommen zu haben, sich oder einen Dritten durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, wobei der Diebstahl unter Ausnützung einer Gelegenheit, die durch eine ihr als kaufmännischer Lehrling aufgetragene Arbeit geschaffen worden war, zum Nachteil des Auftraggebers begangen wurde (§§ 127 Abs 1 und Abs 2 Z. 3, 128 Abs 1 Z. 4 StGB.), wurde Simonetta A gemäß § 259 Z. 3 StPO. freigesprochen.
Nach den wesentlichen Feststellungen des Jugendschöffengerichtes nahm die Angeklagte am 31. Jänner 1980
im Betrieb der Firma B, in dem sie als kaufmännischer Bürolehrling arbeitete, eine versperrte Geldkassette an sich, um sich (nur) das darin befindliche Bargeld anzueignen, wogegen sie die Kassette nach begangenem Diebstahl wegwerfen wollte (S. 108 d.A.). Die Angeklagte konnte jedoch das Geld nicht aus der versperrten Kassette herausnehmen, worauf sie die Kassette kurze Zeit später von Norbert C, dem gegenüber sie angab, den Schlüssel zu der (ihr gehörenden) Kassette verloren zu haben, äffnen ließ, um zum Geld zu gelangen. In der Kassette befanden sich ca. 2.000 S in Banknoten, ca. 350 S in Silbermünzen, 80 DM und ein Barscheck über 1.098 S. Die durch das Aufbrechen unbrauchbar gewordene Kassette blieb bei C und wurde später von dessen Großmutter weggeworfen (S. 105, 106 d. A.). Noch ehe die Gendarmerie, bei der Anzeige gegen unbekannte Täter erstattet worden war, von der Täterschaft der Angeklagten erfahren hatte, gab die Angeklagte das gestohlene Geld und den sonstigen Kassetteninhalt zurück; den Wert der weggeworfenen Kassette ersetzte sie nicht (S. 107 d.A.). Das Erstgericht hielt der Angeklagten hinsichtlich des Diebstahls des Inhalts der Kassette tätige Reue gemäß § 167 Abs 2 StGB. zugute, verurteilte sie jedoch wegen der Entfremdung der Kassette gemäß § 135 Abs 1 StGB., wobei es davon ausging, daß für dieses Delikt - abgesehen davon, daß diesbezüglich Schadensgutmachung nicht erfolgte - schon vom Gesetz her und aus logischen Gründen tätige Reue nicht in Frage komme (S. 108 d.A.).
Die Staatsanwaltschaft bekämpft mit ihrer auf die Z. 5 und 9 lit b des § 281 Abs 1 StPO. gestützten Nichtigkeitsbeschwerde den Freispruch vom Vergehen des Diebstahls; mit ihrer zugleich erhobenen Berufung wendet sie sich gegen die vom Erstgericht bemessene Dauer der Probezeit.
Aus dem erstbezeichneten Nichtigkeitsgrund behauptet die Anklagebehörde einen erheblichen Widerspruch zwischen den Entscheidungsgründen und den bei den Akten befindlichen Protokollen über die Aussagen der Eheleute B in Ansehung der Höhe des in der Kassette verwahrten Papiergeldbetrages, weil sich aus den Aussagen dieser Zeugen mit absoluter Sicherheit ergebe, daß in der Kassette (neben dem übrigen Inhalt) mindestens 7.000 S Bargeld in Banknoten verwahrt gewesen seien, wogegen das Jugendschöffengericht nur von einem Bargeldbetrag von 2.000 S ausging.
Rechtliche Beurteilung
Von einer Aktenwidrigkeit im Sinne des geltendgemachten Nichtigkeitsgrundes kann nur dann gesprochen werden, wenn in den Entscheidungsgründen der Inhalt einer Aussage (oder eines anderen Beweismittels) unrichtig wiedergegeben wird. Eine solche Aktenwidrigkeit vermag die beschwerdeführende Staatsanwaltschaft jedoch nicht darzutun; ihr bezügliches Vorbringen läuft vielmehr lediglich auf eine im Nichtigkeitsverfahren unzulässige und damit unbeachtliche Bekämpfung der erstrichterlichen Beweiswürdigung hinaus. Denn die Ehegatten B haben über den Bargeldinhalt der Kasette unterschiedliche Angaben gemacht, die sie zum Teil nur auf überschlagsweise angestellte Berechnungen gestützt haben. So hat der Zeuge Franz B vor dem Untersuchungsrichter ausgesagt, daß sich ca. 8.000 S in der Kassette befanden (S. 36 d.A.), während er in der Hauptverhandlung einen Betrag von ca. 7.500 S nannte (S. 94 d.A.). Die Zeugin Renate B hat zunächst von 15.000 bis 18.000 S gesprochen (S. 25 d.A.), berichtigte den Betrag sodann auf mindestens 7.000 S, weil von dem ursprünglich in der Kassette enthaltenen Betrag 5.000 S von ihrem Mann entnommen worden seien (S. 34 d.A.), und bekundete in der Hauptverhandlung, daß sie sich bis heute über die Höhe des in der Kassette verwahrt gewesenen Geldbetrages nicht sicher sei (S. 94 d. A.), auf alle Fälle sei ein noch auszuzahlender Lohnbetrag von 7.500 S in der Kassette gewesen; daß ihr Mann 5.000 S entnommen habe, sei ihr erst zwei Tage später (offenkundig nach Anzeigeerstattung) bekannt geworden (abermals S. 94 d.A.). Schließlich räumte sie ein, daß sich (erkennbar gemeint: vor der Entnahme der 5.000 S durch Franz B) 'nur die 7.000 S' in der Kassette befunden haben könnten, sie habe das Geld nicht gezählt (S. 95 d.A.). Demgegenüber hat die Angeklagte stets angegeben, daß nur etwa 2.000 S in der Kassette gewesen seien (S. 21, 48 und 93 d.A.). Angesichts der dargestellten Verfahrensergebnisse konnte aber das Erstgericht im Rahmen seiner Beweiswürdigung zugunsten der Angeklagten von deren Angaben ausgehen und feststellen, daß sich in der Kassette - abgesehen von deren sonstigem Inhalt - nur ca. 2.000 S Papiergeld befunden haben (S. 106 d.A.), ohne daß dabei eine Aktenwidrigkeit in der Bedeutung des geltendgemachten Nichtigkeitsgrundes unterlaufen wäre.
Mit ihrer Rechtsrüge bekämpft die Staatsanwaltschaft aus dem Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z. 9
lit b StPO. die Annahme tätiger Reue in bezug auf den Diebstahl, weil ihrer Auffassung nach nicht der ganze aus der Tat entstandene Schaden gutgemacht worden sei. Die Angeklagte habe nämlich nur die Diebsbeute zurückgestellt, nicht aber Ersatz für die weggenommene und später beschädigt weggeworfene Kassette, deren Wert 300 S betragen habe, geleistet. Hätte die Angeklagte das Behältnis am Tatort aufgebrochen und beschädigt, so hätte sie Einbruchsdiebstahl nach § 129 Z. 2 StGB. zu verantworten gehabt und wäre nur dann zufolge tätiger Reue straflos gewesen, wenn sie auch den durch das Aufbrechen entstandenen Sachschaden gutgemacht hätte. Es sei nun nicht einzusehen, daß ein Täter, der ein Behältnis nicht am Tatort aufbricht, sondern dieses zunächst an sich nimmt, es dann später gewaltsam äffnet und es sodann wegwirft, den durch die Entziehung des Behältnisses entstandenen Schaden nicht gutzumachen brauche, sondern schon allein durch die (rechtzeitige und freiwillige) Rückgabe der Diebsbeute zufolge tätiger Reue straflos werde. Auch die Rechtsrüge versagt.
Richtig ist, daß dem Täter tätige Reue nur dann zustatten kommt, wenn er (rechtzeitig und freiwillig) den ganzen aus seiner Tat entstandenen Schaden gutgemacht hat (§ 167 Abs 2 Z. 1 StGB.). Das Erfordernis, den ganzen aus der Tat entstandenen Schaden gutzumachen, bezieht sich jedoch - wie die Generalprokuratur im Ergebnis zutreffend hervorhebt - nur auf solche Schäden, die für das betreffende Delikt typisch sind. Hat der Täter einen Diebstahl durch Einbruch (im Sinne einer der Qualifikation des § 129 Z. 1 bis 3 StGB.) begangen und dabei auch eine fremde Sache beschädigt, um die Sachentziehung bewirken zu können, dann haftet er nur wegen Einbruchsdiebstahl, weil die zugleich verübte Sachbeschädigung (als Begleiterscheinung des Einbruchsdiebstahls) konsumiert wird, mithin dem Dieb nicht zusätzlich anzulasten ist (vgl. Leukauf/Steininger, Kommentar2, § 129 RN 46 und die dort zitierte Judikatur; ebenso § 28 RN 47); gleichwohl kann ihm tätige Reue aber nur dann zugute kommen, wenn er auch jenen Schaden gutmacht, den er durch die Sachbeschädigung zugefügt hat, weil erst dann der ganze, für den Einbruchsdiebstahl deliktstypische Schaden ersetzt ist (EvBl. 1976/268; Leukauf/Steininger, a.a.0. § 167 RN. 9;
Foregger/Serini, MKK2 § 167 Anm. III aE; Kienapfel BT II § 167 RN 23). Anders jedoch, wenn der Täter neben dem Diebstahl gesondert auch eine dauernde Sachentziehung zu verantworten hat, wie dies vorliegend der Fall ist, weil das Erstgericht in Ansehung des Inhalts der entfremdeten Kassette Diebstahl, in Ansehung der Kassette selbst aber dauernde Sachentziehung angenommen hat (vgl. hiezu EvBl. 1980/94;
Leukauf/Steininger, a.a.0. § 135 RN 16). Der aus der dauernden Entziehung des Behältnisses entstandene Schaden ist aber diesfalls kein für den - wenn auch im Zusammenhang mit der dauernden Sachentziehung begangenen - Diebstahl typischer Schaden, sondern ein vom Diebstahlsschaden unabhängiger, strafrechtlich gesondert zuzurechnender Schaden.
Dieser Schaden ist mithin nicht aus dem Diebstahl entstanden, weshalb das Unterbleiben der Gutmachung (auch) dieses Schadens für die Frage der tätigen Reue in bezug auf den Diebstahl ohne Einfluß ist. Andernfalls käme es dazu, daß der Täter, da Strafaufhebung durch tätige Reue bei dauernder Sachentziehung kraft Gesetzes nicht in Betracht kommt (eine analoge Anwendung des § 167 StGB. auch auf § 135 StGB.
scheitert daran, daß es sich ersichtlich nicht um eine planwidrige Regelungslücke handelt / vgl. EBRV 1971, 313 linke Spalte /), trotz der Gutmachung (auch) des aus der dauernden Sachentziehung resultierenden Schadens stets dennoch nach § 135 StGB. strafbar bliebe, womit zumeist kein Anreiz bestünde, den aus dem Diebstahl entstandenen Schaden gutzumachen.
Dem Ersturteil haftet somit der von der Anklagebehörde behauptete Rechtsirrtum nicht an, weshalb die Nichtigkeitsbeschwerde als zur Gänze unbegründet zu verwerfen war.
Aber auch der Berufung des öffentlichen Anklägers, mit welcher dieser lediglich die Bemessung der Probezeit mit drei anstatt mit zwei Jahren anstrebt, kommt keine Berechtigung zu.
Denn angesichts des Umstandes, daß sich das Verhalten der jugendlichen Angeklagten seit Begehung der gegenständlichen Straftat sichtlich gebessert hat (vgl. ON. 26), in Verbindung mit der angeordneten Beigabe eines Bewährungshelfers (vgl. abermals ON. 26) reicht eine Probezeit von zwei Jahren auch nach Ansicht des Obersten Gerichtshofes vorliegend aus, um auf ein künftiges Wohlverhalten der jugendlichen Rechtsbrecherin hinzuwirken.
Es war demnach auch der Berufung ein Erfolg zu versagen.
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