OGH 9Os88/81

OGH9Os88/8110.6.1981

Der Oberste Gerichtshof hat unter dem Vorsitz des Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Obauer und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Faseth, Dr. Steininger, Dr. Horak und Dr. Reisenleitner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Garai als Schriftführer in der Strafsache gegen Günther A und andere wegen des Vergehens der Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung im Zustand voller Berauschung nach § 287 Abs 1 (§ 99 Abs 1) StGB. nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Günther A gegen das Urteil des Geschwornengerichtes beim Landesgericht für Strafsachen Graz vom 20. Februar 1981, GZ. 10 Vr 2581/80-42, den Beschluß gefaßt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Gemäß § 390 a StPO. fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Verfahrens über seine Nichtigkeitsbeschwerde zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 5.April 1940 geborene Installateurgeselle Günther A auf Grund des Wahrspruches der Geschwornen des Vergehens der Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung im Zustand voller Berauschung nach § 287 Abs 1 (§ 99 Abs 1) StGB. schuldig erkannt und hiefür zu einer Freiheitsstrafe verurteilt.

Den Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit einer auf den § 345 Abs 1 Z. 11 lit a StPO. gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, den Strafausspruch mit Berufung.

Nach Ansicht des Beschwerdeführers sind die Voraussetzungen für eine Verurteilung nach der eingangs bezeichneten Gesetzesstelle nicht gegeben, weil der Wahrspruch der Geschwornen - nach seinem Dafürhalten - keine Feststellungen dahin enthält, daß die Zeugin Maria B von ihm in einer Weise festgehalten wurde, die in Bezug auf Intensität und Schwere des Angriffes sowie auch in zeitlicher Hinsicht der widerrechtlichen Gefangennahme und dem Gefangenhalten im Sinne des § 99 StGB. entspricht. Auch habe der Angeklagte keineswegs mit dem zum Tatbestand nach § 99 StGB. gehörigen Vorsatz gehandelt. Er sei vielmehr - was sich auch aus den von ihm zitierten Beweismitteln ergebe - zur Tatzeit infolge Alkoholkonsums und der Einnahme von Beruhigungstabletten einer erhähten Beeinflußbarkeit unterlegen, die zweifellos zu einer Verkennung der 'Szene' geführt habe. Daß er B anhielt und am Wegfahren hinderte, sei 'offenbar' darauf zurückzuführen, daß er von (dem wegen Verbrechen des Raubes abgesondert verfolgten Manfred) C aufgefordert wurde, B (die mit ihrem Rad zur Polizei fahren und dort den Raub anzeigen wollte) aufzuhalten. Allerdings habe er B über deren Aufforderung sofort wieder ausgelassen.

Rechtliche Beurteilung

Mit diesem Vorbringen ist der Angeklagte zunächst darauf zu verweisen, daß im geschwornengerichtlichen Verfahren die Richtigkeit der im Urteil erfolgten Gesetzesanwendung ausschließlich auf Grund der im Wahrspruch der Geschwornen getroffenen Feststellungen zu prüfen ist und demgemäß eine den Nichtigkeitsgrund des § 345 Abs 1 Z. 11

lit a StPO. geltendmachende Beschwerde nicht auf (angebliche oder tatsächliche) Beweisergebnisse gestützt werden kann, die keinen Eingang in den Wahrspruch gefunden haben.

Denn es ist auch der Oberste Gerichtshof, wiewohl er den Wahrspruch in seiner Gesamtheit entsprechend interpretieren kann, an die durch den Wahrspruch festgestellten Tatsachen gebunden. Insoweit ist also der Wahrspruch als solcher, die darin enthaltenen Sachverhaltsfeststellungen, die diesen zugrunde liegende Beweiswürdigung und die in ihm enthaltenen bzw. nach dem Gesetz subintelligierten Merkmale des in Frage kommenden Tatbestandes - nach denen auch nicht besonders zu fragen ist (Gebert-Pallin-Pfeiffer III/2, Nr. 23 zu § 312 StPO., SSt 46/49) - der Anfechtung im Nichtigkeitsverfahren gänzlich entrückt.

Inhaltlich des Wahrspruches (Eventualfrage V.) hat der Angeklagte Maria B zuerst am rechten Unterarm erfaßt, sie sodann festgehalten, anschließend die Lenkstange ihres Fahrrades ergriffen und sie (durch Festhalten) am Wegfahren gehindert. Solcherart hat der Beschwerdeführer nach den Annahmen der Geschwornen Tätigkeiten gesetzt, deren Verrichtung einen nicht ganz unerheblichen Kraft- und Zeitaufwand erforderten und zu einer - selbst nach dem Beschwerdevorbringen - vom Täter gewollten und der Betroffenen zu Bewußtsein gekommenen Behinderung der Bewegungsfreiheit führten. Es enthält der Wahrspruch sohin ohnedies die vom Beschwerdeführer vermißten Feststellungen betreffend das zum Tatbestand erforderliche Element einer gewissen Dauer, Schwere und Ernstlichkeit des Angriffes (und zur subjektiven Tatseite).

Mit seinen Ausführungen zum subjektiven Tatbestand des Vergehens nach § 99 Abs 1 StGB. ist der Beschwerdeführer (auch) darauf zu verweisen, daß die in der Rechtsbelehrung darüber (und über die zum Vergehen nach § 287

StGB., und zwar sowohl in Ansehung des Grundtatbestandes als auch der Rauschtat gehörige subjektive Tatseite) hinreichend instruierten Geschwornen durch die (einstimmige) Bejahung der nach diesem Tatbestand gerichteten Frage auch die nach dem Gesetz subintelligierte subjektive Tatseite zu diesem Delikt (§ 7 Abs 1 StGB.) als erwiesen angenommen haben, mithin der Wahrspruch der Geschwornen eine zum Beschwerdevorbringen entgegengesetzte Feststellung enthält. Insoweit ist also die Beschwerde, die auch hier nicht von dem im Wahrspruch festgestellten Sachverhalt ausgeht, nicht zur gesetzmäßigen Darstellung gelangt.

Sie war sohin gemäß §§ 344, 285 d Abs 1 Z. 1 StPO. in Verbindung mit § 285 a Z. 2 StPO. schon bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen und die Entscheidung über die Berufung im Sinne der §§ 344, 285 b Abs 6 StPO. dem Oberlandesgericht Graz zu überlassen (RZ 1973, 106 u.v.a.).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.

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