Spruch:
Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben, das angefochtene Urteil, welches im übrigen unberührt bleibt, in den Schuldsprüchen zu den Punkten I., II., III. und V. des Urteilssatzes sowie im Strafausspruch (einschließlich des Ausspruches gemäß § 38 StGB.) aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung sowie Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zurückverwiesen; ansonsten wird die Nichtigkeitsbeschwerde verworfen.
Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.
Gemäß § 390 a StPO. fallen ihm auch die (den erfolglos gebliebenen Teil seiner Rechtsmittel betreffenden) Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Gerhard A mehrerer in bezug auf (A) seine (nunmehr siebzehnjährige eheliche) Tochter Brigitte A (Fakten I., II., III. und V.) sowie (B) auf seine (nunmehr einundzwanzigjährige vormalige) Stieftochter Silvia B (Fakten IV., VI. und VII.) begangener strafbarer Handlungen schuldig erkannt. Diesen Schuldsprüchen zufolge hat er (A) im Herbst 1975 die damals knapp zwälfjährige Brigitte A (I.) gefragt, ob sie mit ihm 'schlafen' wolle, und sie nach ihrer Ablehnung (II.) erfolglos aufgefordert, mit seinem Geschlechtsteil zu spielen; deshalb fällt ihm (zu I.) das Verbrechen des versuchten Beischlafs mit Unmündigen nach §§ 15, 206 (Abs 1) StGB. in Tateinheit mit (III.) dem Vergehen der versuchten Blutschande nach §§ 15, 211 Abs 2
StGB. und (zu II.) das Verbrechen der versuchten Unzucht mit Unmündigen nach §§ 15, 207 Abs 1 StGB., beide Verbrechen in weiterer Tateinheit mit (V.) dem Vergehen des versuchten Mißbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach §§ 15, 212 Abs 1 StGB., zur Last.
Ferner hat er (B) die am 16.Dezember 1959 geborene Silvia B (IV.) ab ihrem vierzehnten Lebensjahr, also seit dem 16.Dezember 1973, bis zum 15.September 1974
und sodann - nach der Verbüßung einer einjährigen Freiheitsstrafe wegen der Verbrechen der Notzucht (§ 127 StG.), der Schändung (§ 128 StG.) und der Verführung zur Unzucht (§ 132/III StG.) sowie der Übertretung der Unzucht zwischen Verschwägerten (§ 501 StG.), begangen dadurch, daß er schon von 1967 bis zum 15.Dezember 1973 wiederholt den Beischlaf an ihr unternommen und sie sowie seine weitere (noch etwa eineinhalb Jahre jüngere) Stieftochter Rosa B zum Mundverkehr veranlaßt, letztere aber auch am nackten Geschlechtsteil betastet hatte - ab dem Herbst 1975 weiterhin bis zu ihrer Volljährigkeit, sohin bis zum 15.Dezember 1978, durch den wiederholten Vollzug des Beischlafs an ihr, der ihre Schwangerschaft und die Geburt ihrer nunmehr etwa dreieinhalb Jahre alten Tochter zur Folge hatte, zur Unzucht mißbraucht sowie sie am 18.September 1979 (VI.) durch Schläge ins Gesicht, Würgen und Schleudern gegen die Küchenkredenz, wodurch sie leichte Verletzungen erlitt, in Verbindung mit der Ankündigung, daß diese Mißhandlungen erst der Anfang wären, wenn sie ihm nicht sage, wo sie den Tag über gewesen sei, zur Bekanntgabe ihres Aufenthalts an dem betreffenden Tag zu nötigen versucht und außerdem (VII.) vorsätzlich am Körper verletzt; wegen jenes Verhaltens wurden ihm die Vergehen (zu IV.) des Mißbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 StGB., (zu VI.) der versuchten Nötigung nach §§ 15, 105 (Abs 1) StGB. und (zu VII.) der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB. angelastet.
Rechtliche Beurteilung
Der (nur) gegen die Schuldsprüche zu den Fakten I.
bis VI. erhobenen, auf § 281 Abs 1 Z. 4, 5 sowie 9 lit a und b StPO. gestützten Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten kommt teilweise Berechtigung zu.
Die ihm angelasteten (beiden) Äußerungen gegenüber Brigitte A (Fakten I., II., III. und V.) hat der Beschwerdeführer bestritten. Zum Nachweis dafür, daß (dementsprechend) die Genannte - entgegen ihrer Darstellung -
auch niemals ihrer Mutter Ludmilla A von einem derartigen sexuellen Annäherungsversuch seinerseits erzählt habe, beantragte er, jene als Zeugin zu vernehmen. Das Erstgericht wies den Antrag wegen ausreichender Klärung des Sachverhalts ab und ergänzte diese Begründung im Urteil (bloß) dahin, daß das Ansinnen, die an das Bett gefesselte Ludmilla A zum Sachverhalt, der offenbar ihre Krankheit bereits mitbewirkt habe, zu befragen, geradezu unmenschlich sei. Damit hat es indessen, worin der Verfahrensrüge (Z. 4) beizupflichten ist, prozessuale Grundsätze hintangesetzt, deren Beachtung durch das Wesen eines auch die Verteidigung sichernden Verfahrens geboten gewesen wäre.
Bei ihrer ersten Befragung durch die Polizei hat Brigitte A nichts davon erwähnt, daß sie von den inkriminierten Belästigungen durch den Angeklagten ihrer Mutter Mitteilung gemacht habe, sondern nur angegeben, sie habe ihm angedroht, daß sie dann, wenn er sie (nochmals) belästigen sollte, dies ihrer Mutter sagen und zur Polizei gehen werde, worauf sie von ihm dann nie mehr 'gefragt' worden sei (S. 52). Vor dem Untersuchungsrichter dagegen hat die Zeugin bekundet, sie habe sich sofort nach dem (von ihr abgelehnten) sexuellen Annäherungsversuch des Angeklagten ihrer Mutter anvertraut und diese habe ihr erklärt, daß er sofort bei der Polizei angezeigt würde, falls er sie nochmals belästigen sollte (S. 58). In der Hauptverhandlung schließlich hat die Minderjährige (noch weitergehend) vorgebracht, ihre Mutter habe auf Grund der vorerwähnten Mitteilung sogar den Angeklagten selbst zur Rede gestellt und ihm gesagt, wenn er das noch einmal tue, gehe sie zur Polizei (S. 414).
Unter diesen Umständen kann nicht ausgeschlossen werden, daß der Schöffensenat dann, wenn Ludmilla A - der es im übrigen (zur Vermeidung einer neuerlichen seelischen Belastung oder aus welchen Gründen immer) jedenfalls unbenommen geblieben wäre, eine Zeugnisbefreiung nach § 152 Abs 1 Z. 1 StPO. in Anspruch zu nehmen - die in Rede stehende Darstellung ihrer Tochter (im Sinn des Beweisantrags) nicht bestätigt hätte, in deren belastender Aussage über den (angeblichen) Tathergang doch keine voll überzeugende, für einen Schuldspruch tragfähige Beweisgrundlage erblickt hätte; dies umso eher, als auch die Angaben der Silvia B in der Hauptverhandlung über eine entsprechende Mitteilung der Brigitte A - von welcher der Angeklagte behauptet, diese stehe unter ihrem Einfluß (S. 359) - an sie (S. 376 f., 379) mit ihren ersten Bekundungen darüber bei der Polizei (S. 27) nicht voll übereinstimmen. In der Ablehnung der begehrten Beweisaufnahme mit der Begründung, der Sachverhalt sei ausreichend geklärt, liegt demnach in der Tat eine dem Gebot des § 3 StPO., die zur Verteidigung des Beschuldigten dienenden Umstände mit der gleichen Sorgfalt zu berücksichtigen wie die Belastungsmomente, zuwiderlaufende (und deshalb zur geltend gemachten Urteilsnichtigkeit führende) vorgreifende Beweiswürdigung. Schon darum ist die Aufhebung der Schuldsprüche zu den Fakten I., II., III. und V. sowie demgemäß auch im Strafausspruch unerläßlich, sodaß insoweit in teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde wie im Spruch zu erkennen war, ohne daß es einer Erörterung des weiteren darauf bezogenen Beschwerdevorbringens bedarf; mit seiner Berufung war der Angeklagte darauf zu verweisen.
Im zu erneuernden Verfahren wird das Erstgericht, falls es einer den letzteren belastenden Aussage der Zeugin Brigitte A abermals Glauben schenkt, unter Bedacht auf die Situation zur Tatzeit (vgl. S. 413) mängelfrei begründete und zu einer verläßlichen Beurteilung der Ausführungsnähe seiner Tathandlungen (§ 15 Abs 2 StGB.) erforderliche Feststellungen (auch) darüber zu treffen haben, ob die inkriminierten Äußerungen seinem Vorhaben gemäß nach einer Zustimmung seiner Tochter sogleich und ohne weitere Zwischenphasen in die Vollendung der geplanten Delikte hätte übergehen sollen. Die Annahme einer Idealkonkurrenz zwischen Blutschande nach § 211 Abs 2 StGB. und Mißbrauch eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 StGB. wird aber jedenfalls nicht in Betracht kommen, weil bei der Verführung eines Deszendenten zum Beischlaf durch die Bestrafung wegen Blutschande (§ 211 Abs 2 StGB.) auch schon der Unrechtsgehalt des Mißbrauchs der mit dem Verwandtschaftsgrad verbundenen Autorität (§ 212 Abs 1 StGB.) voll erfaßt wird (EvBl. 1977/197 u.a.).
Soweit die Nichtigkeitsbeschwerde gegen die Schuldsprüche zu den Fakten IV. und VI. gerichtet ist, kommt ihr hingegen keine Berechtigung zu.
Seiner Verantwortlichkeit wegen Mißbrauchs eines Autoritätsverhältnisses (IV.) hält der Beschwerdeführer entgegen, daß sich die Staatsanwaltschaft gemäß § 263
(Abs 2) StPO. in Ansehung des Tatzeitraums vom 16.Dezember 1973 bis zum 15.September 1974 der Verfolgung verschwiegen habe, weil er schon im Verfahren zum AZ. 6 e Vr 7915/74, Hv 244/74, bei der Hauptverhandlung am 19.November 1974 auch hinsichtlich jener Zeit im Sinn seiner nunmehrigen Verurteilung beschuldigt worden sei. Der damit geltend gemachte materiellrechtliche Nichtigkeitsgrund (Z. 9 lit b) liegt indessen nicht vor, weil die der Rüge zugrunde liegende Beschwerdebehauptung über einen derartigen prozessualen Vorgang - wie der (dazu berechtigte) Oberste Gerichtshof (selbst) festzustellen vermochte (vgl. E.Nr. 30-35 zu § 288 StPO. bei Mayerhofer-Rieder II/2) - nach der Aktenlage im zitierten Vor-Verfahren nicht zutrifft. Gleichermaßen unberechtigt ist der Vorwurf von Begründungsmängeln (Z. 5) zum Schuldspruch wegen versuchter Nötigung (VI.). Von einer Undeutlichkeit - der Sache nach eher gemeint: inneren Widersprüchlichkeit - des Urteils darum, weil das Erstgericht 'alternativ' zuerst festgestellt habe, daß der Angeklagte seine Stieftochter aus Eifersucht mißhandelte, und später, daß er mit den Mißhandlungen von ihr die Bekanntgabe erreichen wollte, wo sie sich vorher aufgehalten hatte, kann keine Rede sein, steht doch (einerseits) die eine Konstatierung zu der anderen in keinerlei Gegensatz, sodaß (anderseits) den Entscheidungsgründen insoweit ganz unmißverständlich zu entnehmen ist, daß er Silvia B nicht 'lediglich' aus Eifersucht, sondern zwar aus jenem Motiv, aber eben (gerade deswegen) mit dem Ziel mißhandelt hat, sie zur Mitteilung ihres vorherigen Aufenthalts zu nötigen. Ebenso geht aus der Urteilsbegründung klar hervor, daß das Schöffengericht solcherart in Ansehung des Tatverhaltens sowohl vom Motiv als auch vom Ziel des Beschwerdeführers überzeugt war und dementsprechend beides - ungeachtet der gewiß nicht gerade zweckmäßigen Verwendung des (hier ersichtlich im bestärkenden Sinn gemeinten) Wortes 'wohl' - nicht bloß vermutete, sondern aus den in der Beschwerde relevierten Erwägungen als erwiesen annahm. Mit seinen Einwänden gegen die Feststellung seines Nötigungsvorsatzes schließlich unternimmt der Angeklagte, ohne formelle Begründungsmängel des Urteils gemäß dem geltend gemachten Nichtigkeitsgrund auch nur zu behaupten, bloß einen unzulässigen (und demzufolge unbeachtlichen) Angriff gegen die schöffengerichtliche Beweiswürdigung.
In diesem Umfang war die Nichtigkeitsbeschwerde demnach zu verwerfen.
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