OGH 12Os21/81

OGH12Os21/8121.5.1981

Der Oberste Gerichtshof hat am 21. Mai 1981 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Breycha und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller, Dr. Kral, Dr. Steininger und Dr. Lachner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Garai als Schriftführer in der Strafsache gegen Johann A wegen des Vergehens des schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 und Abs 2 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die vom Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 30. September 1980, GZ 3 a Vr 489/80-40, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Steininger, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Sugar und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Stäger, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 28. Jänner 1952 geborene Kellner Johann A der Vergehen des schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 und Abs 2 StGB (Punkt I./ des Urteilssatzes) sowie des Diebstahls nach §§ 127 Abs 1 und Abs 2 Z 3 StGB (Punkt II./ des Urteilssatzes) schuldig erkannt. Nach dem Inhalt dieser Schuldsprüche hat er in Wien I./ am 25. und 27. September 1979 mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, Angestellte der Wechselstube am Wiener Westbahnhof durch Täuschung über Tatsachen unter Benützung falscher Urkunden, nämlich Vorlage dreier von ihm (unter Verwendung entfremdeter Scheckformulare) auf den Namen Franz B unter Nachmachung der Unterschrift des Genannten ausgestellter Schecks über Beträge von

2.475 S, 500 S und 2.500 S unter gleichzeitiger Vorweisung der (ebenfalls entfremdeten) Scheckkarte des Vorgenannten zur Ausbezahlung von insgesamt 5.475 S verleitet, wodurch die C und E an ihrem Vermögen (insgesamt) um den letzterwähnten Betrag geschädigt wurde:

II./ am 1. September 1979 dem Franz B unter Ausnützung einer Gelegenheit, die durch eine ihm aufgetragene Arbeit als Kellner im Lokal 'F' geschaffen worden war, zum Nachteil des vorgenannten Auftraggebers dessen im Lokal liegengelassene Herrenhandtasche samt darin befindlicher Geldbärse mit 200 S Bargeld, Scheck (-formularen) und mehreren Schlüsseln mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern.

Von dem weiteren Anklagevorwurf, am 28. Dezember 1978 in Wien zum Nachteil des Georg D einen Scheckbetrug mit einer Schadenssumme von 1.000 S verübt zu haben, wurde der Angeklagte unter einem gemäß § 259 Z 3 StPO (unangefochten) freigesprochen. Die allein auf den Nichtigkeitsgrund der Z 10 des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Johann A richtet sich der Sache nach nur gegen den unter Punkt II./ des Urteilssatzes bezeichneten Schuldspruch wegen Vergehens des Diebstahls. Der Beschwerdeführer strebt mit seiner Rechtsrüge in erster Linie eine Beurteilung des diesem Schuldspruch zugrunde liegenden Sachverhaltes als Unterschlagung nach § 134 (Abs 1) StGB, begangen durch Zueignung eines von ihm gefundenen fremden Gutes, an; in eventu begehrt er die Ausschaltung der Diebstahlsqualifikation nach § 127 Abs 2 Z 3 StGB.

Rechtliche Beurteilung

Die Rüge versagt zur Gänze.

Nach den zum angefochtenen Schuldspruch getroffenen wesentlichen Urteilsfeststellungen hatte der damals als Kellner im Restaurant 'F' in Wien 17., Neuwaldeggerstraße, beschäftigte Angeklagte am 1. September 1979

eine dort von dem Gast Franz B versehentlich zurückgelassene (vergessene) Herrenhandtasche, in der sich eine Geldbärse mit 200 S Bargeld, ferner Scheckformulare samt dazugehöriger (auf den Namen Franz B lautender) Scheckkarte, außerdem verschiedene Ausweise und mehrere Schlüssel befanden, an sich genommen, um sich dadurch unrechtmäßig zu bereichern (S 191 d.A), und dem Franz B, als dieser kurz darauf wieder in das Lokal zurückkam und nach seiner dort vergessenen Handtasche nachfragte, eine negative Antwort erteilt. Nach einer (erst zu Hause vorgenommenen; vgl S 176 d.A) Überprüfung des Inhaltes dieser Handtasche behielt sich der Angeklagte den darin (in einer Geldbärse) verwahrten Bargeldbetrag von 200 S (den er für sich verbrauchte). Die Scheckformulare sowie die Scheckkarte benützte er zur Verübung der unter Punkt I./ des Schuldspruchs angeführten Scheckbetrügereien; die Handtasche mit dem restlichen Inhalt (Ausweise, Schlüssel), warf er weg.

Objekt einer sogenannten 'Fundunterschlagung' gemäß § 134 Abs 1 erste Alternative StGB kann nur ein (fremdes) Fut sein, das der Täter gefunden hat, mithin eine verlorene Sache. Verloren ist eine Sache aber nur dann, wenn sie ohne Willen des früheren Inhabers (sohin unfreiwillig) solcherart aus seinem Gewahrsam gekommen ist, daß sie sich seither - ohne aber herrenlos geworden zu sein - in niemandes Gewahrsam befindet (vgl Leukauf-Steininger, Komm zum StGB2, RN 6 und 7 zu § 134, ferner RN 19 zu § 127;

Kienapfel, BT II, RN 18, 20 und 23 zu § 134 StGB). Dies trifft auf den hier aktuellen Fall einer von einem Gast in einem Restaurant (versehentlich) liegengelassenen Handtasche (samt Inhalt) nicht zu, ist diese doch deshalb nicht gewahrsamsfrei geworden. Denn das (Weiter-)Bestehen eines Gewahrsams des Berechtigten (in der Bedeutung einer tatsächlichen Sachherrschaft) setzt nicht voraus, daß der Gewahrsamsinhaber jederzeit unmittelbar auf die Sache einwirken kann, es genügt vielmehr ein 'gelockerter Gewahrsam'. Eine 'greifbare Nähe' zur Sache ist nicht erforderlich (Kidnapfel, Grundriß, II, RN 59 zu § 127 StGB). Damit blieb vorliegend - was der Beschwerdeführer bei Bekämpfung der Qualifikation nach § 127 Abs 2 Z 3 StGB selbst einräumt - der Gewahrsam des Franz B an seiner im Lokal bloß versehentlich zurückgelassenen Handtasche (samt Inhalt) weiterhin aufrecht, zumal ihm deren Verbleib bekannt war und er kurz darauf wieder in das Lokal zurückkehrte, um sie wieder an sich zu nehmen. Daneben trat aber noch zusätzlich der subsidiäre Gewahrsam des Restaurantinhabers, in dessen Lokal die Handtasche verblieb (vgl Kienapfel, BT II RN 78 zu § 127 StGB). Der Beschwerdeführer hat daher die Handtasche (samt Inhalt) jedenfalls aus fremdem Gewahrsam entzogen, weshalb seine Tat rechtsrichtig als Diebstahl beurteilt wurde.

Die in der Beschwerde mit Beziehung auf diesen Diebstahl bekämpfte Qualifikation nach § 127 Abs 2 Z 3 erster Fall StGB setzt die Verübung eines Diebstahls unter Ausnützung einer Gelegenheit, die durch eine dem Täter - als Arbeitnehmer, auf Grund eines Werkvertrages oder eines anderen Dienst- bzw Auftragsverhältnisses -

aufgetragene Arbeit geschaffen worden ist, voraus. Unter diese Qualifikation fallen dabei nicht nur Diebstähle eines Dienstnehmers an seinem Dienstgeber, sondern auch solche an einem sonstigen Auftraggeber, etwa an den Kunden eines Gewerbebetriebes. Sohin kommt als Täter nicht nur der unmittelbar, sondern auch der mittelbar Beauftragte, also beispielsweise der im beauftragten Gewerbebetrieb Beschäftigte - wozu auch ein in einem Restaurant beschäftigter Kellner zählt - in Betracht (Leukauf-Steininger, Komm zum StGB2, RN 85 zu § 127; ÖJZ-LSK 1978/166

= EvBl 1978/169). Als Auftraggeber war im vorliegenden Fall nach dem Vorgesagten Franz B als Gast des Restaurants 'F' anzusehen. Der Beschwerdeführer hat nach Lage des Falles aber auch die besondere, durch die ihm aufgetragene Arbeit als Kellner geschaffene Gelegenheit zum Nachteil des Auftraggebers (hier des als Gast im Rahmen des Restaurationsbetriebes seine Dienste als Kellner beanspruchenden Franz B) ausgenützt und sich gerade im Hinblick auf seine Stellung als Kellner gegenüber einem Außenstehenden in einer zur Tatverübung günstigeren Ausgangsposition befunden (Leukauf-Steininger, Komm zum StGB2, RN 86 zu § 127;

ÖJZ-LSK 1975/221 = SSt 46/53). Es lagen sohin im Urteilsfaktum II./ nach den bezüglichen Feststellungen im Ersturteil sämtliche Voraussetzungen für einen Schuldspruch wegen eines auch nach § 127 Abs 2 Z 3 StGB qualifizierten Diebstahls vor, sodaß dem Ersturteil entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers auch in diesem Belang kein Rechtsirrtum anhaftet.

Die zur Gänze unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde war sohin zu verwerfen.

Das Schöffengericht verurteilte den Angeklagten nach §§ 28, 147 Abs 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 7 (sieben) Monaten. Dabei wertete es als erschwerend die einschlägigen Vorstrafen und das Zusammentreffen zweier Vergehen, als mildernd hingegen das Geständnis.

Mit seiner Berufung strebt der Angeklagte eine Herabsetzung der Strafe und die Gewährung bedingter Strafnachsicht an. Der Berufung kommt keine Berechtigung zu.

Entgegen der Auffassung des Berufungswerbers stellt das bloße Anerkenntnis des Ersatzanspruches des Geschädigten keinen Milderungsgrund dar (vgl ÖJZ-LSK 1978/276) und es kann vorliegend auch nicht davon gesprochen werden, daß der Angeklagte, der zur Tatzeit ein geregeltes Einkommen als Kellner bezog, die Straftaten zufolge einer drückenden Notlage begangen hat. Hinsichtlich des Diebstahls kommt höchstens als weiterer Milderungsgrund in Betracht, daß diese Tat mehr durch eine besonders verlockende Gelegenheit verleitet als mit vorgefaßter Absicht begangen worden ist. Aber auch unter Berücksichtigung dieses weiteren mildernden Umstands entspricht die verhängte Strafe angesichts der kriminellen Vorbelastung des Berufungswerbers der Schuld des Täters und seiner Täterpersönlichkeit, sodaß eine Reduzierung des Strafmaßes nicht in Erwägung gezogen werden konnte.

Im Hinblick auf die einschlägigen Vorstrafen des Angeklagten fehlt es aber auch an den Voraussetzungen für die Gewährung einer bedingten Strafnachsicht. Es bedarf vielmehr der Vollstreckung der Strafe, um den Angeklagten von weiteren strafbaren Handlungen abzuhalten.

Der Berufung mußte demnach zur Gänze ein Erfolg versagt bleiben. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.

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