OGH 9Os53/81

OGH9Os53/8119.5.1981

Der Oberste Gerichtshof hat am 19. Mai 1981 unter dem Vorsitz des Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Obauer und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Faseth, Dr. Steininger, Dr. Horak und Dr. Reisenleitner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Mischer als Schriftführer in der Strafsache gegen Gerald A wegen des Vergehens des versuchten Diebstahls nach §§ 15, 127 Abs 1 und Abs 2 Z 1 StGB über die von der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Jugendgerichtshofes Wien als Schöffengericht vom 26. Februar 1981, GZ 2 b Vr 1946/80-17, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Steininger, der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Knob, und der Ausführungen des Verteidigers Dr. Johannes Stern zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 7. März 1966 geborene Schüler Gerald (Walter) A von der wegen Vergehens des versuchten Diebstahls nach §§ 15, 127 Abs 1 und Abs 2 Z 1 StGB gegen ihn erhobenen Anklage gemäß § 259 Z 4 StPO freigesprochen. Nach den (zusammengefaßt wiedergegebenen) wesentlichen Urteilsfeststellungen hatten der (unbescholtene) Angeklagte Gerald A und der strafunmündige Werner B an einem nicht genau bekannten Tag Mitte Mai 1980 auf einem Fußballplatz Torstangen eingegraben, weshalb sie eine Scheibtruhe und eine Eisenstange mit sich führten, die sie zu dieser Arbeit benötigten. Auf dem Heimweg kamen sie an dem Josef C gehörenden (nicht eingezäunten) Grundstück in der Milläckergasse in Gablitz vorbei, auf dem der Genannte eine aus handgefertigten Zementsteinchen gebaute Zierburg (darstellend die Burg Güssing zur Zeit der Türkenbelagerung) besitzt. Da ihnen insbesondere der Turm dieser Burg gefiel, beschlossen sie (spontan), den Turm zwecks späterer Verwendung für ihre Spiele mitzunehmen, brachen ihn mit der oben erwähnten Eisenstange ab und legten ihn in der Scheibtruhe zum Abtransport bereit. Von einem Zeugen, der die Tat beobachtet hatte, zur Rede gestellt, luden sie jedoch den Turm sofort wieder aus und setzten ihn auf die Burg zurück. Der Wert des Turms beträgt zwar ca 1.000 S, doch war nach Annahme des Gerichtes für den Angeklagten der 500 S übersteigende Wert nicht erkennbar. Der durch das Abbrechen des Turms verursachte Schaden war ungeachtet des Umstandes, daß dabei auch andere Teile der Burg leicht beschädigt worden sind, gering, da ein (Wieder-)Zusammensetzen der (vollständig vorhandenen) Teile ohne Schwierigkeiten bewerkstelligt werden kann.

Die Staatsanwaltschaft bekämpft dieses Urteil mit einer auf die Z 5 und 9 lit b des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.

Rechtliche Beurteilung

Was zunächst die gegen die Urteilsannahme, daß der Angeklagte den wahren Wert des Turms nicht erkannt habe, gerichteten Ausführungen der Mängelrüge anlangt, so stellen sich diese im Grunde lediglich als eine im Nichtigkeitsverfahren unzulässige und solcherart unbeachtliche Bekämpfung der erstgerichtlichen Beweiswürdigung dar. Tatsächlich hat der - zur Tatzeit knapp vierzehnjährige - Angeklagte weder bei der Gendarmerie noch vor Gericht zugegeben, den Wert des Turms gekannt zu haben, und auch aus dem der Sachverhaltsfeststellung ohnehin zugrunde gelegten 'umfassenden und reumütigen Geständnis des Angeklagten' (S 66 unten) muß keineswegs auf eine bezügliche Kenntnis geschlossen werden.

Zuzustimmen ist der Anklagebehörde insoweit, als sie sich in der Rechtsrüge gegen die vom Erstgericht im angefochtenen Urteil vertretene Ansicht wendet, für die Frage der Anwendbarkeit des § 42 StGB komme es (bei einem Diebstahl) nicht auf den objektiven Wert des gestohlenen Gegenstandes, sondern auf die subjektiven Wertvorstellungen des Täters an. Denn ob die Tat (im Sinne des § 42 Abs 1 Z 2

StGB) keine oder nur unbedeutende Folgen nach sich gezogen hat, ist nicht (bloß) darnach zu beurteilen, welche Wertvorstellungen ein Dieb im konkreten Fall von der Beute tatsächlich hat, sondern darnach, welche - auch außertatbestandsmäßigen - Auswirkungen die Tat insgesamt gehabt hat, wofür der objektive Wert der gestohlenen Sache von entscheidender Bedeutung ist. Unter diesem Gesichtspunkt darf die Tat, soll sie gemäß § 42 StGB straflos sein, keine ins Gewicht fallenden sozialen Stärungen herbeigeführt haben (vgl ÖJZ-LSK 1977/344, Leukauf-Steininger, Kommentar zum StGB2, § 42 RN 11, 12). Nur vom Täter ganz und gar unverschuldete, von ihm nicht einmal fahrlässig verursachte Tatfolgen könnten unter dem Gesichtspunkt des § 42 Abs 1 Z 2 StGB außer Betracht bleiben (vgl Zagler in ÖJZ 1975, 349; Zipf,

Die mangelnde Strafwürdigkeit der Tat, Salzburger Universitätsreden, Heft 58, 26; Leukauf-Steininger aaO, § 42 RN 14).

Im vorliegenden Fall ist diese Frage jedoch deshalb bedeutungslos, weil es entgegen der von der Staatsanwaltschaft vertretenen Auffassung gar nicht vom Wert des (ins Auge gefaßten) Diebsgutes abhängt, ob die Tat des Angeklagten nicht nur unbedeutende Folgen nach sich gezogen hat.

Das Maß der Folgen hinge nämlich nur bei einer Vollendung des Diebstahls (auch und in erster Linie) vom Wert der Beute ab, wobei allerdings - wie der Staatsanwaltschaft entgegen den bezüglichen Urteilsausführungen einzuräumen ist - bei einem die Bagatellgrenze (500 S) übersteigenden Schaden nicht mehr von nur unbedeutenden Folgen gesprochen werden könnte. Da die in Rede stehende Tat jedoch beim Versuch geblieben ist und der Angeklagte den Turm wieder auf die Zierburg aufgesetzt hat, können die Tatfolgen nicht mit dem Wert (welcher Höhe immer) des dem Eigentümer somit gar nicht entzogenen Turms gleichgesetzt, sondern nur in den Beschädigungen erblickt werden, die die Zierburg durch das Abreißen des Turms erlitten hat. Diese Beschädigungen - und damit die Tatfolgen - waren aber nach den insoweit unbekämpft gebliebenen Urteilsannahmen, in denen zum Ausdruck kommt, daß sämtliche Teile der Burg vorhanden sind und ein Zusammensetzen ohne Schwierigkeiten bewerkstelligt werden kann (vgl S 68, 69), nur unbedeutend.

Der Umstand, daß Sachen in einem die Bagatellgrenze übersteigenden Wert gestohlen werden sollten, ist allerdings für die Frage, ob die Schuld des Täters (noch) gering ist, von Bedeutung. Unter diesem Gesichtspunkt kann aber vorliegend - was von der Staatsanwaltschaft an sich auch nicht ernsthaft bestritten wird - angesichts der durch Unüberlegtheit gekennzeichneten, aus dem Spieltrieb des knapp strafmündigen, noch nicht voll ausgereiften Jugendlichen entsprungenen (versuchten) Tatausführung dem Erstgericht darin beigepflichtet werden, daß die Schuld des Täters (§ 42 Abs 1 Z 1 StGB), die Sozialschädlichkeit der Tat und ihr Stärwert für die Umwelt kraft der besonderen Aspekte des Einzelfalles deutlich unter der Norm des in der Strafdrohung des § 127 StGB typisierten Durchschnittswertes liegen, und daß eine Bestrafung im gegebenen (für jedermann als solcher erkennbaren) Sonderfall auch nicht geboten ist, um den (in geordneten Familienverhältnissen lebenden) jugendlichen Angeklagten selbst oder andere potentielle Täter von weiteren (insbesondere gleichgelagerten) strafbaren Handlungen abzuhalten und die Gesetzestreue der Bevälkerung zu stärken.

Da das Erstgericht mithin von der Bestimmung des § 42 StGB (im Ergebnis) zutreffend Gebrauch gemacht hat, war die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft zu verwerfen.

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