OGH 9Os58/81

OGH9Os58/815.5.1981

Der Oberste Gerichtshof hat unter dem Vorsitz des Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Obauer und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Faseth, Dr. Steininger, Dr. Horak und Dr. Reisenleitner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Pramhofer als Schriftführer in der Strafsache gegen Georg A wegen des Vergehens des Mißbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs. 1 StGB nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung über die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Schöffengericht vom 16. Jänner 1981, GZ 21 Vr 1717/80-12, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben und das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, in seinem schuldigsprechenden Teil und im Strafausspruch aufgehoben und die Sache gemäß § 288 Abs. 2 Z 3 zweiter Satz StPO an das Erstgericht zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung zurückverwiesen.

Der Angeklagte wird mit seiner Berufung auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 28. Juli 1953 geborene Georg A des Vergehens des Mißbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs. 1 StGB schuldig erkannt. Nach den (zusammengefaßt wiedergegebenen) wesentlichen Urteilsfeststellungen ist der Angeklagte mit der Schwester der am 30. September 1965 geborenen Schülerin Veronika B verheiratet. Veronika B kam des öfteren, so auch wieder zu Ferienbeginn im Sommer 1979, nach Einöden (St. Johann/Pongau), wo der hauptberuflich als Bankangestellter tätige Angeklagte eine kleine Landwirtschaft betreibt. Während ihrer Aufenthalte in Einöden wurde die Aufsicht über das erhebliche Erziehungsschwierigkeiten bereitende, sehr verwahrlosungs- und permanent sittlich gefährdete Mädchen von dessen Mutter (Josefa B) stillschweigend dem Ehepaar A überlassen.

An einem Abend im Herbst 1979 begab sich die Ehegattin des Angeklagten vorzeitig zur Ruhe, sodaß dieser mit Veronika B allein beim Fernsehen zurückblieb. Die beiden führten nach dem Genuß von etwas Alkohol Gespräche über sexuelle Dinge, was den Angeklagten so erregte, daß er mit seiner minderjährigen Schwägerin in sexueller Absicht Zärtlichkeiten auszutauschen begann. Schließlich faßten sie den Entschluß, zum nahe gelegenen Wochenendhaus der Eltern des Angeklagten zu gehen, um dort einen Geschlechtsverkehr durchzuführen. Auf dem Wege dorthin setzten sie das Austauschen von Küssen fort und der Angeklagte betastete Veronika B auch über der Kleidung an der Brust und am Geschlechtsteil. Beim Wochenendhaus angelangt, ließen sie jedoch von ihrem Vorhaben ab und kehrten in das Wohnhaus zurück, ohne geschlechtlich verkehrt zu haben. Der oben erwähnte Schuldspruch wird vom Angeklagten Georg A mit einer auf die Nichtigkeitsgründe der Z 5

und 9 lit. a des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde bekämpft.

Rechtliche Beurteilung

In Ausführung des letztgenannten Nichtigkeitsgrundes macht der Beschwerdeführer zutreffend geltend, daß bei der (im vorliegenden Fall ausschließlich in Betracht kommenden) zweiten Alternative des § 212 Abs. 1 StGB - anders als beim Mißbrauch des eigenen minderjährigen Kindes, Wahlkindes, Stiefkindes oder Mündels, bei dem die (mißbräuchliche) Ausnützung des Autoritätsverhältnisses präsumiert wird (vgl ÖJZ-LSK 1978/282 = EvBl 1979/72) - die Tatsache eines geschlechtlichen Mißbrauchs der minderjährigen Person für sich allein nicht genügt, sondern der Nachweis einer Tatbegehung unter Ausnützung der Stellung des Täters gegenüber dem Opfer erforderlich ist.

Dies bedeutet allerdings nicht, daß die Initiative zur Unzucht unbedingt von der Autoritätsperson ausgegangen sein muß. Vielmehr hat die Vorschrift des § 212 Abs. 1

StGB gegenüber den Bestimmungen des alten Rechts (§§ 132 III, 133 StG 1945) insofern eine Erweiterung des Anwendungsbereichs der Strafdrohung gebracht, als nunmehr nicht bloß die Verführung, sondern der Mißbrauch der geschützten Person zur Unzucht schlechthin mit Strafe bedroht wird, gleichviel, von wem die Initiative dazu ausgeht. Denn Mißbrauch einer Person zur Unzucht stellt auch dann ein kriminelles Unrecht dar, wenn der Täter zwar nicht der Verführer war, die Tat jedoch unter Ausnützung eines Autoritätsverhältnisses begangen hat (vgl Erl Bem zur RV des StGB, 30 d. Beil zu den sten Prot des NR, XIII. GP S 354).

Seine Stellung gegenüber dem Opfer nützt demnach der vom Beschwerdeführer vertretenen Ansicht zuwider nicht nur jener Täter aus, der seine Autorität einsetzt, um den (anders gearteten) Willen der geschützten Person - etwa durch Überredung, Fordern, Versprechungen etc -

derart zu beeinflussen, daß diese die Unzuchtshandlung setzt oder an sich geschehen läßt (in diesem Sinne Foregger-Serini, StGB2, Erläuterungen II zu § 212, S 363, Leukauf-Steininger, Kommentar zum StGB2, RN 19 zu § 212, Pallin in Wiener Kommentar zum StGB, RN 5 - 7 zu § 212), sondern auch derjenige, der sich ihm durch das Autoritätsverhältnis sonst eröffnende Möglichkeiten für unzüchtige Zwecke zunutze macht, ohne gleichzeitig (selbst) Verführer zu sein. Unumgänglich ist allerdings, daß der Unzuchtsmißbrauch erst durch ein - zumindest faktisch bestehendes - Abhängigkeitsverhältnis der zur Erziehung, Ausbildung oder Aufsicht anvertrauten minderjährigen Person ermöglicht oder doch wenigstens entscheidend erleichtert wird, weswegen etwa die bloße Fortsetzung einer schon vor dem Abhängigkeitsverhältnis (unabhängig von diesem) bestandenen Liebesbeziehung in der Regel nicht tatbildlich sein wird.

Für den vorliegenden Fall bedeutet dies, daß das Erstgericht verpflichtet gewesen wäre, im angefochtenen Urteil Feststellungen nicht nur darüber zu treffen, ob und wodurch der Angeklagte seine gegenüber Veronike B faktisch bestehende Autoritätsstellung objektiv ausgenützt hat, sondern auch darüber, ob er sich dabei der das Autoritätsverhältnis begründenden Umstände subjektiv bewußt und die allfällige Ausnützung seiner Stellung gegenüber dem Schützling von seinem Vorsatz umfaßt gewesen ist.

Da sohin die Anordnung einer neuen Hauptverhandlung nicht zu vermeiden ist, war gemäß § 285 e StPO schon bei der nichtöffentlichen Beratung über die zum Vorteil des Angeklagten ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde mit einer Aufhebung des bekämpften Urteils in seinem schuldigsprechenden Teil vorzugehen und erübrigt es sich aus diesem Grund auf die weiteren Beschwerdeausführungen einzugehen.

Mit seiner Berufung war der Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen.

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