Spruch:
Keiner der beiden Revisionen wird Folge gegeben.
Die Kosten des Revisionsverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
Text
Entscheidungsgründe:
Am 14. 5. 1978 kam es in Mils-Oberdorf auf der Höhe der Raiffeisenkasse zu einem Verkehrsunfall, an dem der PKW des Klägers, *****, und der PKW des Erstbeklagten *****, beteiligt waren. Der Kläger und der Erstbeklagte waren Halter ihrer Fahrzeuge, die zweitbeklagte Partei Haftpflichtversicherer des Fahrzeugs des Erstbeklagten. Durch den Unfall wurde nur der Wagen des Klägers beschädigt, der Reparaturaufwand betrug 7.351,87 S.
Der Kläger begehrt die Bezahlung seines Reparaturaufwands mit der Begründung, der Erstbeklagte sei aus der Gegenrichtung über die Fahrbahnmitte gekommen, sodass er, um einen Frontalzusammenstoß zu vermeiden, seinen PKW nach rechts habe verreißen müssen und infolgedessen an einen steinernen Brunnentrog gestreift sei.
Die beklagten Parteien wendeten Alleinverschulden des Klägers ein, der die linke Fahrbahnhälfte benützt habe, weil er an dem in der Mitte der Fahrbahn befindlichen Dorfbrunnen links statt rechts vorbeigefahren sei.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren zur Gänze statt.
Das Berufungsgericht entschied auf der Grundlage einer Schadensteilung im Verhältnis von 1 : 1.
Gegen das Urteil des Berufungsgerichts in dem jeweils sie beschwerenden Umfange erheben beide Streitteile Revision wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung, der Kläger mit dem Antrag, das Ersturteil wiederherzustellen, die beklagten Parteien mit dem Antrag auf vollinhaltliche Klagsabweisung, hilfsweise mit einem Aufhebungsantrag.
Beide Teile haben Revisionsbeantwortungen erstattet, in denen sie beantragen, der Revision der Gegenseite jeweils nicht Folge zu geben.
Beide Revisionen sind nicht gerechtfertigt.
Dem angefochtenen Urteil liegen folgende Sachverhaltsfeststellungen zugrunde:
Die Oberdorfstraße, auf der der Kläger in Richtung Norden fuhr, beschreibt auf der Höhe der Raiffeisenbank Mils eine starke Linkskurve in Fahrtrichtung des Klägers. Im trichterförmigen Einmündungsbereich befindet sich ein steinerner Brunnentrog. Die Breite zwischen dem westlichen Fahrbahnrand und der nordwestlichen Ecke des Troges misst 6,8 m, die zur südwestlichen Ecke 6 m. Der Kläger näherte sich mit seinem PKW Marke Ford Escort, Breite 1,60 m, der Einmündung mit einer Geschwindigkeit von annähernd 30 km/h. Er beabsichtigte, nach links abzubiegen, und hielt sich deshalb auf jenem Fahrstreifen der Oberdorfstraße, der in seiner Fahrtrichtung gesehen, links am Brunnen vorbeiführt. Aus der Gegenrichtung kam das Fahrzeug des Erstbeklagten, ein PKW, Marke Ford Taunus, von 1,70 m Breite, entgegen. Weil dieser PKW seiner Meinung nach so weit vom westlichen Fahrbahnrand entfernt fuhr, dass eine Begegnung der beiden Fahrzeuge nicht möglich war, lenkte der Kläger sein Fahrzeug nach rechts und fuhr in der Folge gegen den Brunnen. Ob eine Begegnung der beiden Fahrzeuge zwischen dem westlichen Fahrbahnrand und dem Brunnen möglich gewesen wäre und welchen seitlichen Abstand der Wagen des Erstbeklagten vom westlichen Fahrbahnrand zum Zeitpunkt der Begegnung hatte, ist nicht feststellbar. Erwiesen ist jedoch, dass das Fahrzeug des Erstbeklagten in der Endstellung vom westlichen Fahrbahnrand einen Seitenabstand von ca 1 m hatte.
Rechtlich vertrat das Erstgericht die Auffassung, dass der Kläger nicht gegen die Bestimmung des § 8 StVO verstoßen habe, sondern links am Brunnentrog habe vorbeifahren dürfen. Dass die Frage, welchen seitlichen Abstand der Erstbeklagte bei der Begegnung eingehalten habe, nicht geklärt wurde, gehe zu Lasten der beklagten Parteien. Da ausschließlich der Wagen des Klägers beschädigt worden sei, sei ein Schadensausgleich nicht möglich und daher die Bestimmung des § 11 EKHG nicht anzuwenden. Die beklagten Parteien hätten gemäß § 5 Abs 1 EKHG iVm § 1 EKHG den Schaden zu ersetzen, weil ihnen der Entlastungsbeweis nach § 9 Abs 2 EKHG nicht gelungen sei.
Das Berufungsgericht erachtete, dass der Unfall des Klägers mit der Betriebsgefahr des entgegenkommenden Fahrzeugs in einem inneren Zusammenhang stehe, somit „beim Betrieb“ dieses Fahrzeugs verursacht worden sei (§ 1 EKHG). Daher sei die Ausgleichsregel des § 11 EKHG heranzuziehen, ungeachtet dessen, dass nur am Fahrzeug des Klägers ein Sachschaden entstanden ist. Mangels Nachweises eines schuldhaften Verhaltens der beteiligten Lenker, einer außergewöhnlichen Betriebsgefahr oder überwiegenden gewöhnlichen Betriebsgefahr eines der beiden Fahrzeuge sei nach der in § 11 Abs 1 EKHG aufgestellten Rangordnung eine gleich große gewöhnliche Betriebsgefahr anzunehmen und daher eine Schadensaufteilung im Verhältnis von 1 : 1 angemessen.
Der Kläger beruft sich auf die Richtigkeit der Rechtsansicht des Erstgerichts und meint, dass mangels eines gegenseitigen Ersatzanspruchs ein Ausgleich nach § 11 EKHG nicht in Betracht komme; die Ausgleichspflicht sei eine Folge der Schadenersatzpflicht.
Die beklagten Parteien machen geltend, dem Kläger sei der Nachweis, dass sich der Unfall „beim Betrieb“ des Fahrzeugs des Erstbeklagten ereignet habe, nicht gelungen. Wende man aber § 11 EKHG an, so habe der Kläger durch das nach-rechts-Verreißen seines Fahrzeugs für eine außergewöhnliche Betriebsgefahr einzustehen und nach der Rangordnung des § 11 EKHG bestehe kein Anlass, dem Erstbeklagten eine Ausgleichspflicht aufzuerlegen.
Rechtliche Beurteilung
Beiden Revisionen kann nicht gefolgt werden.
Dass sich der gegenständliche Unfall im Sinne des § 1 EKHG „beim Betrieb“ der beteiligten Fahrzeuge (also auch dem des Erstbeklagten) ereignet hat und daher nach den Bestimmungen des EKHG zu beurteilen ist, kann nach dem festgestellten Sachverhalt nicht zweifelhaft sein. Positiv steht fest, dass sich der Unfall anlässlich der Begegnung der beiden Fahrzeuge abspielte; feststellbar war nur nicht, ob eine Begegnung zwischen dem westlichen Fahrbahnrand und dem Brunnen möglich gewesen wäre und welchen Seitenabstand der PKW des Erstbeklagten vom westlichen Fahrbahnrand im Zeitpunkt der Begegnung hatte. Dies lassen die beklagten Parteien außer Acht und bringen damit ihre Rechtsrüge nicht zur gesetzmäßigen Darstellung. Auf der Grundlage der - positiven wie negativen - Feststellungen hat daher das Berufungsgericht den für die Anwendung des EKHG erforderlichen „inneren ursächlichen Zusammenhang mit einem bestimmten Betriebsvorgang“ und den „äußeren (örtlichen und zeitlichen) Zusammenhang“ (siehe Anm 2 zu § 1 EKHG MGA3) zwischen der Begegnung der beteiligten Fahrzeuge und dem am PKW des Klägers eingetretenen Schaden zu Recht bejaht.
§ 11 Abs 1 Satz 2 EKHG trifft auch für den hier gegebenen Fall eine Regelung, dass an einem Unfall zwei Fahrzeuge beteiligt sind, aber nur eines davon beschädigt wurde (Koziol Haftpflichtrecht II 473; vgl ZVR 1963/179; 8 Ob 152/77; 2 Ob 55/76; 2 Ob 80/77). In diesem Fall stehen sich nicht wie sonst die Schadenersatzansprüche zweier (oder mehrerer) Beteiligter gegenüber, sondern dem Schadenersatz des einen (geschädigten) Beteiligten kein Anspruch des anderen (nicht geschädigten) Beteiligten; gleichwohl hat es zum „Ausgleich“ zwischen beiden zu kommen, der sich aber denknotwendig nur auf der Seite des geschädigten Beteiligten auswirken kann.
Anders als in dem der unter ZVR 1979/25 veröffentlichten Entscheidung zugrundeliegenden Fall, bei dem das „plötzliche Linksverreißen“ eines beteiligten Lenkers als außergewöhnliche Betriebsgefahr qualifiziert wurde, ist im vorliegenden Fall von der Feststellung auszugehen, dass der Kläger lediglich sein Fahrzeug „nach rechts lenkte“, also eine Ausweichlenkung vornahm. Dieses im Zuge der Begegnung der beiden Fahrzeuge erfolgte Verhalten kann aber nicht als Verwirklichung einer außergewöhnlichen Betriebsgefahr im Sinne der Rangordnung des § 11 EKHG (Verschulden, außergewöhnliche Betriebsgefahr, überwiegende gewöhnliche Betriebsgefahr) angesehen werden. Zutreffend verweist das Berufungsgericht in diesem Zusammenhang darauf, dass besondere gefahrenerhöhende Umstände nicht hervorgekommen sind. Die von ihm vorgenommene Schadensteilung auf der Grundlage einer gleich großen gewöhnlichen Betriebsgefahr im Verhältnis von 1 : 1 ist daher nicht zu beanstanden.
Beiden Revisionen war aus diesen Erwägungen ein Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 43 Abs 1 und 50 ZPO; die beiderseits gleich hohen Kosten des Revisionsverfahrens (1.327,71 S, darin 91,23 S Umsatzsteuer und 96 S Barauslagen) waren gegeneinander aufzuheben.
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