Spruch:
Der Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht vom 25.Februar 1981, AZ. 7 Bs 58/81, verletzt das Gesetz in den Bestimmungen des § 467 Abs. 2 (§ 489 Abs. 1) StPO.
Dieser Beschluß wird aufgehoben.
Text
Gründe:
Mit dem Urteil eines Einzelrichters des Kreisgerichtes Wels vom 16. Dezember 1980, GZ. 13 E Vr 1681/80-9, wurde Rudolf Wilhelm A wegen des Vergehens des Diebstahls nach § 127 Abs. 1 StGB. zu einer Freiheitsstrafe verurteilt, wogegen er sofort 'Berufung wegen Strafe' einlegte (S. 34). Jenes Rechtsmittel wies das Oberlandesgericht Linz mit dem im Spruch bezeichneten Beschluß in nichtöffentlicher Sitzung zurück (§§ 470 Z. 1, 489 Abs. 1 StPO.), weil der Angeklagte weder bei der Anmeldung der Berufung noch in einer Berufungsschrift ausdrücklich erklärt habe, durch welche Punkte des Erkenntnisses (§§ 464, 283 StPO.) er sich beschwert finde; nach §§ 467 Abs. 2, 489 Abs. 1 StPO. müsse der Berufungswerber aber im Fall einer Berufung wegen des Ausspruches über die Strafe auch angeben, ob er damit den Ausspruch über die Strafart, das Strafmaß oder die Nichtanwendung der bedingten Strafnachsicht bekämpfe.
Rechtliche Beurteilung
Dieser Zurückweisungsbeschluß steht mit dem Gesetz nicht im Einklang.
Gemäß §§ 470 Z. 1; 489 Abs. 1 StPO. kann die Berufung im Verfahren vor den Bezirksgerichten und vor dem Einzelrichter des Gerichtshofes erster Instanz (unter anderem) dann, wenn der Berufungswerber bei ihrer Anmeldung oder in ihrer Ausführung 'die Punkte des Erkenntnisses, durch die er sich beschwert findet, ... nicht deutlich und bestimmt bezeichnet hat', vom Berufungsgericht bei der nichtöffentlichen Beratung als unzulässig zurückgewiesen werden; Gleiches gilt für die Berufung gegen schöffen- und geschwornengerichtliche Urteile (§§ 294 Abs. 4, 296 Abs. 2; 344 StPO.). Darin liegt die prozessuale Sanktion für jene Verfahrensbestimmungen, nach denen der Berufungswerber bei der Anmeldung der Berufung oder in der Berufungsschrift ausdrücklich zu erklären hat, durch welche Punkte des Erkenntnisses er sich beschwert finde (§§ 467 Abs. 2;
489 Abs. 1; 294 Abs. 2; 344 StPO.).
Eine solcherart statuierte Verpflichtung des Rechtsmittelwerbers zur deutlichen und bestimmten Bezeichnung seiner konkreten Beschwer - die auch bei der Geltendmachung von Nichtigkeitsgründen vorgeschrieben ist (§§ 467 Abs. 2, 470 Z. 1; 489 Abs. 1; 285 Abs. 1, 285 a Z. 2, 285 d Abs. 1 Z. 1; 344 StPO.) und grundsätzlich den Umfang des Rechtsmittelverfahrens bestimmt (§§ 477 Abs. 1 erster Satz; 489 Abs. 1; 290 Abs. 1 erster Satz, 295 Abs. 1 erster Satz; 344 StPO.) - setzt allerdings eine Präzisierung des jeweiligen Anfechtungsgegenstands dahin voraus, daß letzterer, falls in Ansehung eines bestimmten Urteils-Ausspruches verschiedene Zielrichtungen einer Anfechtung in Betracht kommen, nicht bloß seiner allgemeinen Art nach (als Entscheidung über Schuld, Strafe oder privatrechtliche Ansprüche), sondern darüber hinaus auch gerade in jenem besonderen Aspekt, durch den sich der Berufungswerber im speziellen Fall als beschwert erachtet, eindeutig zu erkennen ist. Diese Regelung gilt jedoch nur für das schöffen- und geschwornengerichtliche Rechtsmittelverfahren uneingeschränkt (vgl. Mayerhofer-Rieder II/2, E.Nr. 4, 6
zu § 294 StPO. u.a.), und zwar trotz der StPN. 1962, mit der es in Ansehung der Berufung dem Verfahren über Berufungen gegen Urteile der Bezirksgerichte und des Einzelrichters beim Gerichtshof erster Instanz durch § 294 Abs. 2 (und 4) StPO. (n.F.) bloß insoweit (und derart) angeglichen wurde, als nunmehr (n.F.) auch hier eine bestimmte Angabe der - im zweiten Satz des § 294 Abs. 2 StPO.
(1960 a.F. und n.F.) als 'Beschwerdegründe' bezeichneten - Berufungsgründe, also derjenigen 'Umstände, die die Berufung begründen sollen' (a.F.), nicht mehr erforderlich ist (vgl. hiezu die Erl.Bem. zur RV. der StPN. 1962, 729 d.
Beil. zu den sten. Prot. des NR., IX.GP., S. 6; a.M. Roeder, Lehrbuch2, S. 303, Anm. 1 a.E.).
Für das bezirksgerichtliche Berufungsverfahren und dementsprechend (§ 489 Abs. 1 StPO.) auch für das Verfahren über Berufungen gegen Urteile des Einzelrichters beim Gerichtshof erster Instanz dagegen ist (und war) die (auch nach der StPN. 1962 weiterhin bestehende) grundsätzliche Präzisierungspflicht des Berufungswerbers in bezug auf den Anfechtungsgegenstand (seit jeher) in § 467 Abs. 2 StPO. durch den zugehörigen ausdrücklichen Hinweis auf § 464 StPO. dahin gelockert, daß in diesen Verfahrensarten seine Erklärung genügt, ob er sich - außer wegen vorliegender Nichtigkeitsgründe (§ 464 Z. 1 StPO.), deren deutliche und bestimmte Bezeichnung jedenfalls unerläßlich ist (§§ 467 Abs. 2, 470 Z. 1 StPO.) - durch den Ausspruch des Erstgerichtes über die Schuld oder (und) über die Strafe (§ 464 Z. 2 StPO.), wobei die zugunsten des Angeklagten ergriffene Berufung gegen den Ausspruch über die Schuld auch die Berufung gegen die Strafbemessung enthält (§ 467 Abs. 3 StPO.), oder (und) über die privatrechtlichen Ansprüche (§ 464 Z. 3 StPO.) beschwert findet. Im Rechtsmittelverfahren gegen Urteile der Bezirksgerichte und des Einzelrichters beim Gerichtshof erster Instanz hat folglich das Berufungsgericht - anders als im schöffen- und geschwornengerichtlichen Rechtsmittelverfahren - im Fall einer nicht näher konkretisierten Bezeichnung des Anfechtungsgegenstands über jede Beschwer, die für den Berufungswerber durch einen der in § 464 Z. 2 und 3 StPO. angeführten und von ihm bezeichneten Punkte des Erkenntnisses möglich ist, meritorisch zu entscheiden (vgl. Mayerhofer-Rieder II/2, E.Nr. 4, 10 zu § 467 StPO. u.a.).
In Stattgebung der von der Generalprokuratur erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes war daher die dem Oberlandesgericht Linz durch die Zurückweisung der vom Angeklagten ergriffenen 'Berufung wegen Strafe' unterlaufene Gesetzesverletzung festzustellen und gemäß § 292
letzter Satz StPO. zu beheben; demgemäß wird das Berufungsgericht nunmehr über dieses Rechtsmittel meritorisch zu entscheiden haben.
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