OGH 11Os190/80

OGH11Os190/809.4.1981

Der Oberste Gerichtshof hat am 9.April 1981 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska, in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, Dr. Walenta, Dr. Schneider und Dr. Reisenleitner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Robl als Schriftführers in der Strafsache gegen Johann A u.a. wegen des Verbrechens nach dem § 12 Abs. 1 SuchtgiftG. und einer anderen strafbaren Handlung über die von der Angeklagten Michaela A gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengerichtes vom 14.Oktober 1980, GZ. 6 e Vr 1.013/80-40, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrates des Obersten Gerichtshofes Dr. Walenta, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Oehlzand, und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwaltes Dr. Melnizky, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß dem § 390 a StPO. fallen der Angeklagten Michaela A auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde - neben ihrem Ehegatten Johann A, der das Urteil unbekämpft ließ -

die am 14.August 1959 geborene beschäftigungslose Michaela A des Verbrechens nach dem § 12 Abs. 1 SuchtgiftG.

und des Vergehens nach dem § 16 Abs. 1 Z. 2 SuchtgiftG. schuldig erkannt, weil sie (zu Punkt I A des Urteilssatzes) im einverständlichen Zusammenwirken mit Johann A im Jahr 1979 dadurch, daß sie sechs namentlich festgestellten Personen insgesamt ca. 15 Gramm sowie 20 'Schuß' Heroin und unbekannten Personen eine nicht mehr feststellbare Menge Heroin verkaufte, ein Suchtgift in einer Gemeingefahr begründenden Menge in Verkehr setzte und (zu Punkt II des Urteilssatzes) überdies in der Zeit zwischen November 1979 und Ende Mai 1980 wiederholt unberechtigt Suchtgifte erwarb und besaß. Gegen diesen Schuldspruch wendet sich die Angeklagte mit einer auf die Z. 5, 7, 8, 9 lit. a und 10 des § 281 Abs. 1 StPO. gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.

Rechtliche Beurteilung

Soweit in der Mängelrüge zunächst der Sache nach allgemein die Zurechnung eines bedingten Vorsatzes hinsichtlich der durch die Weitergabe des Suchtgifts an Angehörige der Drogenszene herbeigeführten abstrakten Gemeingefahr als unzureichend begründet bezeichnet wird, ist der Beschwerde zu erwidern, daß die betreffenden Feststellungen in den eigenen Angaben der Beschwerdeführerin im Vorverfahren ihre Deckung finden (S. 143 ff.), die das Schöffengericht im Rahmen freier Beweiswürdigung ungeachtet ihres späteren teilweisen Widerrufes (S. 90, 351 ff.) seiner Entscheidung zugrundelegen konnte.

Insbesonders versagt der Vorwurf der Angeklagten, das Schöffengericht lasse ihre Verantwortung unerörtert, daß die Weitergabe von Suchtgift immer nur an Süchtige stattgefunden habe und sie z.B. der Meinung gewesen sei, der Zeuge Norbert B könne mit Rücksicht auf seine eigene schwere Sucht von der von ihrem Gatten erworbenen geringen Suchtgiftmenge (tatsächlich handelte es sich um vier Gramm Heroin) nichts weitergegeben haben. Das Erstgericht überging diese Verantwortung der Beschwerdeführerin keineswegs, sondern lehnte sie ausdrücklich als unglaubwürdig ab (S. 366). Es stützte sich hiebei denkrichtig nicht nur auf die allgemeine forensische Erfahrung in Suchtgiftfällen, sondern gerade auch auf die Aussage des von der Beschwerdeführerin angeführten Zeugen Norbert B, der entgegen ihrem Vorbringen nicht nur angab, es sei in der 'Szene' üblich, daß Süchtige sich gegenseitig mit Suchtgift aushelfen, sondern auch, daß er durch 'Strecken' - gemeint Beimengen anderer Substanzen - gut verdient habe (vgl. seine in der Hauptverhandlung verlesenen Angaben Seite 15 ff.).

Eine Undeutlichkeit der Urteilsgründe erblickt die Beschwerdeführerin schließlich zu Unrecht darin, daß dem Urteil nicht zu entnehmen sei, in welchen konkreten Fällen sie ihren Ehegatten beim Verkauf des Suchtgiftes durch Einlassen der Käufer in die Wohnung, Beschäftigung mit ihnen während der Herbeischaffung des benötigten Suchtgiftes und teilweise Entgegennahme telefonischer Bestellungen unterstützte. Diese Rüge betrifft keine entscheidenden Tatsachen im Sinn des behaupteten Nichtigkeitsgrundes, weil es nicht darauf ankommt, welche Handlungen die Beschwerdeführerin im einzelnen bei Begehung der ihr angelasteten Fakten verübte. Entscheidend ist nur, daß sie, wie aus dem Urteil klar hervorgeht, in allen diesen Fällen auf die eine oder die andere (festgestellte) Art und Weise an der Veräußerung des Suchtgiftes mitwirkte. Die Geschäfte des Erstangeklagten, die er ohne Beteiligung abwickelte, wurden der Beschwerdeführerin gar nicht angelastet und sind unter Punkt I B des Schuldspruches zusammengefaßt.

Es liegt aber auch eine Nichtigkeit des Urteils im Sinn des § 281 Abs. 1 Z. 7 StPO. nicht vor. Daß der zu Punkt I A 5 des Urteilssatzes ergangene Schuldspruch wegen Verkaufs einer nicht mehr feststellbaren Menge Heroin an unbekannte Personen mit der auf Verkauf von zumindest 50 Gramm Heroin an verschiedene Unbekannte lautenden Anklage (vgl. deren Ausdehnung in Seite 353) nicht ident ist, kann von der Angeklagten nicht geltend gemacht werden (vgl. die bei Mayerhofer-Rieder zu § 281 Abs. 1 Z. 7 StPO. zitierten Entscheidungen); eine derartige Erledigung der Anklage kommt in ihrer Wirkung insoweit ohnedies einem (vorliegend unangefochten gebliebenen und daher in Rechtskraft erwachsenen) Teilfreispruch gleich.

Auch eine gemäß dem § 281 Abs. 1 Z. 8 StPO. Nichtigkeit bewirkende Anklageüberschreitung fand nicht statt.

Als Tatzeitende ist zu Faktum II durch einen Fehler in der schriftlichen Urteilsbegründung zwar zunächst 'Ende 1980' - statt richtig 'Ende Mai 1980' - angeführt gewesen (S. 361), der Schuldspruch erging jedoch tatsächlich nur hinsichtlich der in der Anklage inkriminierten Tatzeit, sohin lediglich bis Ende Mai 1980, weshalb eine Angleichung der insoweit unrichtigen Urteilsausfertigung an das mündlich verkündete Urteil verfügt werden konnte (ON. 64).

Die auf den § 281 Abs. 1 Z. 9 lit. a StPO. gegründete Rechtsrüge ist insoweit als sich die Beschwerdeführerin durch den Schuldspruch wegen des Verbrechens nach dem § 12 Abs. 1 SuchtgiftG. beschwert erachtet, weil sie weder entsprechende Ausführungshandlungen gesetzt habe, noch Bestimmungstäterin sei, noch einen sonstigen Tatbeitrag geleistet habe, nicht gesetzmäßig ausgeführt; sie übergeht die vom Erstgericht festgestellte Übereinkunft beider Angeklagter, durch Suchtgifthandel ihren Eigenkonsum zu finanzieren. Die der Beschwerdeführerin angelasteten Tätigkeiten - Entgegennahme von Kundenaufträgen und Weitergabe an ihren Ehegatten, Einlassen von Kunden in die Wohnung und Beschäftigung mit ihnen, während sie auf die Ausfolgung des Suchtgifts warteten - geschahen, wie auch die Beschwerdeführerin nicht bestreitet, in Ausführung dieses für die rechtliche Beurteilung bindend festgestellten Vorsatzes. Durch diesen Vorsatz wurden aber auch an sich zunächst rechtlich indifferent erscheinende Handlungen - wie die eben beschriebenen - strafrechtlich relevante Tatbeiträge zu dem vorliegenden Suchtgiftdelikt.

Angesichts der rechtlichen Gleichwertigkeit aller Täterschaftsformen des § 12 StGB. braucht auf die von der Beschwerdeführerin aufgeworfene Frage, welchem der drei Fälle dieser Gesetzesstelle die ihr angelasteten Handlungen entsprechen, nicht weiter eingegangen zu werden. Denn eine nur in dieser Richtung verfehlte Subsumtion könnte den hier angerufenen Nichtigkeitsgrund oder auch den der Z. 10 des § 281 Abs. 1 StPO. nicht verwirklichen (vgl. ÖJZ-LSK. 1976/116, 1978/52, 1979/116 u.a.).

Ausdrücklich auf den § 281 Abs. 1 Z. 10 StPO. gestützt bringt die Beschwerdeführerin schließlich vor, ihre Tat könne bei richtiger rechtlicher Beurteilung nur dem § 16 Abs. 1 Z. 1 SuchtgiftG. unterstellt werden. Die Art der Weitergabe hätte keine Gemeingefahr begründet, weil die Abnehmer des Suchtgiftes, soweit sie ihrerseits Teilmengen weitergaben, damit nur schwer süchtige Personen belieferten. Damit entfernt sich die Beschwerde jedoch neuerlich vom angefochtenen Urteil, in dem ausdrücklich festgestellt wird, daß beide Angeklagten die Möglichkeit bedachten und sich damit abfanden, daß das von ihnen verkaufte Suchtgift von den Abnehmern weitergegeben und auf diese Weise in Anbetracht der Menge eine Gemeingefahr für einen von vornherein nicht begrenzbaren Personenkreis von 30 bis 50 Personen herbeigeführt würde (S. 367). Die Rechtsrüge ist daher auch insofern nicht gesetzmäßig ausgeführt.

Zu näheren Feststellungen über das weitere Schicksal des von den Angeklagten in Verkehr gesetzten Suchtgifts bestand für das Erstgericht zudem kein Anlaß, weil es sich beim Tatbild des § 12 Abs. 1 SuchtgiftG. um ein abstraktes Gefährdungsdelikt handelt, das bereits dann verwirklicht ist, wenn die dort beschriebene Gemeingefahr auf Grund der Handlungsweise eines oder mehrerer Täter entstehen kann.

Die Annahme des billigenden Inkaufnehmens einer derartigen Gemeingefahr ist jedenfalls schon dann berechtigt, wenn - wie vorliegend - ein die sogenannte Grenzmenge (bei Heroin 0,5 Gramm) beträchtlich übersteigendes Quantum von Suchtgift an eine Mehrzahl von Personen auf eine Weise weitergegeben wird, die es den Tätern unmöglich macht, den weiteren Weg des in Verkehr gesetzten Suchtgiftes zu kontrollieren oder auch nur abzuschätzen. Der Beschwerdeführerin fehlte ebenso wie dem Erstangeklagten jede Möglichkeit, die von ihnen geschaffene Gefahr zu begrenzen, sodaß (auch) das Tatbestandsmerkmal der vorsätzlichen Herbeiführung einer Gemeingefahr im Sinn des § 12 Abs. 1 SuchtgiftG. zu Recht angenommen wurde. Ob diese Gefahr sodann tatsächlich (konkret) entstand, ist für die Erfüllung des Tatbestandes unerheblich.

Die Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten Michaela A war mithin als unbegründet zu verwerfen.

Das Schöffengericht verhängte über Michaela A - neben einer nicht bekämpften Verfallsersatzstrafe -

nach dem § 12 Abs. 1 SuchtgiftG. unter Anwendung des § 28 StGB. eine Freiheitsstrafe in der Dauer von zwanzig Monaten. Bei der Strafbemessung wertete es die mehreren 'Angriffe', das Zusammentreffen eines Verbrechens mit einem Vergehen, die einschlägigen Vorstrafen sowie die teilweise Tatbegehung während eines noch anhängigen weiteren Verfahrens wegen eines Suchtgiftdelikts als erschwerend; das Teilgeständnis der Angeklagten und die eigene Sucht fanden hingegen als mildernd Berücksichtigung. Mit ihrer Berufung strebt die Angeklagte die Herabsetzung der verhängten Freiheitsstrafe an.

Die Berufung ist nicht berechtigt.

Die gegebenen Strafzumessungsgründe wurden vom Schöffengericht im wesentlichen richtig festgestellt und auch zutreffend gewürdigt. Die zuerkannte Freiheitsstrafe entspricht dem Unrechtsgehalt der Verfehlungen - insbesonders unter Bedachtnahme auf die besondere Gefährlichkeit der Art des verfahrensgegenständlichen Suchtgifts -, dem Verschuldensgrad der einschlägig vorbestraften Angeklagten und nimmt auch auf die bei Delikten gegen die Volksgesundheit mit in Betracht zu ziehenden Belange der Generalprävention gebührend Bedacht. Für eine Herabsetzung der Strafe besteht daher kein Anlaß. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.

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