OGH 11Os19/81

OGH11Os19/8125.3.1981

Der Oberste Gerichtshof hat am 25.März 1981 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska, in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, Dr. Walenta, Dr. Schneider und Dr. Reisenleitner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Robl als Schriftführer in der Strafsache gegen Josef A wegen des Verbrechens des Zwanges zur Unzucht nach dem § 203 Abs 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die vom Angeklagten gegen das Urteil des Kreisgerichtes Wels als Schöffengericht vom 3.Oktober 1980, GZ 12 Vr 1.353/79-26, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Salpins und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur Generalanwalt Dr. Strasser zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung werden zurückgewiesen.

Aus Anlaß der Nichtigkeitsbeschwerde wird gemäß dem § 290 Abs 1 StPO das angefochtene Urteil, das im übrigen (Punkt 2 des Schuldspruches und Freispruch) unberührt bleibt, im Schuldspruch wegen des Verbrechens des Zwanges zur Unzucht nach dem § 203 Abs 1 StGB und demgemäß im gesamten Strafausspruch (einschließlich des Ausspruches über die Anrechnung der Untersuchungshaft) aufgehoben und es wird im Umfang der Aufhebung gemäß dem § 288 Abs 2 Z 3 StPO in der Sache selbst erkannt:

Josef A ist (weiters) schuldig, am 14.Oktober 1979 in St. Georgen im Attergau dadurch, daß er Helga B beim Handgelenk vom Ausgang des Hotels 'Attergauer-Hof' zu einer unbeleuchteten Hofeinfahrt und schließlich in einen unbeleuchteten Hinterhof zerrte, sich äußerte, daß ihr etwas passieren würde, wenn sie sich weiterhin zur Wehr setzen und um Hilfe rufen sollte, ihr zu verstehen gab, daß sie ihm nun nicht mehr auskommen könne, sie schließlich aufforderte, sein erregtes Glied in den Mund zu nehmen, ansonsten er sie umbringen würde und, als die Genannte um Hilfe rief, ihr beide Hände um den Hals legte und drohte: 'Wenn Du nicht sogleich ruhig bist, drücke ich zu und dann lebst Du nicht mehr lange', sie schließlich zum Niederknieen veranlaßte, bei den Haaren erfaßte und ihren Kopf gegen seinen Geschlechtsteil drückte, außer den Fällen der §§ 201 bis 203 StGB eine Person mit Gewalt und durch gefährliche Drohung zur Unzucht genötigt zu haben.

Josef A hat hiedurch das Verbrechen der Nötigung zur Unzucht nach dem § 204 Abs 1 StGB begangen und wird hiefür sowie für das ihm nach dem unberührt gebliebenen Teil des Schuldspruchs weiterhin zur Last liegende Vergehen der versuchten Nötigung nach den §§ 15, 105 Abs 1 StGB nach dem § 204 Abs 1 StGB unter Bedachtnahme auf den § 28 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 10 (zehn) Monaten verurteilt.

Der Kostenausspruch sowie die Aussprüche über die bedingte Strafnachsicht und die Anrechnung der Vorhaft werden aus dem Ersturteil übernommen.

Gemäß dem § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 26.August 1952 geborene Tennislehrer Josef A des Verbrechens des Zwanges zur Unzucht nach dem § 203 Abs 1

StGB (Punkt I 1 des Urteilssatzes) und des Vergehens der versuchten Nötigung nach den §§ 15, 105 Abs 1 StGB (Punkt I 2 des Urteilssatzes) schuldig erkannt. Vom Anklagevorwurf des Verbrechens der versuchten Notzucht nach den §§ 15, 201 Abs 1 StGB wurde er - unangefochten -

gemäß dem § 259 Z 3 StPO freigesprochen.

Gegen dieses Urteil meldete der Angeklagte, der sich zunächst Bedenkzeit ausgebeten hatte, erst an dem der Urteilsverkündung nachfolgenden vierten Tag (7.Oktober 1980) die Rechtsmittel der Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung an, die er später (nach Urteilszustellung) auch schriftlich ausführte.

Rechtliche Beurteilung

Da sowohl die Nichtigkeitsbeschwerde als auch die Berufung binnen drei Tagen nach der Urteilsverkündung anzumelden sind (§§ 284 Abs 1, 294 Abs 1 StPO), war die Rechtsmittelanmeldung - wie die Generalprokuratur zutreffend darlegt - verspätet.

über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung war daher wie aus dem Spruch ersichtlich zu erkennen.

Aus Anlaß dieser Nichtigkeitsbeschwerde hatte der Oberste Gerichtshof jedoch gemäß dem § 290 Abs 1 StPO wahrzunehmen, daß das Urteil zum Nachteil des Angeklagten mit einer materiellen Nichtigkeit nach der Z 10 des § 281 Abs 1 StPO behaftet ist. Das Erstgericht ging in rechtlicher Würdigung des die Grundlage für den Schuldspruch zu Punkt I 1 des Urteilssatzes bildenden Sachverhaltes davon aus, daß Helga B durch Drohungen und tatsächlich ausgeübte Gewalt außer Stande gesetzt war, den Unzuchtshandlungen Widerstand zu leisten (Seite 168 f des Aktes).

Der Tatbestand des § 203 Abs 1 StGB verlangt in objektiver Hinsicht (ähnlich jenem des § 201 Abs 1 StGB), daß sich das Opfer infolge der vom Täter ausgeübten Gewalt oder Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben im Zustand der Widerstandsunfähigkeit befindet. Darunter ist eine Lage zu verstehen, die - auch unter Anlegung eines strengen Maßstabes (ÖJZ-LSK 1976/237) - weiteren Widerstand wegen Unmöglichkeit, Aussichtslosigkeit oder Unzumutbarkeit ausschließt (EvBl 1947/78, 1966/270 u.a.). Diesem Erfordernis genügen aber die Urteilsfeststellungen nicht. Daß Helga B der Aufforderung, sich auf den Boden zu knieen, 'angesichts der Drohungen und Gewalttätigkeiten des Angeklagten' nachkam (Seite 165

des Aktes) und sich in der Folge passiv verhielt, als der Angeklagte ihren Mund wiederholt mit seinem Glied in Berührung brachte, wobei 'sie die gegen ihre Sexualsphäre gerichteten Handlungen des A nicht freiwillig über sich ergehen ließ' (Seite 168 des Aktes), entspricht den vorgenannten Voraussetzungen nicht. Dies umsoweniger, als Helga B der daran unmittelbar anschließend vorgebrachten Aufforderung des Angeklagten, mit ihm (an Ort und Stelle) einen Geschlechtsverkehr durchzuführen, energisch und erfolgreich Widerstand entgegenzusetzen vermochte (Seite 166 des Aktes); ein Gesamtverhalten, das wegen seiner Einheitlichkeit - unter unveränderten äußeren Umständen - die Annahme einer (auch nur zeitweisen) Widerstandsunfähigkeit im oben dargelegten Sinn ausschließt. Dazu kommt, daß aus den Urteilsfeststellungen auch ein so weitgehender, auf Willensbrechung, Wehrlosmachung der Helga B gerichteter Vorsatz (vgl. Pallin, WK, Rz 26 zu § 201), des Angeklagten nicht abzuleiten ist. Wohl aber muß unter den gegebenen Umständen die Frage nach einer Willensbeugung (vgl. Pallin, WK, Rz 9 zu § 202) des Opfers (durch gefährliche Drohung und Gewalt) zur Duldung der vorerwähnten Unzuchtshandlungen sowohl in objektiver als auch in subjektiver Hinsicht ohne Einschränkung bejaht werden. Damit liegen aber - richtigerweise - sämtliche Tatbestandsmerkmale des § 204 Abs 1 StGB vor. Da die rechtsirrige Subsumtion des Sachverhaltes unter den § 203 Abs 1 StGB wegen der höheren Strafdrohung dem Angeklagten zum Nachteil gereicht, war aus Anlaß der (wenn auch verspäteten) Nichtigkeitsbeschwerde (vgl. SSt 21/58, 42/53 u.a.) das angefochtene Urteil insoweit (einschließlich des Strafausspruches) aufzuheben und auf der Grundlage der Urteilsfeststellungen in der Sache selbst - wie aus dem Spruch ersichtlich - zu entscheiden.

Bei der demgemäß vorzunehmenden Neubemessung der Strafe konnte von den in erster Instanz richtig und vollständig angeführten Strafzumessungsgründen ausgegangen werden. Eine Freiheitsstrafe im Ausmaß von zehn Monaten wird dem Unrechtsgehalt der Tat und der Schwere der Schuld des Täters gerecht.

Die bedingte Strafnachsicht war - abgesehen von ihrer sachlichen Rechtfertigung - schon wegen des Verschlimmerungsverbotes zu gewähren. Ebenso war der Ausspruch über die Anrechnung der Vorhaft aus dem Ersturteil zu übernehmen.

Die Kostenaussprüche beruhen auf den §§ 389, 390 a StPO.

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