OGH 11Os21/81

OGH11Os21/8125.3.1981

Der Oberste Gerichtshof hat am 25.März 1981 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska, in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, Dr. Walenta, Dr. Schneider und Dr. Reisenleitner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Robl als Schriftführers in der Strafsache gegen Josef A wegen des Vergehens des versuchten Widerstandes gegen die Staatsgewalt nach den §§ 15, 269

Abs 1 StGB. und einer anderen strafbaren Handlung über die von dem Angeklagten gegen das Urteil des Kreisgerichtes Wels als Schöffengerichtes vom 10.Dezember 1980, GZ. 11 Vr 930/80-20, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrates des Obersten Gerichtshofes Dr. Reisenleitner, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Gadzinski und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwaltes Dr. Tschulik, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß dem § 390 a StPO. fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 12.Mai 1952 geborene Musiker Josef A der - in Tateinheit verübten - Vergehen des versuchten Widerstandes gegen die Staatsgewalt nach den §§ 15, 269 Abs 1 StGB. (Punkt 1 des Urteilssatzes) und der schweren Körperverletzung nach den §§ 83 Abs 2, 84 Abs 2 Z. 4 StGB. (Punkt 2 des Urteilssatzes) schuldig erkannt.

Diese Schuldsprüche bekämpft der Angeklagte mit einer auf die Nichtigkeitsgründe des § 281 Abs 1 Z. 5

und 9 lit a StPO. gestützten Nichtigkeitsbeschwerde. Zum erstbezeichneten Nichtigkeitsgrund bemängelt der Beschwerdeführer, das Erstgericht habe sich nicht mit Widersprüchen in der Aussage des Zeugen B auseinandergesetzt, der insbesondere auch nicht mit Bestimmtheit habe angeben können, ob seine Verletzung durch einen tätlichen Angriff oder durch eine Abwehrhandlung entstanden sei, und habe deshalb zu Unrecht Mißhandlungsvorsatz angenommen.

Rechtliche Beurteilung

Die Rüge versagt. Wesentliche Tatumstände betreffende Widersprüche in der Zeugenaussage des Gendarmerieinspektors B, die einer ausdrücklichen Erörterung in den Entscheidungsgründen bedurft hätten, vermag die Beschwerde nicht aufzuzeigen. Ob der Zeuge den Angeklagten nach dessen erstem tätlichen Angriff (Schlag mit der rechten Hand gegen die linke Schulter des Zeugen), mit der rechten Hand an der linken Schulter, wie das Erstgericht annahm (vgl. S. 106 d. A.), oder, wie der Zeuge B in der Hauptverhandlung deponierte (vgl. S. 95 d. A.), mit der linken Hand am rechten Oberarm erfaßte, worauf der Angeklagte dann mit der linken Hand zu einem Schlag gegen die rechte Schulter des Beamten ausholte, ist für die Beurteilung der Tat unentscheidend. Ebenso ist die Frage nicht entscheidungswesentlich, ob die Verletzung des Beamten durch einen direkt gegen die Hand geführten Schlag des Angeklagten oder bei der Abwehr eines in anderer Weise gegen den Körper (des Beamten) gerichteten tätlichen Angriffs entstand, weil dem Angeklagten auch unter der letztgenannten Voraussetzung der durch sein (von einem Mißhandlungsvorsatz umfaßtes) Verhalten kausal herbeigeführte Verletzungserfolg als fahrlässig bewirkt zuzurechnen ist. Daß der Beamte, wie das Schöffengericht im übrigen ausdrücklich konstatierte, verletzt wurde, als er den letzten Schlag des Angeklagten mit der offenen Hand abfing, wobei ihm der Ringfinger der rechten Hand umgebogen wurde (vgl. S. 107 d.A.), schließt die Annahme eines Mißhandlungsvorsatzes nicht aus. Die aus den Verfahrensergebnissen gezogene Schlußfolgerung des Gerichtes, daß der Angeklagte mit Mißhandlungsvorsatz gegen den Beamten schlug, steht mit der allgemeinen Lebenserfahrung durchaus im Einklang. Die Beschwerdeausführungen zur Mängelrüge laufen somit im wesentlichen nur auf eine unzulässige und daher unbeachtliche Bekämpfung der - nach dem Gesagten schlüssigen - erstrichterlichen Beweiswürdigung hinaus.

In Ausführung des Nichtigkeitsgrundes der Z. 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO. macht der Beschwerdeführer geltend, keine Gewalt im Sinn des § 269 Abs 1 StGB. angewendet zu haben, weil er den Urteilsfeststellungen zufolge keine größere Kraftanstrengung unternommen habe, um sich der angedrohten Festnahme zu entziehen. Die Beschwerde übersieht jedoch, daß zur Annahme von Gewalt eine besondere körperliche Kraftanwendung nicht erforderlich ist, sondern hiefür schon jede Entfaltung physischer Kraft - etwa durch Schlagen oder Stoßen mit den Händen - in einer an sich (also unabhängig vom konkreten Kräfteverhältnis zwischen Täter und Opfer) zur überwindung einer Gegenwirkung geeigneten Intensität genügt (vgl. die bei Leukauf-Steininger, Kommentar zum StGB.2, RN. 12 zu § 269 StGB. zitierte Judikatur). Diesen Voraussetzungen entspricht das festgestellte Tatverhalten des Angeklagten, zumal der angegriffene Beamte einen Gummiknüppel zu Hilfe nehmen mußte, um den Widerstand des Angeklagten zu brechen (vgl. S. 107 d.A.).

Soweit der Beschwerdeführer aber in Bekämpfung seines Schuldspruches wegen versuchten Widerstandes gegen die Staatsgewalt in Zweifel zieht, daß sein Vorsatz auf die Hinderung eines Beamten an einer - von ihm als solche erkannten - Amtshandlung gerichtet war, setzt er sich über die gegenteiligen Urteilsannahmen hinweg, wonach er seine vom Gendarmeriebeamten B ausdrücklich ausgesprochene Festnahme und Eskortierung zum Gendarmerieposten verhindern wollte (vgl. S. 106 d. A.), und bringt damit den angerufenen materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrund nicht zur gesetzmäßigen Darstellung. Nicht durchzudringen vermag die Beschwerde schließlich auch mit ihrer gegen den Schuldspruch nach den §§ 83 Abs 2, 84 Abs 2 Z. 4 StGB. gerichteten Rechtsrüge: Zwar trifft es zu, daß nicht jede während der ausgeübten Gewalt einem Beamten zugefügte körperliche Beschädigung zwangsläufig diesen Tatbestand erfüllt (vgl. ÖJZ-LSK 1975/201, 1976/280). Im vorliegenden Fall stellte das Schöffengericht jedoch ausdrücklich fest, daß der Angeklagte gegen den Beamten mit Mißhandlungsvorsatz vorging. Wenn die Beschwerde diese Tatsachenfeststellung unberücksichtigt läßt, geht sie abermals nicht von dem im Urteil als erwiesen angenommenen Sachverhalt aus, wie dies für eine gesetzmäßige Ausführung der Rechtsrüge erforderlich wäre. Daß die Verletzung des Beamten nicht unmittelbare Folge einer Angriffshandlung des Angeklagten war, sondern bei der Abwehr eines vom Angeklagten (mit Mißhandlungsvorsatz) geführten Schlages entstand, steht der Annahme einer (schweren) Körperverletzung in der Begehungsform des Abs 2 des § 83 StGB. nicht entgegen, weil dem Angeklagten der durch sein vorsätzliches Handeln herbeigeführte Verletzungserfolg zufolge objektiver und subjektiver Voraussehbarkeit in beiden Fällen gleicherweise als fahrlässig bewirkt zuzurechnen ist. Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Josef A war sohin zu verwerfen.

Das Kreisgericht verurteilte den Angeklagten nach dem ersten Strafsatz des § 269 Abs 1 StGB. unter Bedachtnahme auf § 28 StGB. zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von fünf Monaten. Es wertete bei der Strafbemessung als erschwerend das die Voraussetzungen des § 39 StGB. erfüllende belastete Vorleben des Angeklagten und das Zusammentreffen zweier Vergehen, als mildernd den Umstand, daß es teilweise beim Versuch blieb.

Der Angeklagte strebt mit seiner Berufung die Herabsetzung des Strafausmaßes und die Gewährung der bedingten Strafnachsicht an. Der Berufung kommt keine Berechtigung zu.

Eine Enthemmung durch Alkohol, die der Angeklagte für sich als mildernd in Anspruch nehmen will, wird durch den Vorwurf aufgewogen, den der Alkoholgenuß den Umständen nach begründet (§ 35 StGB.): Der Vollzug mehrerer Verwaltungsstrafen mußte wegen Haftunfähigkeit des Angeklagten abgebrochen werden (S. 7 d.A.), sein Gesundheitszustand ist somit ersichtlich nicht unerheblich beeinträchtigt. Es bestand gerade auch deshalb kein verständlicher Anlaß dafür, sich während einer Eisenbahnfahrt zu betrinken.

Daß die Folgen der Tat des Angeklagten geringfügig blieben, berücksichtigte das Erstgericht ohnedies, indem es den Umstand als mildernd wertete, daß der Widerstand gegen die Staatsgewalt beim Versuch blieb.

Der Berufungswerber vermag somit keine ins Gewicht fallenden Milderungsgründe darzutun, die nicht schon vom Erstgericht berücksichtigt worden wären.

Das vom Erstgericht gewählte Strafmaß entspricht dem durch 15 gerichtliche Vorstrafen und zahlreiche verwaltungsbehördliche Bestrafungen gekennzeichneten Vorleben des Angeklagten, das ihn als wiederholt rückfälligen Randalierer erscheinen läßt. Das Strafmaß trägt somit dem Verschulden des Täters voll Rechnung und steht nicht außer Relation zur Tatschuld.

Eine bedingte Strafnachsicht kommt bei dem äußerst getrübten Vorleben des Angeklagten keinesfalls in Frage.

Die Kostenentscheidung ist in der im Spruch genannten Gesetzesstelle verankert.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte