OGH 9Os34/81

OGH9Os34/8110.3.1981

Der Oberste Gerichtshof hat unter dem Vorsitz des Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Obauer und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral, Dr. Steininger, Dr. Horak und Dr. Reisenleitner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Robl als Schriftführer in der Strafsache gegen Peter (auch: Petr) A wegen des Vergehens der Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung im Zustand voller Berauschung nach § 287 Abs 1 (§§ 15, 269 Abs 1; 83 Abs 1, 84 Abs 2 Z. 4) StGB. nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 4.Dezember 1980, GZ. 1 c Vr 8857/80-15, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

über die Berufung wird in einem Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung entschieden werden.

Gemäß § 390 a StPO. fallen dem Angeklagten auch die Kosten des (bisherigen) Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 27.April 1949 geborene, zuletzt arbeitslose Abwäscher Peter (Petr) A des Vergehens der Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung im Zustand voller Berauschung nach § 287 Abs 1 (§§ 15, 269 Abs 1; 83 Abs 1, 84 Abs 2 Z 4) StGB. verurteilt, weil er sich am 22.August 1980 in Wien fahrlässig durch den Genuß von Alkohol in einen die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Rauschzustand versetzte und im Rausch eine Handlung beging, die ihm außer diesem Zustand als Vergehen des versuchten Widerstandes gegen die Staatsgewalt nach §§ 15, 269 Abs 1 StGB und als Vergehen der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs 1, 84 Abs 2 Z 4 StGB zugerechnet würde, indem er - was vom Erstgericht entgegen § 260 Abs 1 Z. 1 StPO nicht im Urteilsspruch konstatiert wurde (wohl aber den Entscheidungsgründen entnommen werden kann) - den Polizeibezirksinspektor Walter B, der ihn in eine Arrestzelle abführte, durch einen Tritt an dieser Amtshandlung zu hindern suchte und den Beamten dadurch - in Form einer starken Schwellung des rechten Fußes - am Körper verletzte.

Gegen dieses Urteil richtet sich die allein auf die Z. 4 des § 281 Abs 1 StPO. gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten und seine Berufung.

Rechtliche Beurteilung

Der Nichtigkeitsbeschwerde kommt keine Berechtigung zu. Der Verteidiger des Angeklagten stellte in der Hauptverhandlung den Antrag, den Angeklagten zum Beweis dafür zu psychiatrieren, daß er zum Zeitpunkt der Tat auf Grund psychischer Störungen nicht in der Lage war, das Unrecht seiner Tat zu erkennen oder danach zu handeln. Dieser Antrag wurde vom Erstgericht mit der Begründung abgewiesen, daß keine Anhaltspunkte für eine Geisteskrankheit des Angeklagten oder einen anderen im § 11 StGB. genannten Zustand vorlägen; behauptete Depressionen seien Folge mißlicher Lebensumstände des Beschwerdeführers und könnten nicht zur Vermutung führen, er sei geisteskrank (S. 64 und 72 d.A.).

Die Beschwerde vermeint, Angaben des Beschwerdeführers über Depressionen und seine Abneigung gegen Uniformierte hätten bereits zu einer Anordnung einer Psychiatrierung führen müssen. Sie ist damit nicht im Recht.

Daß beim Beschwerdeführer zur Tatzeit eine Geisteskrankheit, Schwachsinn oder eine tiefgreifende Bewußtseinsstörung (außerhalb des Rauschzustandes) vorgelegen sei, wurde von ihm niemals behauptet; er gab vielmehr sogar der Meinung Ausdruck, nicht geisteskrank zu sein (S. 62 d.A.). Es käme damit nur eine andere schwere, einem der angeführten Zustände gleichwertige seelische Störung in Betracht, die es dem Beschwerdeführer unmöglich gemacht hätte, das Unrecht seiner Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln (§ 11 StGB.). Eine derartige Störung müßte aber, damit Zurechnungsunfähigkeit angenommen werden könnte, einem der übrigen im § 11

StGB. angeführten Zustände völlig gleichwertig und so intensiv ausgeprägt sein, daß das Persönlichkeitsbild des Täters vollkommen zerstört ist (Leukauf-Steininger, Kommentar zum StGB.2, RN. 15, 16 zu § 11).

Eine Psychiatrierung des Angeklagten wäre nur dann vorzunehmen gewesen, wenn das Beweisverfahren objektive Momente hervorgebracht hätte, die auf das Vorliegen eines Zustandes der eben bezeichneten (schweren) Art hindeuten (Mayerhofer-Rieder, StPO., II/1, § 134/3,6). Derartige objektive Anhaltspunkte liegen indes nicht vor. Den in der Hauptverhandlung verlesenen (S. 63 d.A.) Vorstrafakten liegen unter anderem jeweils auch in mehr oder weniger alkoholbeeinträchtigtem Zustand verübte Attacken des Angeklagten auf Polizeibeamte zugrunde. Niemals hatte der Angeklagte in einem dieser Verfahren behauptet, wegen einer schweren seelischen Störung zurechnungsunfähig gewesen zu sein, obwohl er - zum Teil anhaltend - gegen die Verurteilungen ankämpfte. Es wurde sogar anläßlich einer amtsärztlichen Untersuchung in einem dieser Verfahren konstatiert, daß ein Schuldausschließungsgrund nach § 11

StGB. nicht vorlag (S. 13 in AZ. 1 c Vr 10.382/77 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien).

Im vorliegenden Verfahren wurde der Angeklagte vom

- allerdings ersichtlich zur Beurteilung der Frage der Volltrunkenheit beigezogenen - psychiatrischen Sachverständigen im Rahmen der Gutachtenserstattung ergänzend befragt (S. 62 d.A.), nachdem vom Verteidiger auch die Frage einer geistigen Störung aufgeworfen worden war. Der Sachverständige kam danach zu dem - vom Urteil des Erstgerichtes übernommenen - Schluß, daß den Behauptungen des Angeklagten folgend zwar Depressionen vorliegen, die jedoch auf mißliche Lebensumstände zurückzuführen sind. Derartige Verstimmungen haben aber nach forensischer Erfahrung nicht den Stellenwert eines der im § 11 StGB. umschriebenen Zustände. Ebensowenig stellt eine 'Aversion' gegen informierte Beamte einen solchen Zustand dar. Das Erstgericht war daher nicht gehalten, eine Psychiatrierung des Angeklagten (offenbar gemeint: die Einholung eines ergänzenden Gutachtens nach weiterer Exploration des Angeklagten) zu veranlassen. Der darauf abzielende Antrag konnte ohne Beeinträchtigung von Verteidigungsrechten abgewiesen werden. Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher sofort bei der nichtöffentlichen Beratung als offenbar unbegründet zurückzuweisen (§ 285 d Abs 1 Z. 2 StPO.).

Zur Entscheidung über die Berufung des Angeklagten wird mit gesonderter Verfügung ein Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung anberaumt werden.

Die Kostenentscheidung fußt auf der im Spruch genannten Gesetzesstelle.

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