OGH 11Os11/81

OGH11Os11/8125.2.1981

Der Oberste Gerichtshof hat am 25.Februar 1981 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichthsofes Dr. Kießwetter, Dr. Walenta, Dr. Schneider und Dr. Reisenleitner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Robl als Schriftführer in der Strafsache gegen Reinhard A wegen des Verbrechens des Mordes nach dem § 75 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die vom Angeklagten gegen das Urteil des Geschwornengerichtes beim Kreisgericht St. Pölten vom 14.Oktober 1980, GZ 24 Vr 5/80-61, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Schubert und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur Generalanwalt Dr. Melnizky zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß dem § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 2.Juni 1956 geborene Maler und Anstreicher Reinhard A auf Grund des Wahrspruches der Geschwornen der Verbrechen der versuchten Notzucht nach den §§ 15, 201 Abs 1 StGB und des Mordes nach dem § 75 StGB schuldig erkannt. Ihm liegt zur Last, am 22.Dezember 1979 in Amstetten Brigitte B (geboren am 1.März 1964) nach dem Versuch, sie durch einen Faustschlag und Würgen, sohin mit Gewalt gegen ihre Person bzw. durch Drohung, widerstandsunfähig zu machen und sie in diesem Zustand zum außerehelichen Beischlaf zu mißbrauchen, in einem Waldstück der Rotte Giggerreith durch Versetzen von Fußtritten gegen den Hals vorsätzlich getötet zu haben.

Die Geschwornen hatten die beiden Hauptfragen in Richtung der Verbrechen der versuchten Notzucht und des Mordes jeweils einstimmig bejaht, die Zusatzfrage III zur Hauptfrage I nach freiwilligem Rücktritt vom Versuch der Notzucht jedoch einstimmig verneint. Die Eventualfragen IV, V und VI, mit denen den Geschwornen die Möglichkeit geboten wurde, das gewaltsame Wegbringen der Brigitte B mit dem PKW. des Angeklagten als Vergehen der Freiheitsentziehung nach dem § 99 Abs 1 StGB und ihre Mißhandlung als Verbrechen der absichtlichen schweren Körperverletzung mit Todesfolge nach dem § 87 Abs 2 letzter Fall StGB. oder als Verbrechen der Körperverletzung mit tödlichem Ausgang (§§ 83, 86 StGB) zu beurteilen, ließen die Geschwornen folgerichtig unbeantwortet.

Dieses Urteil bekämpft der Angeklagte mit einer Nichtigkeitsbeschwerde, in der er ausdrücklich nur den Nichtigkeitsgrund des § 345 Abs 1 Z 6 StPO, sachlich aber auch jenen des § 345 Abs 1 Z 5 StPO geltend macht.

Rechtliche Beurteilung

Zunächst entspricht nach Meinung des Beschwerdeführers die Fragestellung deshalb nicht den Vorschriften der §§ 312 bis 317 StPO, weil sein Antrag (S 258, dritter Band) auf Stellung einer Zusatzfrage (§ 316 StPO), die den Geschwornen die Möglichkeit geboten hätte, den Eintritt des Todes bei Brigitte B nicht als Mord oder (absichtliche) Körperverletzung mit tödlichem Ausgang, sondern als Folge der versuchten Notzucht (§§ 15, 201 Abs 1, Abs 2 letzter Fall StGB) zu beurteilen, abgelehnt wurde (S 259, dritter Band). Der behauptete Mangel liegt jedoch nicht vor.

Voraussetzung für die Stellung einer derartigen Zusatzfrage ist, daß in der Hauptverhandlung Tatsachen vorgebracht wurden, die - wenn sie als erwiesen angenommen werden - einen im Gesetz namentlich angeführten Erschwerungs- oder Milderungsumstand begründen würden, der nach dem Gesetz die Anwendung eines anderen Strafsatzes bedingt (§ 316 StPO). Der durch einen Notzuchtsakt verursachte Tod einer Frau wäre ein solcher im Gesetz (§ 201 Abs 2 letzter Fall StGB) namentlich angeführter Umstand, der vorliegend auch eine für den Angeklagten günstigere Beurteilung der Tat (allein als versuchte - wenn auch nach dem letzten Fall des § 201 Abs 2 StGB qualifizierte - Notzucht) zur Folge hätte.

Doch ist dem Schwurgerichtshof darin beizupflichten, daß für eine solche Fragestellung kein Anlaß bestand. Denn der im Zug eines Notzuchtsangriffs eintretende Tod des Opfers ist nur dann nach dem § 201 Abs 2 StGB zu beurteilen, wenn er vom Vorsatz des Täters nicht umfaßt war, wohl aber im Sinn des § 7 Abs 2 StGB als fahrlässig herbeigeführt zuzurechnen ist; bei auch nur bedingt vorsätzlicher Tötung liegt Konkurrenz von Mord mit Notzucht nach § 201 Abs 1 StGB vor (Pallin im Wiener Kommentar zum StGB, RN 29 zu § 201). Ein Tathergang, nach welchem der Tod der Brigitte B eine vom Angeklagten fahrlässig herbeigeführte Folge der beim Notzuchtsversuch gesetzten Angriffe gewesen wäre, wurde aber vom Angeklagten weder im Vorverfahren, noch in der Hauptverhandlung behauptet. Im Vorverfahren brachte er zunächst überhaupt nur vor, Brigitte B mit dem Auto fahrlässig niedergestoßen, sie dann im Zug eines Streites, bei dem sie ihn geschlagen habe, gewürgt und hiebei ihren Tod billigend in Kauf genommen zu haben (S 32 f, 40 f, erster Band); zudem habe er Angst gehabt, daß sie ihn verraten könnte (S 44, erster Band).

Später behauptete er die Vollendung des Notzuchtsverbrechens aufgegeben, B aber hernach gewürgt und auf andere Art mißhandelt zu haben, damit sie ruhig sei, bzw. um ihr einen Denkzettel zu geben, weil sie ihn in die Hoden geschlagen und er Angst vor einer Anzeige gehabt habe (S 59 ff, 65 c verso, 65 d, 105 bis 107, 111, erster Band). In der Hauptverhandlung schließlich verantwortete er sich dahin, er habe, nachdem er die Ausführung des Notzuchtverbrechens bereits aufgegeben hatte, dem Mädchen gestatten wollen, den PKW zu verlassen, als es ihm (allenfalls versehentlich) einen schmerzhaften Schlag versetzt und laut geschrien habe, weshalb er ihm einen wuchtigen Faustschlag und einen oder mehrere Fußtritte in die Halsregion versetzt habe (S 225, 230, 234, dritter Band).

Zutreffend erkannte sohin der Schwurgerichtshof in der Verantwortung des Angeklagten die Schilderung zweier voneinander getrennter Willensentschlüsse, von denen der erste zu einem Sexualangriff führte, der zweite aber Tätlichkeiten gegen das Opfer ohne sexuelle Zielsetzung zum Gegenstand hatte. Mit der Hauptfrage I und der Zusatzfrage III wurde den Geschwornen die Möglichkeit geboten, die Tat als versuchte Notzucht und den Rücktritt von der Ausführung dieses Verbrechens als freiwillig zu werten;

die Hauptfrage II sowie die Eventualfrage V und VI ermöglichten es den Geschwornen, die anschließenden Tätlichkeiten des Angeklagten gegen das Mädchen je nach dem ihnen zugrundeliegenden Vorsatz als Mord oder (absichtliche schwere) Körperverletzung mit tödlichem Ausgang (§§ 83, 86; 87 Abs 2 StGB) zu beurteilen. Jener Alternative seiner Verantwortung, wonach ein auf Notzucht gerichteter Vorsatz gar nicht vorhanden bzw. der Versuch der Notzucht freiwillig aufgegeben worden war, wurde auch durch die Eventualfrage IV nach Freiheitsentziehung (§ 99 StGB), begangen durch gewaltsames Wegbringen der Brigitte B unter Benützung des Autos, Rechnung getragen. Diese Fragen berücksichtigen erschöpfend alle Tatvarianten des Angeklagten. Eine Zusatzfrage nach den Voraussetzungen des § 201 Abs 2 (letzter Fall) StGB war nicht indiziert, weil weder die Einlassungen des Angeklagten noch die übrigen Verfahrensergebnisse konkrete Anhaltspunkte für ein Geschehen erbrachten, das die Annahme einer bloß fahrlässigen Herbeiführung des Todes der Brigitte B im Zug des Notzuchtverbrechens auch nur nahelegen würde. Unter diesen Umständen war es aber Pflicht des Schwurgerichtshofes, die begehrte Zusatzfrage nicht zu stellen (EvBl. 1978/119 u.a.). Soweit der Beschwerdeführer auch die Abweisung des von seinem Verteidiger gestellten Antrages auf Einholung eines zweiten psychiatrischen Gutachtens (S 258, 259, dritter Band) rügt, macht er der Sache nach den Nichtigkeitsgrund der Z 5 des § 345 Abs 1 StPO geltend, wobei er der Meinung des Schwurgerichtshofes entgegenhält, das Gutachten des Sachverständigen Doz. Dr. C sei hinsichtlich der Frage einer im Tatzeitpunkt beim Angeklagten vorhandenen sexuellen Komponente keineswegs schlüssig. So berufe sich der Sachverständige auf Untersuchungen der Freien Universität Berlin, die nicht nur der Verteidigung, sondern wohl auch dem Schwurgerichtshof unbekannt gewesen seien. Völlig unklar sei, welche Schlüsse aus den Darlegungen des Sachverständigen, wonach Gruppensex nicht zum Abbau von Aggressionen führe, sondern das Gegenteil bewirke, und der sexuell Interessierte, welcher der Aggressivität völlig entbehrt, impotent sei, zu ziehen sind.

Auch dieses Vorbringen hält einer überprüfung nicht stand. Die zitierten Ausführungen des Sachverständigen, die vom Beschwerdeführer aus dem Zusammenhang gelöst wiedergegeben werden, sollten lediglich dazu dienen, einen Aspekt des Verhältnisses zwischen Sexualität und Aggressivität darzustellen. Blieben sie dem Beschwerdeführer unklar, wäre es seine Sache gewesen, durch entsprechende Fragestellung ihre Verdeutlichung zu erreichen. Keineswegs beeinträchtigen sie Befund oder Gutachten in einer Weise, die die Zuziehung eines weiteren Sachverständigen zu rechtfertigen vermöchte (§§ 125, 126 StPO). Der genannte Sachverständige wurde beigezogen, um ein Gutachten darüber zu erstatten, ob Reinhard A zur Zeit der Tat zurechnungsfähig war und ob bei ihm die Voraussetzungen für eine Anstaltsunterbringung gemäß dem § 21 StGB vorliegen (S 3 b des Antrags- und Verfügungsbogens). Zu diesen Fragen äußerte er sich klar und unmißverständlich. Daß ihm im Zusammenhang mit dieser Problemstellung ein Fehler unterlaufen wäre oder daß Befund und Gutachten in diesen Belangen undeutlich oder widersprüchlich wären, wird im übriben vom Beschwerdeführer gar nicht behauptet. Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

über den Angeklagten wurde nach dem § 75 StGB unter Bedachtnahme auf den § 28 StGB eine lebenslange Freiheitsstrafe verhängt. überdies wurde gemäß dem § 21 Abs 2 StGB seine Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher angeordnet. Das Erstgericht wertete bei der Strafbemessung als erschwerend das Zusammentreffen zweier Verbrechen, zwei einschlägige Vorstrafen und den Umstand, daß der Angeklagte grausam und in einer für das Opfer besonders qualvollen Weise handelte; als mildernd das Teilgeständnis und den Umstand, daß das Verbrechen der Notzucht beim Versuch blieb. Mit seiner Berufung strebt der Angeklagte die Verhängung einer zeitlich bestimmten Freiheitsstrafe an.

Diesem Begehren kommt keine Berechtigung zu.

Von einem (im Rechtsmittel reklamierten) vollen und rückhaltlosen Geständnis des Angeklagten kann schon deshalb keine Rede sein, weil er jedenfalls den Tötungsvorsatz hartnäckig leugnete (siehe Band III Seite 219, 261

des Aktes). Seiner geistigen Abartigkeit kommt aber wegen der ihr innewohnenden besonderen Gefährlichkeit, die auch zu einer Anstaltseinweisung Anlaß gab, keine mildernde Wirkung zu. Entsprechend den vom Erstgericht zutreffend festgestellten und richtig gewürdigten Strafzumessungsgründen erscheint hier - vor allem wegen der besonders grausamen Tatausführung - die Verhängung der Höchststrafe als Sanktion schuldangemessen.

Auch der Berufung konnte somit kein Erfolg beschieden sein. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die zitierte Gesetzesstelle.

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