OGH 10Os178/80

OGH10Os178/8010.2.1981

Der Oberste Gerichtshof hat am 10.Feber 1981 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Racek in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini, Dr. Kral, Dr. Friedrich und Dr. Lachner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Braitenberg-Zennenberg als Schriftführer in der Strafsache gegen Helmut A und einen anderen wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs. 1, 143 (erster und zweiter Deliktsfall) StGB. über die vom Angeklagten A gegen das Urteil des Geschwornengerichtes beim Landesgericht Feldkirch vom 6. Oktober 1980, GZ. 11 Vr 1447/80-26, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Lachner, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Winischhofer und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Kodek, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO. fallen dem Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem auf dem Wahrspruch der Geschwornen beruhenden angefochtenen Urteil wurde der am 19.Juni 1960 geborene Koch Helmut A des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs. 1, 143 (erster und zweiter Deliktsfall) StGB. schuldig erkannt, weil er am 11.Juli 1980 in Liechtenstein in Gesellschaft des (bereits rechtskräftig Verurteilten) Gerhard Michael B als Beteiligten (§ 12 StGB.) der Margot C durch Vorhalten eines Springmessers, sohin durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben und unter Verwendung einer Waffe, eine Geldtasche mit 300 Schweizer Franken, ein Notizbuch, einen Regenschirm, einen Kamm, eine Füllfeder und ein Schminktäschchen mit Kosmetikartikeln, mit dem Vorsatz abnötigte, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern. Der Angeklagte bekämpft diesen Schuldspruch mit einer auf die Z. 6, 8 und 12 des § 345 Abs. 1 StPO. gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, wobei er sachlich allerdings nur die beiden erstgenannten Nichtigkeitsgründe geltend macht.

Aus der Z. 6 rügt der Beschwerdeführer die - entgegen dem Antrag seines Verteidigers in der Hauptverhandlung (S. 114) - unterbliebene Stellung einer Eventualfrage wegen Erpressung an die Geschwornen als Verstoß gegen § 314 StPO.

Rechtliche Beurteilung

Die Rüge versagt, weil die vom Angeklagten auch in der Hauptverhandlung aufrecht erhaltene geständige Verantwortung aus dem Vorverfahren (S. 39 f., 61 f., 109 f.), mit den Angaben seines Komplizen und des als Zeugin vernommenen Tatopfers Margot C über die durch das Vorhalten des Springmessers angekündigte unmittelbare Gewaltausübung (im Wege der Verwendung desselben) sowie die auf diese Weise erzwungene sofortige Ausfolgung der obbezeichneten Beute (noch in dem vom Beschwerdeführer gelenkten PKW.) im wesentlichen übereinstimmt und keine Alternative für eine Fragestellung in Richtung einer Erpressung bot (vgl. Leukauf-Steininger, Kommentar2, insbesondere RN. 26

bis 28 zu § 142 StGB.). Die Beschwerde beruft sich auch gar nicht darauf, daß die niederschriftlich festgehaltenen Depositionen (der angeführten Personen) Tatsachenbehauptungen enthalten, welche eine derartige, von der Anklage abweichende Tatbeurteilung indizierten. Sie meint vielmehr, es hätte mit der relevierten (Eventual-)Frage der hypothetischen Möglichkeit Rechnung getragen werden sollen, daß die Protokolle gerade in für das Abgrenzungsproblem wesentlichen Punkten die Schilderungen der vernommenen Personen allenfalls nicht ganz wortgetreu wiedergeben.

Die Voraussetzungen des § 314 StPO. werden damit aber jedenfalls nicht dargetan.

Soweit der Beschwerdeführer im gegebenen Zusammenhang eine (der Unrichtigkeit gleichkommende) Unvollständigkeit der Rechtsbelehrung (§ 345 Abs. 1 Z. 8 StPO.) im Unterbleiben einer Erörterung der Tatbestandsmerkmale des Verbrechens der Erpressung erblickt, läßt er vollkommen unberücksichtigt, daß die Geschwornen in der Rechtsbelehrung über die Frage der Abgrenzung zwischen Raub und Erpressung durch den Hinweis auf die für das erstbezeichnete Verbrechen geforderte Unmittelbarkeit des auf sofortigen Übergang einer präsenten Sache in die Verfügungsgewalt des Angreifers abzielenden Übels fehlerfrei aufgeklärt wurden (S. 121). Im übrigen hat die schriftliche Rechtsbelehrung gemäß § 321 Abs. 1 StPO. nur die Aufgabe, die gesetzlichen Merkmale der strafbaren Handlungen darzulegen, auf welche die Fragen gerichtet sind, eine Auslegung der in diesen Fragen vorkommenden Rechtsbegriffe zu geben und das Verhältnis der einzelnen Fragen zueinander sowie die Folgen der Bejahung oder Verneinung der Fragen klarzustellen.

Warum die Rechtsbelehrung zum Waffenbegriff im Sinn des § 143 StGB. mit einer - eine Unrichtigkeit bewirkenden - Unvollständigkeit behaftet sein soll, ist der Rüge nicht zu entnehmen, jene mithin nicht hinreichend substantiiert (§§ 285 Abs. 1, 285 a Z. 2 StPO.); zudem hat der Schwurgerichtshof die Geschwornen über den Begriff der Waffe in (nach der konkreten Fallgestaltung) zureichendem Maße im Einklang mit der herrschenden Judikatur aufgeklärt, indem er (ersichtlich) zum Ausdruck brachte, daß unter Waffen nach der bezeichneten Gesetzesstelle (nicht nur Waffen im technischen Sinn, denen ein Springmesser zuzuzählen ist, sondern) jeder Gegenstand zu verstehen ist, der als ein zur Gewaltanwendung gegen eine Person oder zur Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (ad hoc) geeignetes Werkzeug gebraucht wird.

Aus demselben Nichtigkeitsgrund bemängelt der Beschwerdeführer eine Unvollständigkeit der den Geschwornen erteilten Rechtsbelehrung, weil darin die Bestimmung des § 13 StGB., (wonach von mehreren an der Tat Beteiligten jeder nach seiner Schuld zu bestrafen ist), 'völlig außer Betracht' bleibe, obwohl er nach seiner Verantwortung (vgl. hiezu S. 39, 61 a, 111) 'zwar von der Existenz eines Messers im Besitz des (bereits rechtskräftig Verurteilten Gerhard Michael) B wußte, jedoch nicht damit rechnete, daß das Messer auch zum Einsatz gelangen werde'.

Der Einwand geht fehl. Denn in der Rechtsbelehrung ist über den in Gesellschaft und unter Verwendung einer Waffe begangenen Raub (§ 143 erster und zweiter Fall StGB.) durch den Hinweis auf das dazu vorauszusetzende Erfordernis eines einverständlichen Zusammenwirkens der mehreren Täter (sowohl in Ansehung der Tatausführung als auch zur Erreichung des gemeinsamen Zieles) jedenfalls (noch hinreichend) klargestellt worden (vgl. die Rechtsbelehrung S. 122, 123 d.A.), daß jeder Mittäter für das Tatverhalten des anderen strafrechtlich nur soweit (mit-)verantwortlich ist, als jenes in Ansehung seiner Tatbestands- und Qualifikationsrelevanz nach Art, Ausmaß und Intensität im Rahmen des (obgleich allenfalls erst spontan bei der Tatbegehung und ohne vorherige Verabredung entstandenen) gemeinsamen Vorsatzes liegt; einer speziellen Kenntnis von jeder einzelnen (konkreten) Tathandlung des Komplizen in allen ihren Phasen bedarf es hiezu nicht. Von einer wegen Unvollständigkeit irreführenden und deshalb unrichtigen Rechtsbelehrung (§ 345 Abs. 1 Z. 8 StPO.) kann somit nach Lage des Falles nicht die Rede sein.

Schließlich wendet sich der Beschwerdeführer dagegen, daß die Rechtsbelehrung in unzulässiger Weise auf konkrete Verfahrensergebnisse Bezug nehme, indem sie (insbesondere) ausführe, das Verbrechen des Raubes begehe, wer 'das Opfer etwa mit vorgehaltener Waffe zwingt, das Geld herauszugeben'. Diesem Vorbringen, mit dem eine Unrichtigkeit der Rechtsbelehrung ebenfalls nicht aufgezeigt wird, ist entgegenzuhalten, daß in diese keineswegs nur auf den konkreten Fall anwendbare Ausführungen aufgenommen worden sind, wie der (beispielsweise) Hinweis auf ein Niederschlagen des Opfers als (weitere) Art einer Gewaltanwendung zeigt. Daß die Rechtsbelehrung in den betreffenden Passagen geradezu auf den konkreten Fall zugeschnitten wäre, kann somit ebensowenig gesagt werden, wie, daß die vom Erstgericht genannten Beispiele unrichtig und solcherart geeignet gewesen wären, bei den Geschwornen falsche Vorstellungen von der Rechtslage hervorzurufen. Letzteres wird auch vom Beschwerdeführer in keiner Weise belegt. Im übrigen stellen Ausführungen, welche den der schriftlichen Rechtsbelehrung nach § 321 StPO. durch das Gesetz gesetzten Rahmen infolge Bezugnahme auf den konkreten Sachverhalt überschreiten, zwar einen (mitunter krassen) Verstoß gegen das Gesetz dar, doch begründen sie nicht schlechthin unter allen Umständen eine Nichtigkeit, sondern nur unter bestimmten (in SSt. 45/9 festgehaltenen) Voraussetzungen, die allerdings (dort nicht vorlagen und ebenso) hier nicht gegeben sind. Dennoch wäre selbst die bloße Anführung eines Beispiels, welches auch nur den Anschein eines Eingehens auf den konkreten Sachverhalt zu erwecken vermochte, besser unterblieben.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Das Erstgericht verurteilte den Angeklagten nach dem ersten

Strafsatz des § 143 StGB. unter Anwendung des § 65 Abs. 2 StGB. zu zweieinhalb Jahren Freiheitsstrafe. Bei der Strafbemessung wertete es zwei (kurz zurückliegende) Vorstrafen wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden Taten als erschwerend; als mildernd nahm es hingegen das Geständnis, die volle (richtig: überwiegende) Schadensgutmachung und die Begehung der Tat vor Vollendung des 21.Lebensjahres an. Der Berufung, mit welcher der Angeklagte eine Herabsetzung und (sodann) die Gewährung bedingter Strafnachsicht anstrebt, kommt (gleichfalls) keine Berechtigung zu.

Die vom Erstgericht über den Angeklagten (in der Höhe der Mindeststrafe nach Liechtensteinschem Recht) verhängte Freiheitsstrafe liegt erheblich unter der Untergrenze (von fünf Jahren) des ersten Strafsatzes des § 143 StGB. Sie ist angesichts der vom Erstgericht im wesentlichen richtig festgestellten Strafzumessungsgründe, aber auch des Vorlebens des Berufungswerbers keinesfalls überhöht. Eine Minderung des Strafmaßes kam daher nicht in Betracht.

Demgemäß schied aber auch eine bedingte Strafnachsicht (schon wegen

der Höhe der Freiheitsstrafe - § 43 Abs. 2 StGB.) aus.

Die gegen das Adhäsionserkenntnis in der Hauptverhandlung zwar angemeldete, dann jedoch nicht ausgeführte Berufung ist seitens des Verteidigers schon vor der Anberaumung des Gerichtstags zurückgezogen worden.

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