OGH 5Ob301/81

OGH5Ob301/8120.1.1981

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Marold als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Griehsler, Dr. Jensik, Dr. Zehetner und Dr. Klinger als Richter in der Konkurseröffnungssache des Antragstellers Franz L*****, vertreten durch Dr. Bernt Strickner, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die Antragsgegnerin Leonie M*****, vertreten durch Dkfm. Dr. Friedrich Grohs, Dr. Michael Goriany und Dr. Andreas Grohs, Rechtsanwälte in Wien, infolge Revisionsrekurses der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Innsbruck als Rekursgericht vom 10. Dezember 1980, GZ 1 R 379/80-19, womit der Beschluss des Landesgerichts Innsbruck vom 7. November 1980, GZ 19 Nc 1278/80-16, abgeändert wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben und der angefochtene Beschluss dahin abgeändert, dass der Beschluss des Erstgerichts wiederhergestellt wird.

Text

Begründung

Am 18. 7. 1980 beantragte der Antragsteller die Eröffnung des Konkurses über das Vermögen der Antragsgegnerin mit der Behauptung, diese schulde ihm auf drei gewährte Darlehen den Betrag von 140.000 S sA und sei zahlungsunfähig, überschuldet sowie Schuldnerin mehrerer Gläubiger. Nach Einholung von Berichten der Exekutionsabteilung und des Grundbuchs des Bezirksgerichts Innsbruck sowie nach Vorlage der Ablichtungen dreier Empfangsbestätigungen der Antragsgegnerin durch den Antragsteller trug das Erstgericht diesem mit Beschluss vom 17. 9. 1980 den Erlag eines Kostenvorschusses von 10.000 S binnen 14 Tagen mit dem Beifügen auf, dass bei fristgerechtem Erlag des Kostenvorschusses über den Gläubigerantrag auf Konkurseröffnung entschieden werden würde. Diese Entscheidung begründete das Erstgericht damit, dass der Antragsteller den aufrechten Bestand einer Konkursforderung und die Zahlungsunfähigkeit der Antragsgegnerin glaubhaft gemacht habe; auch sei eine andrängende Gläubigermehrheit gegeben. Da es aber nach den durchgeführten Erhebungen an einem rasch realisierbaren Vermögen mangle, um die Anlaufkosten eines Konkurses decken zu können, sei die Konkurseröffnung „gemäß § 73 Abs 2 KO“ vom Erlag eines Kostenvorschusses abhängig zu machen. Der Kostenvorschuss wurde fristgerecht erlegt. Die Antragsgegnerin erhob gegen den Beschluss, mit dem dem Antragsteller der Erlag eines Kostenvorschusses aufgetragen worden war, Rekurs. In diesem brachte sie vor, dass bezüglich der angeblichen Darlehensforderungen des Antragstellers beim Erstgericht zu 12 Cg 233/79 ein Rechtsstreit anhängig sei, in dem sie die Forderungen bestritten habe, weil sie den Klagebetrag übersteigende Gegenforderungen gegen den Antragsteller habe. Dieser Rekurs wurde als unzulässig zurückgewiesen.

Mit Beschluss vom 7. 11. 1980 wies das Erstgericht den Antrag des Antragstellers auf Eröffnung des Konkurses über das Vermögen der Antragsgegnerin ab. Es begründete diese Entscheidung im Wesentlichen damit, dass es im Hinblick auf das Vorbringen der Antragsgegnerin in ihrem als unzulässig zurückgewiesenen Rekurs gegen den Beschluss vom 17. 9. 1980 in den Akt 12 Cg 233/79 des Landesgerichts Innsbruck Einsicht genommen habe. Diese Akteneinsicht habe ergeben, dass die Antragsgegnerin gegen den vom Antragsteller geltend gemachten Anspruch den Klagebetrag übersteigende Gegenforderungen eingewendet habe; derzeit werde in diesem Verfahren das Gutachten eines Buchsachverständigen abgewartet, das ergeben werde, ob die Gegenforderungen der Antragsgegnerin zu Recht bestünden. Vom Bestand oder Nichtbestand der Gegenforderungen aber hänge der Bestand oder Nichtbestand der Konkursforderung ab. Eine mutwillige Bestreitung des Klageanspruchs durch die Antragsgegnerin sei nicht erkennbar. Zwar habe das Konkursgericht in der Begründung seines Beschlusses vom 17. 9. 1980 den Bestand einer Konkursforderung als bescheinigt angesehen und es habe sich seit damals am Bestand oder Nichtbestand der Forderung tatsächlich nichts geändert; dem Gericht seien jedoch zwischenzeitlich Tatsachen bekannt geworden, die seine damalige Überzeugung vom Bestand der Konkursforderung erschüttert hätten. Der aufrechte Bestand einer Konkursforderung sei daher gegenwärtig nicht als bescheinigt anzusehen.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Antragstellers Folge und eröffnete über das Vermögen der Antragsgegnerin den Konkurs (Beschluss vom 10. 12. 1980). Es führte im Wesentlichen aus:

Über das Vorliegen der Konkursvoraussetzungen und allfälliger Konkurshindernisse habe das Erstgericht bereits in seinem Beschluss vom 17. 9. 1980 endgültig entschieden. Es sei ihm daher verwehrt gewesen, nach Erlag des Kostenvorschusses die Frage der Konkursvoraussetzungen neuerlich zu prüfen (OLG Wien EvBl 1937/557). Die Wahrscheinlichkeit des aufrechten Bestands der Konkursforderung sei glaubhaft gemacht; dass auch die eingewendete Gegenforderung bescheinigt wäre, werde vom Erstgericht in seinem Beschluss vom 7. 11. 1980 mit keinem Wort dargetan. Der bescheinigten Forderung des Antragstellers stehe sonach eine nicht bescheinigte Gegenforderung gegenüber. In einem solchen Fall sei es aber unzulässig, das Schicksal des Konkursantrags von der im Prozesswege ergehenden gerichtlichen Entscheidung über den Bestand oder Nichtbestand der vom Schuldner eingewendeten Gegenforderung abhängig zu machen oder den Bestand der (bereits bescheinigten) Konkursforderung nur deshalb als nicht glaubhaft gemacht zu erachten, weil der Schuldner im Rechtsstreit eine Gegenforderung eingewendet hat (SZ 35/50). Bei dieser Sachlage sei der Rekurs des Antragstellers schon aus diesen Gründen gerechtfertigt.

Gegen den Beschluss des Rekursgerichts richtet sich der Revisionsrekurs der Antragsgegnerin mit dem Antrag auf Wiederherstellung des Beschlusses des Erstgerichts.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist gerechtfertigt.

Im Revisionsrekurs wird unrichtige rechtliche Beurteilung und Mangelhaftigkeit des Verfahrens geltend gemacht sowie neu vorgebracht, dass die Antragsgegnerin (nach der Entscheidung des Rekursgerichts) den Antragsteller und die übrigen andrängenden Gläubiger befriedigt habe, sodass die Konkursvoraussetzungen weggefallen seien. Das neue Vorbringen wird durch Vorlage von fünf Empfangsscheinen der Österreichischen Postsparkasse, versehen mit dem Stampiglienaufdruck „Zur Durchführung im Postscheckverkehr am 29. 12. 1980 weitergeleitet. Ö.C.I.“, und der Ablichtung eines am 30. 12. 1980 über 206.109 S ausgestellten Schecks bescheinigt, auf der Rechtsanwalt Dr. Bernt Strickner, der Vertreter des Antragstellers, die Übernahme des Schecks sowie die Tatsache bestätigt, dass damit sämtliche Ansprüche seines Mandanten Franz L***** gegen Leonie M***** (die Antragsgegnerin), insbesondere die Ansprüche aus dem Verfahren 12 Cg 233/79 des Landesgerichts Innsbruck, befriedigt sind. Rechtsanwalt Dr. Strickner erklärt auf der genannten Ablichtung ferner, dass er für den Fall, dass das Oberlandesgericht Innsbruck dem von der Antragsgegnerin eingebrachten Revisionsrekurs von sich aus stattgeben sollte, im Vollmachtsnamen seines Mandanten auf ein Rechtsmittel gegen diesen Beschluss verzichte.

Das im Revisionsrekurs enthaltene neue Vorbringen ist gemäß § 176 Abs 1 Satz 2 KO, wonach in Rekursen neue Umstände und Beweismittel angeführt werden können, zulässig und beachtlich. Wie der erkennende Senat bereits in seiner Entscheidung vom 31. 5. 1977, 5 Ob 306/76, veröffentlicht in JBl 1978, 158 mit Glosse von Sprung, ausgesprochen hat, sind nämlich zufolge der Neuerungserlaubnis des § 176 Abs 1 Satz 2 KO dann, wenn über einen Antrag auf Konkurseröffnung in zweiter oder dritter Instanz entschieden wird, auch Ereignisse zu berücksichtigen, die nach den Entscheidungen der Vorinstanzen eingetreten sind, und die Tatsachenfeststellungen auf den Zeitpunkt hin vorzunehmen, in dem die Entscheidung über das Rechtsmittel gefällt wird. Geschieht dies und wird ferner darauf Bedacht genommen, dass nach der Aktenlage bisher im Konkurs keine Forderungsanmeldungen erfolgten, dann folgt daraus, dass mangels Vorliegens der Konkursvoraussetzungen im gegenwärtigen Zeitpunkt der Beschluss des Erstgerichts wiederherzustellen ist.

Es war daher dem Revisionsrekurs Folge zu geben und spruchgemäß zu entscheiden, ohne dass es noch erforderlich gewesen wäre, auf die weiteren Revisionsrekursausführungen einzugehen.

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