OGH 13Os175/80

OGH13Os175/8018.12.1980

Der Oberste Gerichtshof hat am 18. Dezember 1980 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich, in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Müller, Dr. Horak, Dr. Schneider und Dr. Hörburger als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Reissner als Schriftführers in der Strafsache gegen Josef A wegen des Verbrechens der Erpressung nach §§ 144 Abs. 1, 145 Abs. 1 Z 1 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die vom Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Linz als Schöffengerichts vom 21. Mai 1980, GZ 23 Vr 387/80-17, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrags des Berichterstatters, Hofrats des Obersten Gerichtshofs Dr. Schneider, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Strommer und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalts Dr. Gehart, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben und das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch zu Pkt. I. b des Urteilssatzes und demgemäß auch in dem Ausspruch, der Angeklagte habe Katharina B (insgesamt) zur Herausgabe von 3.700 S veranlaßt, sowie in der Unterstellung der (Erpressungs-) Taten auch unter die Bestimmung des § 145 Abs. 1 Z 1 StGB und im Strafausspruch aufgehoben und es wird die Sache im Umfange dieser Aufhebung an das Erstgericht zu neuer Verhandlung und Entscheidung verwiesen.

Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde verworfen. Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 10. Oktober 1934 geborene, zuletzt beschäftigungslos gewesene Elektriker Josef A I. des Verbrechens der schweren Erpressung nach den §§ 144, 145 Abs. 1 Z 1 und Abs. 2 Z 2 StGB, II. des Vergehens des Diebstahls nach dem § 127 Abs. 1 StGB schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe verurteilt.

Inhaltlich des - von der Anfechtung mit der auf die Gründe des § 281 Abs. 1 Z 5, 9 lit. a und 10 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde betroffenen - Schuldspruchs der schweren Erpressung (Urteilsfaktum I.) nötigte der Angeklagte in Linz Katharina B durch gefährliche Drohung zur Herausgabe von mindestens 3.700 S, somit zu einer Handlung, welche die Genannte an ihrem Vermögen schädigte, wobei der Angeklagte mit dem Vorsatz handelte, sich durch das Verhalten der Genötigten zu bereichern, und zwar a) im Jänner und Februar 1980 durch die wiederholte Äußerung, er werde dafür sorgen, daß sie wieder in das Wagner-Jauregg-Krankenhaus eingeliefert werde, wobei er die Erpressung gegen dieselbe Person längere Zeit hindurch fortsetzte;

b) in der Nacht vom 14. zum 15. Februar 1980 durch die Worte: 'Ich bringe dich um, wenn du mir kein Geld gibst', mithin durch Drohung mit dem Tod.

Rechtliche Beurteilung

Der Nichtigkeitsbeschwerde kommt teilweise, und zwar insoweit Berechtigung zu, als der Angeklagte zum Urteilsfaktum I. b) Feststellungsmängel geltend macht, die eine Beurteilung unter dem Gesichtspunkt des Vergehens der Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung im Zustand voller Berauschung nach § 287 Abs. 1 StGB nicht zulassen (§ 281 Abs. 1 Z 10 StPO):

Der Angeklagte gab in der (neu durchgeführten) Hauptverhandlung am 21. Mai 1980 zum Vorfall vom 14./15. Februar 1980 (Urteilsfaktum I. b) an, 'betrunken' gewesen zu sein (S 77), meinte aber (zu allen ihm angelasteten Tathandlungen), er sei nie so berauscht gewesen, daß er nicht wüßte, was er sage (S 76). Der Sachverständige Dozent Dr. Gerhard C kam in seinem Gutachten zu dem Ergebnis, der Angeklagte als chronischer Alkoholiker, der sich bereits in einer Phase geringerer Alkoholverträglichkeit befindet, könnte infolge des für die Tatzeit mit 2,1 %o errechneten Blutalkoholspiegels durchaus 'volltrunken' gewesen sein (S 83). Das Schöffengericht traf die Feststellung, der Angeklagte sei anläßlich des Vorfalles vom 14./15. Februar 1980 'alkoholisiert' gewesen (S 90); es negierte unter ausdrücklicher Bezugnahme (nur) auf das Gutachten des Sachverständigen Dozent Dr. C einen die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Rauschzustand (S 92).

Abgesehen davon, daß die Urteilsbegründung jedwede Auseinandersetzung mit der Verantwortung des Angeklagten und dem genannten Gutachten vermissen läßt, enthält das angefochtene Urteil auch keine Feststellungen über Trinkzeiten und -mengen, die Erinnerungsfähigkeit an die relevanten Ereignisse und die Auswirkungen des Alkoholmißbrauchs auf die Alkoholverträglichkeit des Angeklagten.

Solche Feststellungen wären im Hinblick auf die Verantwortung des Angeklagten einerseits und die Ausführungen des medizinischen Sachverständigen anderseits, welche vorstehend wiedergegeben wurden, erforderlich gewesen, um verläßlich beurteilen zu können, ob der in Rede stehende Vorfall dem Tatbestand nach den §§ 144, 145 Abs. 1 Z 1 StGB oder jenem nach dem § 287 Abs. 1 StGB zu unterstellen ist. Der aufgezeigte Feststellungsmangel begründet Nichtigkeit gemäß § 281 Abs. 1 Z 10 StPO, weshalb mit der aus dem Urteilsspruch ersichtlichen Aufhebung und Rückverweisung vorzugehen war. Auf die Mängelrüge und die weitere Rechtsrüge zu diesem Urteilsfaktum brauchte bei der getroffenen Erledigung nicht mehr eingegangen zu werden.

Im erneuerten Verfahren wird übrigens auch zu prüfen sein, ob die Äußerung vom Umbringen so geartet war, daß aus ihr die unzweifelhafte Absicht der Ankündigung der Tötung im wörtlichen Sinn zu entnehmen ist und nicht etwa eine bloße Übertreibung, wie dies oft gerade bei 'Morddrohungen' der Fall ist, die in Wahrheit nur als Drohungen mit Körperverletzung zu werten sind (dazu Leukauf-Steininger2, RN 11 zu § 145 StGB).

Im Umfange der Anfechtung des Urteilsfaktums I. a kommt der Nichtigkeitsbeschwerde jedoch keine Berechtigung zu. Insoweit der Beschwerdeführer unter dem Nichtigkeitsgrund der Z 5 des § 281 Abs. 1 StPO die - sich aus Urteilsspruch und -begründung (s. S 87/88, 91) ergebende - Feststellung, Katharina B sei durch die Drohung mit der Veranlassung der Einlieferung in das (psychiatrische) Wagner-Jauregg-Krankenhaus zur Ausfolgung von Geld bestimmt worden, als aktenwidrig rügt, weil Katharina B aussagte, sie habe nicht angenommen, daß der Angeklagte seine Drohungen wahrmacht, verkennt er den Begriff der Aktenwidrigkeit. Eine solche ist nämlich nur dann gegeben, wenn im Urteil hinsichtlich einer entscheidungswesentlichen Tatsache der Inhalt einer Aussage oder Urkunde unrichtig (oder unvollständig) wiedergegeben wird. Davon kann im vorliegenden Fall schon mangels Wiedergabe der Aussage der Zeugin B keine Rede sein. Nur der Vollständigkeit halber kann jedoch zu der in der Mängelrüge relevierten Feststellung zum Urteilsfaktum I. a angeführt werden, daß die Zeugin B in der Hauptverhandlung nicht nur (auf die Frage des Verteidigers, S 79) angab, nicht angenommen zu haben, der Angeklagte werde seine Drohungen wahrmachen, sondern auch (auf die Frage des Staatsanwalts, S 79), sie habe dem Angeklagten das Geld nur wegen seiner Drohungen gegeben und (auf die Frage des Vorsitzenden, gleichfalls S 79) sie habe die Polizei gerufen, weil sie sich fürchtete. Wenn nun das Schöffengericht den belastenden Angaben dieser Zeugin folgte und in diesem Zusammenhang auch die Angaben des Angeklagten bei der Polizei einer Beurteilung unterzog (s. S 91/92), setzte es einen der Anfechtung im Nichtigkeitsverfahren entzogenen Akt freier Beweiswürdigung.

Aber auch die zum Urteilsfaktum I. a erhobene Rechtsrüge, mit welcher der Beschwerdeführer - den Nichtigkeitsgrund der Z 9 lit. a des § 281 Abs. 1 StPO geltend machend -

die objektive Eignung der festgestellten Drohung, Katharina B begründete Besorgnisse einzuflößen, bestreitet und in diesem Zusammenhang auch einen Feststellungsmangel behauptet, geht fehl:

Wie der Beschwerdeführer (zunächst) zutreffend hinweist, ist die Eignung einer Drohung, begründete Besorgnisse einzuflößen, objektiv zu beurteilen. Maßgebend ist - generalisierend, und nicht, wie im Rechtsmittelvorbringen unrichtig zum Ausdruck gebracht, individualisierend betrachtet -

ob der Bedrohte bei unbefangener Beurteilung der Situation die Verwirklichung des angedrohten Übels erwarten, d. h. den Eindruck gewinnen konnte, der Täter sei in der Lage und willens, diese Folge tatsächlich herbeizuführen. Daß wirklich Besorgnis erweckt wurde, ist demnach nicht erforderlich (vgl. dazu u. a. LSK 1976/192).

Wenn nun das Erstgericht die vom Beschwerdeführer gegenüber der beschränkt entmündigten Katharina B geäußerte Ankündigung, er werde dafür sorgen, daß sie wieder ins Wagner-Jauregg-Krankenhaus eingeliefert werde, (objektiv) als geeignet ansah, der Frau, die bereits fünfundzwanzigmal Patientin des genannten psychiatrischen Krankenhauses war, begründete Besorgnis einzuflößen, und demgemäß als (gefährliche) Drohung mit einer Verletzung an der Freiheit beurteilte (§§ 74 Z 5, 144 StGB), unterlief ihm nicht der behauptete Rechtsirrtum. Es liegt aber auch kein Feststellungsmangel vor, weil es (im Sinne der vorstehenden Darlegungen) gar nicht darauf ankommt, ob - individualisierend geprüft - bei Katharina B tatsächlich begründete Besorgnisse (um ihre Freiheit) erweckt wurden.

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