OGH 12Os185/80 (12Os186/80)

OGH12Os185/80 (12Os186/80)18.12.1980

Der Oberste Gerichtshof hat am 18. Dezember 1980

unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Breycha, in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller, Dr. Kral, Dr. Steininger und Dr. Lachner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Brandhuber als Schriftführer in der Strafsache gegen Ernst A wegen des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB über die von der Generalprokuratur gegen die Urteile des Kreisgerichtes St. Pölten vom 2. Juli 1979, GZ. 16 E Vr 644/79-5 und des Bezirksgerichtes St. Pölten vom 30. August 1979, GZ. 5 U 1110/79-7, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller, und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Melnitzky, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

In der Strafsache gegen Ernst A wegen § 83 Abs. 1 StGB, AZ 16 E Vr 644/79, des Kreisgerichtes St. Pölten verletzt das Urteil des Einzelrichters dieses Gerichtshofes vom 2. Juli 1979, ON 5, das Gesetz in den Bestimmungen der §§ 83 Abs. 1, 39 Abs. 1 StGB.

In der Strafsache gegen den Genannten wegen § 83 Abs. 1 StGB, AZ 5 U 1110/79, des Bezirksgerichtes St. Pölten verletzt das Urteil dieses Gerichtes vom 30. August 1979, ON 7, das Gesetz in den Bestimmungen der §§ 31, Abs. 1, 40 StGB. Diese Urteile, die im übrigen unberührt bleiben, werden im Strafausspruch aufgehoben; ebenso alle darauf beruhenden Anordnungen und Verfügungen, insbesondere die Endverfügungen vom 12. Juli 1979 und vom 31. Jänner 1980 aufgehoben und es wird gemäß dem § 288 Abs. 2 Z 3 StPO in der Sache selbst zu Recht erkannt:

1) Ernst A wird für das ihm nach dem rechtskräftigen Schuldspruch des Kreisgerichtes St. Pölten vom 2. Juli 1979, GZ 16 E Vr 644/79-5, zur Last fallende Vergehen der Körperverletzung nach dem § 83 Abs. 1 StGB nach dieser Gesetzesstelle zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 6 Monaten verurteilt.

2) Für das ihm nach dem rechtskräftigen Schuldspruch des Bezirksgerichtes St. Pölten vom 30. August 1979, GZ 5 U 1110/79-7, zur Last fallende weitere Vergehen der Körperverletzung nach dem § 83 Abs. 1 StGB wird über den Genannten unter Bedachtnahme gemäß §§ 31, 40 StGB auf das zu 1) ergangene Erkenntnis des Obersten Gerichtshofes abgeänderte Urteil des Kreisgerichtes St. Pölten vom 2. Juli 1979, AZ 16 E Vr 644/79, keine Zusatzstrafe verhängt.

Text

Gründe:

Der am 11. Mai 1957 geborene Hilfsarbeiter Ernst A wurde nach vier wegen (teils leichter, teils schwerer) Körperverletzung erfolgten Verurteilungen zu Geldstrafen wegen des Vergehens nach § 83 Abs. 1 StGB vom Bezirksgericht Melk mit Urteil vom 17. April 1978 zu GZ U 2192/77-11 erstmals zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von drei Wochen verurteilt. Diese verbüßte er vom 9. Februar 1979 bis 2. März 1979 (U 2192/77-17).

Mit weiterem Urteil des Bezirksgerichtes Melk vom 26. Juli 1978, GZ U 148/78-6, wurde er wegen einer am 15. Jänner 1978, sohin vor dem vorerwähnten Urteil verübten Körperverletzung unter Bedachtnahme auf dieses Urteil gemäß den §§ 31, 40 StGB zu einer Zusatzstrafe von einer Woche verurteilt. Diese verbüßte er vom 2. Februar bis 9. Februar 1979 (U 148/78-8).

Mit Urteil des Kreisgerichtes St. Pölten vom 12. März 1979, GZ 16 E Vr 952/78-7, wurde er sodann wegen Vergehens nach dem § 83 Abs. 1 StGB (Tatzeit 4. Juni 1978) zu einer Freiheitsstrafe von vier Monaten verurteilt. Diese Strafe wurde erst am 29. Mai 1980 in Vollzug gesetzt.

Wegen einer am 7. April 1979 verübten weiteren gleichartigen Tat wurde er sodann mit Urteil des Kreisgerichtes St. Pölten, das ebenso wie die Staatsanwaltschaft der irrigen Ansicht war, es lägen die Voraussetzungen der Strafschärfung bei Rückfall vor, am 2. Juli 1979 des Vergehens nach § 83 Abs. 1 StGB schuldig erkannt und hiefür nach dieser Gesetzesstelle unter Anwendung des § 39 StGB zu einer Freiheitsstrafe von sieben Monaten verurteilt (GZ 16 E Vr 644/79-5). Das Urteil blieb unangefochten und erwuchs am 6. Juli 1979 in Rechtskraft.

Diese Strafen zu AZ 16 E Vr 644/79 und 16 E Vr 952/78 des Kreisgerichtes St. Pölten wurden am 29. Oktober 1979 in Vollzug gesetzt und sollten unmittelbar nacheinander (§ 46 Abs. 3 StGB) bis 29. September 1980 vollstreckt werden. Vor dem Ende der also elf Monate währenden Strafzeit (§ 1 Z 5 StVG) stellte das Kreisgericht St. Pölten als Vollzugsgericht anläßlich der Prüfung der Voraussetzungen der bedingten Entlassung zu AZ 22 Ns 95/80 die zum Nachteil des Strafgefangenen unterlaufene Gesetzesverletzung fest, worauf dieser durch eine Verfügung des Einzelrichters des Kreisgerichtes St. Pölten zu AZ 16 E Vr 952/78

am 29. August 1980, sohin nach einer tatsächlich erlittenen Strafhaft von zehn Monaten auf freien Fuß gesetzt wurde. Mit Urteil des Bezirksgerichtes St. Pölten, dem die vorerwähnte Verurteilung des Ernst A durch das Kreisgericht St. Pölten vom 2. Juli 1979 zu AZ 16 E Vr 644/79 nicht bekannt war, wurde dieser am 30. August 1979

zu GZ 5 U 1110/79-7 abermals des Vergehens nach § 83 Abs. 1 StGB schuldig erkannt und nach dieser Gesetzesstelle zu fünf Monaten Freiheitsstrafe verurteilt, weil er am 24. Mai 1979, somit vor dem erwähnten Urteil des Kreisgerichtes St. Pölten, zwei Personen leicht verletzt hatte.

Das in Abwesenheit des Beschuldigten gemäß dem § 459 StPO ergangene und ihm erst am 11. Dezember 1979 zugestellte Urteil erwuchs schließlich am 29. Jänner 1980 in Rechtskraft. Die Strafe, die unmittelbar nach den Strafen zu 16 E Vr 644/79 und 16 E Vr 952/78 hätte vollzogen werden sollen, wurde wegen der am 29. August 1980 erfolgten Enthaftung noch nicht vollstreckt.

Die Urteile des Kreisgerichtes St. Pölten vom 2. Juli 1979, 16 E Vr 644/79-5, und des Bezirksgerichtes St. Pölten vom 30. August 1979, 5 U 1110/79-7, stehen mit dem Gesetz nicht im Einklang:

Der Einzelrichter des Kreisgerichtes St. Pölten, der an sich mangels Anwendbarkeit des § 8 Abs. 3 StPO unzuständig war, was allerdings keine Nichtigkeit seines Urteils begründet und daher lediglich festzustellen ist, wendete im Urteil vom 2. Juli 1979 zu Unrecht die außerordentliche Strafschärfung nach § 39 StGB an und überschritt daher ohne gesetzliche Grundlage die in § 83 Abs. 1 StGB bestimmte Obergrenze des Strafrahmens von sechs Monaten.

Ernst A hatte nämlich zwar innerhalb der letzten fünf Jahre vor Begehung der diesem Urteil zugrundeliegenden Tat zwei Freiheitsstrafen verbüßt, die wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhender Taten verhängt worden waren, dies aber mit Urteilen, die im Zusammenhang nach § 31 StGB stehen und daher für die Rückfallsqualifikation als Einheit zu behandeln sind, sodaß die erste Voraussetzung der Anwendung des § 39 StGB nicht erfüllt war (vgl ÖJZ-LSK 1975/ 150, Leukauf-Steininger2, RN 24 zu § 31 StGB).

Rechtliche Beurteilung

Das Bezirksgericht St. Pölten hätte im Urteil vom 30. August 1979 zufolge der §§ 31, 40 StGB keine Zusatzstrafe verhängen dürfen, weil der für das Vergehen nach § 83 Abs. 1 StGB zur Verfügung stehende Strafrahmen schon durch das Urteil des Kreisgerichtes St. Pölten ausgeschöpft (und überschritten) war. Beide Urteile sind daher wegen gesetzwidriger Strafbemessung mit dem Nichtigkeitsgrund des § 468 Abs. 1 Z 4 (281 Abs. 1 Z 11) StPO behaftet.

Diese dem Verurteilten Ernst A, soweit es die Strafbemessung betrifft, zum Nachteil gereichenden Gesetzesverletzungen waren nicht nur festzustellen, sondern der Strafausspruch der beiden Urteile, die im übrigen unberührt zu bleiben hatten, aufzuheben und - um dem Betroffenen den Nachteil zweier neuerlicher, nur zum Zwecke der Strafbemessung durchzuführender Hauptverhandlungen zu ersparen - insofern durch Strafneubemessung sogleich in der Sache selbst zu erkennen.

Bei der erforderlich gewordenen Neubemessung der Strafen in den Verfahren zu AZ 16 E Vr 952/78 des Kreisgerichtes St. Pölten und AZ 5 U 1110/79 des Bezirksgerichtes St. Pölten, die - wie vorstehend ausgeführt - zueinander im Verhältnis der §§ 31, 40 StPO stehen, wertete der Oberste Gerichtshof im erstgenannten Verfahren als erschwerend die einschlägigen, offenbar den Angeklagten nicht beeindruckenden Vorstrafen sowie den raschen Rückfall, nahm hingegen als mildernd sein Geständnis an. Die offenkundige Neigung des Angeklagten zu Gewaltdelikten erforderte die wie im Spruch ausgesprochene Strafe als tat- und schuldangemessen. Allerdings vertritt der Oberste Gerichtshof überdies die Auffassung, daß bei einer gemeinsamen Aburteilung mit jener nach AZ 5 U 1110/79 des Bezirksgerichtes St. Pölten keine höhere Strafe verhängt worden wäre, zumal im letzteren Verfahren eine gewisse Provokation des Angeklagten zur Gewalttätigkeit nicht auszuschließen ist. Es war daher spruchgemäß zu erkennen.

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