OGH 10Os92/80

OGH10Os92/8016.12.1980

Der Oberste Gerichtshof hat am 16. Dezember 1980

unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Racek in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini, Dr. Friedrich, Dr. Hörburger und Dr. Lachner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Braitenberg-Zennenberg als Schriftführer in der Strafsache gegen Dipl.Ing.Wilhelm A wegen des Vergehens der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 2 lit a und Abs 3 lit b FinStrG. über die vom Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 1. Februar 1980, GZ. 6 e Vr 942/79-17, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini, sowie der Ausführungen des Verteidigers Dr. Kahlig und des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Knob, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf obige Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 5. April 1923 geborene Kaufmann Dipl.Ing.Wilhelm A des Vergehens der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 2 lit a und Abs 3 lit b FinStrG. schuldig erkannt, weil er in Wien zwischen 10. Juni 1975 und 10. Februar 1976 als geschäftsführender Gesellschafter der Firma B & Co. OHG. bzw. als verantwortlicher Geschäftsführer der Zentralheizungsund Lüftungsbaufirma B & Co. GesmbH. unter Verletzung der Verpflichtung zur Abgabe von dem § 21 des Umsatzsteuergesetzes 1972

entsprechenden Voranmeldungen eine Verkürzung von Vorauszahlungen an Umsatzsteuer für April bis Dezember 1975, somit von Abgaben, die selbst zu berechnen sind, in der Höhe von 2,820.474 S bewirkte, wobei er dies nicht nur für möglich, sondern für gewiß hielt. Diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte unter Anrufung der Z. 4, 9 lit a und b sowie 10 des § 281 Abs 1 StPO.

Rechtliche Beurteilung

Der Beschwerde kommt schon aus dem erstangeführten Nichtigkeitsgrund Berechtigung zu. Sie erblickt den Verfahrensmangel zu Recht in der Abweisung des in der Hauptverhandlung (S. 66, 67) vom Verteidiger gestellten Antrages auf zeugenschaftliche Vernehmung 1.) der Barbara C und Monika D sowie des N. E (richtig: F) zum Beweis dafür, daß der Angeklagte selbst nie mit steuerlichen Agenden befaßt gewesen sei, sondern diese jeweils vertrauenswürdigen Personen übertragen habe, die insbesondere auch die (Umsatzsteuer-)Voranmeldungen einzubringen hatten, sowie 2.) der Steuerberater Dr. Herbert G und Dipl.Kfm.Edeltraud H zur Dartuung dessen, daß im inkriminierten Zeitraum ein autorisiertes Rechenzentrum mit der Buchhaltungsaufarbeitung im EDV-Verfahren befaßt war (gemeint ist neuerlich: F - vgl. S. 121), gemäß dem Werkvertrag die Vorarbeiten binnen zehn Wochen abgeschlossen sein sollten, die monatlichen Umsatzsteuererklärungen elektronisch auszustellen und einzubringen gewesen wären, sich schließlich im inkriminierten Zeitraum alle Buchhaltungsunterlagen außer Haus bei der genannten Firma befanden, und es dem Beschwerdeführer persönlich gar nicht möglich war, Umsatzsteuervoranmeldungen zu erstatten.

Das Erstgericht hat das bekämpfte abweisliche Zwischenerkenntnis (S. 68) erst im Urteil und dort dann damit begründet, daß sich die begehrte Beweisaufnahme (zu 1. und 2.) deshalb erübrige, weil 'auf Grund der mangelnden Steuervollmacht des Büros F einerseits und die (richtig: der) Nichtbeauftragung der Kanzlei G mit der Umsatzsteuervoranmeldung andererseits' sich der Angeklagte (gemeint offenbar: zwangsläufig selbst) damit befassen mußte, was auch seine Unterschriftsleistung (auf den Voranmeldungsformularen) für die Zeiträume Jänner bis März 1975 beweise, und das Gericht in Ansehung der restlichen Beweisführung (zu 2.), abgesehen davon, daß sie nicht zur Beantwortung der Frage beizutragen vermöge, ob der Angeklagte vom Unterbleiben der Umsatzsteuervoranmeldungen und der Abfuhr der sich aus diesen jeweils ergebenden Zahllast wußte oder nicht, 'ohnedies der Verantwortung des Angeklagten gefolgt sei; für die Erfüllung des Tatbestandes sei es nicht erforderlich, daß der Verpflichtete persönlich die Umsatzsteuervoranmeldungen einbringen müsse' (S. 89).

Diesen Darlegungen kann namentlich in bezug auf den wesentlichsten Punkt nicht beigepflichtet werden, nämlich hinsichtlich der - sich auch sonst wie ein roter Faden durch die Urteilsbegründung ziehenden und in Ansehung der subjektiven Tatseite immer wieder zuungunsten des Angeklagten ins Treffen geführten (vgl. insbesondere S. 76, 79, 80, 83) - Argumentation, das Büro F sei mangels einer ihm erteilten Steuervollmacht zur Einreichung von Umsatzsteuervoranmeldungen beim zuständigen Finanzamt keinesfalls in der Lage und der Angeklagte sich, weil er F nicht derart bevollmächtigt hatte, notwendigerweise des Unterbleibens der Voranmeldungen und der darnach zu entrichtenden Zahlungen, also der (unter Verletzung der ihm durch § 21 UStG. 1972 auferlegten Verpflichtungen bewirkten) Verkürzung von Umsatzsteuervorauszahlungen, bewußt gewesen.

Zwar trifft die abgabenrechtliche Anzeige-, Offenlegungs- oder Wahrheitspflicht gemäß §§ 119 ff. BAO. zunächst den Abgabepflichtigen, doch ist dessen persönliches Handeln nur dort erforderlich, wo dies ausdrücklich durch Gesetz oder behördliche Anordnung bestimmt ist. In allen anderen Fällen kann sich der Abgabepflichtige durch eine voll handlungsfähige Person vertreten lassen.

Daß bei der Erfüllung der hier in Rede stehenden Verbindlichkeit eine derartige Vertretung in Betracht kam, wird offenkundig selbst vom Erstgericht nicht bezweifelt. Vertreter im vorbezeichneten Sinn ist dabei, wer eine Erklärung im Namen eines anderen abgibt oder entgegennimmt, wogegen die Rechtsfolgen in der Person des anderen (des Vertretenen) eintreten. Der gewillkürte Vertreter in Abgabensachen muß sich, wie dem Ersturteil (in nachstehend eingeschränktem Umfang) zuzugeben ist, der (Abgaben-) Behörde gegenüber in der Regel durch eine (schriftliche) Vollmacht ausweisen, die Aufschluß über Bestand und Umfang der Vertretungsbefugnis gibt (§ 83 Abs 1 und 2 BAO.). Andererseits kann die Abgabenbehörde von einer ausdrücklichen Vollmacht unter anderem dann absehen, wenn es sich (beispielsweise) um die Vertretung durch (amtsbekannte) Angestellte handelt und Zweifel über Bestehen wie Umfang der Vertretungsbefugnis nicht obwalten (§ 83 Abs 4 BAO.). Selbst dort, wo die letztere Anordnung keine Anwendung findet, berechtigt der Umstand, daß ein Anbringen nicht vom Abgabepflichtigen selbst stammt, ohne daß sich der Einschreiter durch eine (schriftliche) Vollmacht ausweisen kann, die Abgabenbehörde nicht zur Zurückweisung der (etwa zur Erfüllung von Verpflichtungen dienenden) Eingabe (§ 85 Abs 4 in Verbindung mit Abs 2

BAO.). Letztlich haftet auch strafrechtlich nicht nur der im Abgabenverfahren durch Vollmacht ausgewiesene gewillkürte Vertreter, sondern jeder, der Angelegenheiten eines Abgabepflichtigen wahrnimmt, was insbesondere auf denjenigen zutrifft, der dessen Steuererklärungen abfaßt (SSt 40/56; Sommergruber, Finanzstrafgesetz, IV 193 ff.).

Nicht auf eine (nachgewiesene) formelle Vertretungsbefugnis sondern allein auf die faktische Besorgung kommt es insoferne an. Zu den diese Wahrnehmenden zählen daher (wiederum) auch Angestellte des Abgabepflichtigen, wie etwa dessen Buchhalter.

Im konkreten Fall hatte der Angeklagte nach den Urteilsfeststellungen ab Februar 1975 das Büro F mit der Führung der Buchhaltung und der Erstattung der Umsatzsteuervoranmeldungen beauftragt (S. 75). Dieses allein verfügte über die hiefür erforderlichen Unterlagen.

Tatsächlich wurden in den der Firma B & Co., dem Unternehmen des Angeklagten, gelegten Honorarnoten Beträge unter dem Titel 'MWST-Voranmeldung' am 14. August 1975 für die Monate Jänner und Februar 1975, am 10. September 1975 für den Monat März 1975, am 10. Oktober 1975

für den Monat April 1975, am 17. Oktober 1975 für die Monate Mai bis August 1975, am 20. Oktober 1975 für den Monat September 1975, am 17. Dezember 1975 für die Monate Oktober bis November 1975 sowie schließlich am 4. Februar 1976 für den Monat Dezember 1975 in Rechnung gestellt (vgl. die als Beilage ./A zum Hauptverhandlungs-Protokoll ON. 16 genommene ursprüngliche ON. 19; siehe hiezu aber auch die Akten des Finanzamtes für den 4., 5. und 10. Bezirk, Steuernummer 530/0415 - vormals 226/4017 -, rote Mappe 'Allgemeiner Schriftverkehr', welcher zu entnehmen ist, daß die Voranmeldungen für die Monate Jänner bis März 1975 nicht erst im Zeitpunkt der Legung der Honorarnoten, sondern fristgerecht der Behörde zugemittelt wurden). Diese Honorarnoten widersprechen der unter ihrer stillschweigenden Übergehung getroffenen Urteilsfeststellung, F habe ab April 1975 keine derartigen Voranmeldungen mehr ausgefüllt (S. 77) und es lägen für die Monate März bis August 1975 auch keine entsprechenden Kostennoten vor (S. 92 unten). Was mit den sohin sehr wohl für die Monate April bis Dezember 1975 ebenfalls erstellten Umsatzsteuervoranmeldungen weiter geschah, ist gänzlich ungeklärt. Es konnten eben, wie auch dies zeigt, unter den gegebenen Umständen die zur weiteren Klarstellung des Sachverhalts begehrten Beweisaufnahmen, vor allem die Einvernahme des Zeugen F, nicht ohne Beeinträchtigung des Angeklagten in seinen Verteidigungsrechten abgelehnt werden, der sich mit einem dem F erteilten Auftrag zur Einbringung der erstellten Voranmeldungen bei der Behörde verantwortet hatte. Allfällige Rückstände in der Aufbuchung und daraus resultierende Verzögerungen in Bezug auf die Umsatzsteuervoranmeldungen müssen nicht unbedingt zu Lasten des Angeklagten gehen und am allerwenigsten dann, wenn er F wirklich den Auftrag nicht nur zur Verfassung, sondern auch zur Erstattung der Umsatzsteuervoranmeldungen beim Finanzamt erteilt hätte, welch letztere nach dem Gesagten auch im Falle einer unterbliebenen ausdrücklichen Bevollmächtigung zur Vertretung im Abgabenverfahren - der irrigen Auffassung des Erstgerichts zuwider - deswegen allein keinesfalls (von vorneherein) gänzlich ausgeschlossen werden kann. Die gegenteiligen Folgerungen des Schöffengerichts, nämlich daß die ausgefüllten Umsatzsteuervoranmeldungsformulare auf jeden Fall dem Angeklagten zur Unterfertigung vorgelegt werden mußten und erst dann an das Finanzamt weitergeleitet werden konnten (S. 76), beruhen eindeutig auf unrichtigen Prämissen, wobei die unter dem gleichen Aspekt (Fehlen einer 'Steuervollmacht' für F) angestellten Überlegungen, daß ihm wegen der unterbliebenen Voranmeldungen Mahnschreiben zugekommen seien 'mußten' und er darum ebenfalls von den vorbezeichneten Säumnissen 'gewußt haben mußte', außerdem spekulativen Charakter tragen und in dieser Form bloß Vermutungen zum Ausdruck bringen.

Zu Recht rügt ferner die Beschwerde aus dem Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z. 9 lit a StPO. die im angefochtenen Urteil zum Ausdruck gelangende - und von der Generalprokuratur in ihrer Stellungnahme geteilte -

Ansicht als verfehlt, der Tatbestand des § 33 Abs 2 lit a FinStrG. fordere qualifizierten Vorsatz gemäß § 5 Abs 3 StGB. lediglich in bezug auf die 'Verkürzung von Vorauszahlungen an Umsatzsteuer', nicht aber auch hinsichtlich der (ihr zugrundeliegenden) 'Verletzung der Verpflichtung zur Abgabe von dem § 21 Umsatzsteuergesetz 1972 entsprechenden Voranmeldungen'. Sowohl das in Abs 2

dieser Gesetzesstelle einleitend gebrauchte Wort 'vorsätzlich' als auch die am Schluß (einschränkend) zur Dartuung des Erfordernisses einer bestimmten Vorsatzform (eben § 5 Abs 3 StGB.) verwendeten Worte '........ und dies nicht nur für möglich, sondern für gewiß hält', beziehen sich schon rein sprachlich auf sämtliche Merkmale der dazwischen umschriebenen Tatbestände der lit a wie b und demnach (auch zur lit a) nicht nur auf den Verkürzungserfolg, sondern ebenso auf die dabei gesetzte Pflichtverletzung, sodaß in Ansehung beider Wissentlichkeit erfordert wird (Sommergruber a.a.0. IV 214; Fellner RN 46

zu § 33 FinStrG.; vgl. ferner die Gesetzesmaterialien zum EGUStG. 1972 sowie zur Finanzstrafgesetznovelle 1975, abgedruckt in Sommergruber I 66 ff.; im Ergebnis in diesem Sinn schließlich 12 0s 118/79, EvBl. 1980/96). Überdies setzt die Vorsatzform der 'Wissentlichkeit' nicht bloß voraus, daß der Täter (so wie dies das Ersturteil bezüglich des Angeklagten wiederholt ausspricht) von jenem Umstand oder Erfolg, für den das Gesetz sie verlangt, weiß - ein Wissen um die mögliche Verwirklichung eines Tatbestandselements ist auch dem bedingten Vorsatz eigen -, sondern die (dolus eventualis insofern ausschließende) 'Gewißheit', von welcher aber im Rahmen der Urteilsfeststellungen an keiner einzigen Stelle (ausdrücklich) die Rede ist. Das Gericht stützt außerdem das mehrfach konstatierte 'Wissen' um das Unterbleiben von Umsatzsteuervoranmeldungen auf Erwägungen, deren rechtliche Unrichtigkeit bereits aufgezeigt wurde, konstatiert eine 'Inkaufnahme' der Nichteinreichung von Umsatzsteuervoranmeldungen ab April 1975 und Nichtleistung von Vorauszahlungen aus diesem Grunde, wobei sich mit dem Begriff des 'Inkaufnehmens' doch wohl nur ein

'zweifelhaftes Wissen' (= ein 'Für-möglich-Halten'), nicht aber eine

'zweifelsfreie Kenntnis' (= 'Gewißheit') vereinbaren läßt, und

billigt dem Angeklagten an einer Stelle (S. 80, 81) sogar zu, daß er zur Tatzeit in einer betrieblich höchstwahrscheinlich schwierigen Situation, um die Erfüllung des Ausgleichs bemüht, sein höchstes Interesse aufwendete, um den Fortbestand des Betriebs zu sichern und dadurch mit seiner Arbeitskraft voll ausgelastet war, was (lebensnah betrachtet) in steuerlicher Hinsicht überhaupt gegen eine Vorsätzlichkeit und für eine lediglich fahrlässige Vorgangsweise sprechen würde. Damit schließt sich aber (gleichsam) der Kreis, erhellt/doch auch aus den zuletzt dargetanen Momenten zusätzlich neuerdings die Relevanz der eingangs behandelten Beweisanträge. Es war daher in Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde, ohne daß noch auf deren sonstige Einwände eingegangen zu werden brauchte, (über dieses Rechtsmittel sowie über die Berufung des Angeklagten) spruchgemäß zu erkennen.

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