OGH 10Os149/80

OGH10Os149/809.12.1980

Der Oberste Gerichtshof hat am 9. Dezember 1980

unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Racek in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini, Dr. Friedrich, Dr. Hörburger und Dr. Lachner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Braitenberg-Zennenberg als Schriftführer in der Strafsache gegen Walter A wegen des Verbrechens nach § 6 (nunmehr 12) Abs 1 SuchtgiftG und einer anderen strafbaren Handlung über die von der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Kreisgerichtes Krems an der Donau als Schöffengericht vom 30. Juli 1980, GZ. 11 Vr 370/80-20, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini, nach Verlesung der Rechtsmittelschrift des öffentlichen Anklägers sowie nach Anhörung der Ausführungen des Verteidigers Dr. Schürr und des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Gehart, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben und das angefochtene Urteil im Ausspruch über den Verfall, der im übrigen unberührt bleibt, hinsichtlich einer Wasserpfeife, zweier Röhren aus Glas bzw. Karton, zweier Suppenlöffel und 17 Filzblättchen aufgehoben.

Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde verworfen. Gemäß § 290 Abs 1 StPO wird der Ausspruch gemäß § 38 StGB dahin ergänzt, daß die Vorhaft auch auf die nach § 6 (nunmehr 12) Abs 4 SuchtgiftG verhängte Geldstrafe angerechnet wird.

Der Berufung wird teilweise Folge gegeben, und der Ausspruch über

die bedingte Strafnachsicht gemäß § 43 Abs 1 StGB aus dem Urteil ausgeschaltet.

Ansonsten wird der Berufung nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 20. Dezember 1955 geborene Kraftfahrer Walter A des Verbrechens (wider die Volksgesundheit) nach § 6 Abs 1

SuchtgiftG und des Vergehens nach § 9 Abs 1 Z 2 SuchtgiftG schuldig erkannt, weil er vorsätzlich in Wien, Haitzendorf, Baumgarten bei Tulln und andernorts 1. von 1976 bis Mai 1980 den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgifte in solchen Mengen in Verkehr setzte, daß daraus in größerer Ausdehnung eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen entstehen konnte, nämlich etwa 2,5 Kilogramm Haschisch, 20 Gramm Marihuana, 30 LSD-Trips, 27 Gramm Morphin, mindestens 20 Gramm Heroin und außerdem mindestens 40 'Schuß' (Portionen von je etwa O,1 Gramm) Morphin und Heroin, 2. von 1972 bis Mai 1980 über die zu 1. angeführten Mengen hinaus zum eigenen Bedarf unberechtigt Suchtgifte a) herstellte, indem er etwa 20 Cannabispflanzen zog, b) erwarb und besaß, nämlich mindestens 1 Kilogramm Haschisch, nicht mehr feststellbare Mengen Marihuana, 13 Gramm Morphin, 20 Gramm Heroin und 'mindestens ca' 350 'Schuß' Morphin und Heroin.

Hiefür verurteilte das Gericht Walter A nach § 28 StGB, § 6 Abs 1 SuchtgiftG zu einem Jahr Freiheitsstrafe, welche ihm gemäß § 43 Abs 1 StGB unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen und auf die 'für den Fall des Widerrufs' die in diesem Verfahren erlittene Vorhaft angerechnet wurde. Außerdem fällte es ein auf § 6 Abs 3 SuchtgiftG gestütztes Verfallserkenntnis bezüglich mehrerer Gegenstände und verhängte gemäß § 6 Abs 4 SuchtgiftG eine als 'Wertersatzstrafe' bezeichnete Geldstrafe in der Höhe des nicht ergriffenen Erlöses für die in Verkehr gesetzten Suchtgifte.

Rechtliche Beurteilung

Der (zum Teil irrig als Berufung bezeichneten) Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft gegen dieses Urteil kommt teilweise Berechtigung zu.

In dem das Vergehen nach § 9 Abs 1 Z 2 SuchtgiftG betreffenden Anklagevorwurf waren bei der Beschreibung der von Walter A im Tatzeitraum erworbenen und besessenen Suchtgifte auch 'ca. 1,4 kg Haschisch' sowie 'insgesamt ca. 570 'Schuß' Morphin und Heroin' angeführt worden, von denen eine Teil-Menge von 0,4 kg Haschisch sowie 220 'Schuß' Heroin im Urteilstenor nicht erwähnt wird; insoweit macht die Beschwerdeführerin eine Nichterledigung der Anklage nach der Z 7, aber auch Begründungsmängel nach der Z 5 des § 281 Abs 1 StPO geltend, indessen zu Unrecht.

Denn die Größe einer durch die inkriminierte(n) Tat (en) unberechtigt erworbenen und (oder) besessenen Suchtgift- (Gesamt-) Menge ist, sofern es sich dabei nur um ein überhaupt erfaßbares Quantum handelt, weder für den Tatbestand der in Rede stehenden Strafbestimmung, die den Erwerb und den Besitz von Suchtgift schlechthin, also ohne Rücksicht auf dessen Qualität und Quantität, pönalisiert, noch für die Wahl des anzuwendenden Strafsatzes von Belang (vgl. ÖJZ-LSK 1975/109).

Daraus folgt, daß der (dementsprechend auch keine Bindungswirkung gemäß § 295 Abs 1 StPO entfaltende) Ausspruch über einen bestimmten Umfang einer zur Verwirklichung des Tatbestands nach § 9 Abs 1 Z 2 SuchtgiftG benützten Suchtgiftmenge im Urteil bloß eine für die Schuldfrage unerhebliche Modalität dieser Tat(en) betrifft, die (für sich allein) zum einen (in prozessualer Hinsicht) für die Frage der Identität von Anklage- und Urteilssachverhalt keine Bedeutung hat - sodaß bei einer nur darin gelegenen Abweichung des Urteils von der Anklage weder (zur Nichtannahme einer Anklageüberschreitung: Z 8) deren Ausdehnung vorauszusetzen, noch (zwecks Vermeidung einer teilweisen Nichterledigung der Anklage: Z 7) ein Teilfreispruch erforderlich ist -, und sich zum anderen (im Zusammenhang mit der materiellen Seite) nicht auf eine entscheidende Tatsache (Z 5) bezieht.

Durch die gerügte 'Korrektur' bloß des in der Anklageschrift bezeichneten Umfangs der vom Angeklagten für seinen Eigenbedarf erworbenen und verwendeten Suchtgiftgesamtmenge allein - die das Erstgericht übrigens nicht nur durch deren (unangefochtene) 'Reduzierung', sondern gleichermaßen durch ihre (unbekämpft gebliebene) Erweiterung (hinsichtlich einer Teilmenge von fünf auf dreizehn Gramm Morphin) vornahm (S 271, 275 im Gegensatz zu S 220) - wurde daher im vorliegenden Fall weder (verfahrensrechtlich) die Identität von Anklage- und Urteilssachverhalt (§§ 262, 267 StPO), die jeweils das gesamte tatbestandsmäßige Verhalten des Angeklagten im Tatzeitraum global erfassen, beeinträchtigt, sodaß insoweit von einer Nichterledigung der Anklage nach Z 7 in keiner Weise gesprochen werden kann, noch betrafen bei der Beschreibung der vom Angeklagten im Tatzeitraum erworbenen und besessenen Suchtgifte in bezug auf deren Menge, weil es auf sie - entsprechend dem früher Gesagten - nicht ankommt, allenfalls unterlaufene Begründungsmängel entscheidungswesentliche Umstände im Sinne der Z 5 des § 281 Abs 1 StPO.

In diesem Umfang war daher die Nichtigkeitsbeschwerde zu verwerfen. Hingegen ist die Staatsanwaltschaft im Recht, wenn sie zugunsten des Angeklagten - obschon irrig als Berufungsgrund - der Sache nach eine Nichtigkeit des Verfallserkenntnisses nach § 281 Abs 1 Z 11 StPO ins Treffen führt, soweit dieses (auch) eine Wasserpfeife, zwei Röhren (aus Glas bzw. Karton), zwei Suppenlöffel und 17 (als Filter zum Aufziehen von Drogen in Injektionsspritzen bestimmte) Filzblättchen erfaßt. Dabei handelt es sich vorliegend weder um den Gegenstand der strafbaren Handlung nach § 6 (nunmehr § 12) Abs 1 SuchtgiftG bildende Sachen noch begriffsmäßig um zur Herstellung oder Verarbeitung von Suchtgiften dienende Materialien und Gerätschaften, sodaß die genannten Gegenstände dem Verfall nach § 6 (nunmehr § 12) Abs 3 SuchtgiftG nicht unterliegen können (EvBl 1975/129). Bei einer nach § 9 (nunmehr § 16) SuchtgiftG strafbaren Handlung ist gemäß dem Absatz 3 dieser Gesetzesstelle, worauf der Verfall der im (unbefugten) Besitz des Angeklagten sichergestellten Substanzen (Morphin in Pulverform, Tabletten) richtigerweise hätte gegründet werden sollen, nur der vorgefundene Suchtgiftvorrat vom Verfall bedroht. Allerdings wären Gegenstände, die zur Begehung einer darnach strafbedrohten Handlung verwendet wurden oder dazu bestimmt waren, unter den weiteren Voraussetzungen des § 26 StGB einzuziehen. Dies trifft jedoch auf die angeführten Gegenstände nicht zu, die ihrer Beschaffenheit nach offensichtlich bloß dem als solchem nicht tatbildlichen Genuß von Suchtgiften dienten (RZ 1977/21; EvBl 1980/9). Die (im Sinne eines Verzichts auf die Ausfolgung durchaus wirksame) Erklärung des Angeklagten, er sei mit der Vernichtung der (bei ihm) beschlagnahmten Gegenstände einverstanden (S 266), vermag die im vorbezeichneten Umfang fehlenden gesetzlichen Voraussetzungen des Verfallsausspruchs nicht zu ersetzen und ändert mithin nichts an dessen daraus resultierender teilweiser Nichtigkeit nach § 281 Abs 1 Z 11 StPO.

Eine nicht gerügte, jedoch gemäß § 290 Abs 1 StPO von Amts wegen wahrzunehmende weitere Nichtigkeit des Urteils nach § 281 Abs 1 Z 11 StPO ist darin gelegen, daß das Erstgericht gegen die Bestimmung des § 38 StGB verstieß, indem es die Vorhaft, wie sich schon aus der Einschränkung 'für den Fall des Widerrufs', dann aber auch aus der Stellung des Ausspruchs über die Anrechnung vor jenem über die nachher genannte Geldstrafe im Urteilssatz ergibt, nur auf die (bedingt nachgesehene) Freiheitsstrafe und nicht auch auf die daneben nach § 6 Abs 4 SuchtgiftG verhängte Geldstrafe (Verfallsersatzstrafe) anrechnete. Wird aber in einem Urteil - wie hier - auf Strafen der einen und der anderen Art nebeneinander erkannt, so ist die Vorhaft im Urteil auf alle diese Strafen anzurechnen. Erst anläßlich des Vollzugs ist die Anrechnung sodann konkret zunächst bei jenen Strafen vorzunehmen, die nicht bedingt nachgesehen wurden (9 Os 24/76, 9 Os 162/77 ua).

Es entsprach daher in keiner Weise dem Gesetz, die Anrechnung der Vorhaft auf die (in erster Instanz) bedingt nachgesehene Freiheitsstrafe zu beschränken, sie aber hinsichtlich der daneben (unbedingt) verhängten Geldstrafe zu unterlassen. Der insoweit von einem materiellrechtlichen Mangel betroffene Ausspruch über die Vorhaftanrechnung war daher entsprechend zu ergänzen. Bezüglich des - an sich unberührt bleibenden - vom öffentlichen Ankläger mit der Begründung, der Angeklagte habe dadurch, daß er aus dem Ausland Suchtgift bezog, auch Schmuggel begangen, erwirkten urteilsmäßigen Vorbehalts der (selbständigen) Verfolgung (im Sinne des § 263 Abs 2

StPO) wegen '§ 35 FinStrG', wobei der betreffende Ausspruch im Urteilssatz formell verfehlt mit jenem verbunden ist, daß 'diesbezüglich das Verfahren gemäß § 57 StPO ausgeschieden wird', ist (jedoch) der Hinweis angebracht, daß es einerseits zu einer Verurteilung des Angeklagten auch wegen eines mit den urteilsgegenständlichen strafbaren Handlungen eintätig zusammentreffenden Delikts einer Anklageausdehnung nicht bedurft hätte, eine solche Verurteilung aber andererseits nun (überhaupt) nicht mehr Platz greifen kann; einen Angeklagten wegen einer und derselben Tat (gleichwohl) im Hinblick auf durch sie in Idealkonkurrenz verwirklichte verschiedene Deliktstatbestände - in mehreren gesondert ergehenden Urteilen - (unter einem jeweils anderen rechtlichen Gesichtspunkt) wiederholt mit Strafen zu belegen, ist nämlich ausgeschlossen (vgl. Mayerhofer-Rieder, StPO, E Nr. 13 und 14 zu § 57 sowie Nr. 21 zu § 263; ferner die E. EvBl 1980/89 und RZ 1980/53, über das mit der Fällung des ersten Urteils entstehende - vorerst temporäre und mit Eintritt der Rechtskraft in dessen Sperrwirkung übergehende - Verfolgungshindernis: § 281 Abs 1 Z 9 lit b StPO). Dies gilt auch dann, wenn sich bei dem tatbestandsmäßig nicht zum Gegenstand des Schuldspruchs gemachten idealkonkurrierenden Delikt um ein Finanzvergehen handelt, für welches die Strafen grundsätzlich gesondert von jenen über die anderen (damit eintätig zusammentreffenden) strafbaren Handlungen zu verhängen sind (§ 22 FinStrG). In diesen Fällen (einer Idealkonkurrenz) ist vom Gericht über die Tat ebenfalls nach allen (in Betracht kommenden) rechtlichen Aspekten in ein- und demselben Urteil gleichzeitig zu erkennen (anders kraft der ausdrücklichen Anordnung des § 53 Abs 7 FinStrG lediglich dort, wo sich jemand durch dieselbe Tat einer strafbaren Handlung schuldig gemacht hat, die dem Gericht, und eines Finanzvergehens, das der Finanzstrafbehörde zufällt: unter diesen Umständen hat das Gericht die gerichtlich strafbare Handlung und die Finanzstrafbehörde gesondert das Finanzvergehen zu ahnden). Bei der Strafbemessung wertete das Erstgericht das Zusammentreffen eines Verbrechens mit einem Vergehen und die Begehung der Straftaten durch einen längeren Zeitraum als erschwerend, das 'volle' (ersichtlich als reumütig angesehene) Geständnis hingegen als mildernd.

Der Berufung, mit welcher die Staatsanwaltschaft eine Erhöhung der Strafe und die Ausschaltung der bedingten Strafnachsicht anstrebt, kommt teilweise Berechtigung zu.

Nicht begründet ist die Berufung im ersteren Punkt. Trotz der relativ großen Menge der verhandelten Suchtgifte und der Tatsache, daß sich darunter auch äußerst gefährliche Drogen befanden, ist die mit dem gesetzlichen Mindestmaß festgesetzte Freiheitsstrafe unter Berücksichtigung der besonders gelagerten Umstände des konkreten Falles, insbesondere wegen der offenbar ernstlichen Bemühungen des einsichtsvollen Angeklagten, sich vom Suchtgift loszusagen, vertretbar, weshalb der Berufung in diesem Umfange ein Erfolg versagt bleiben mußte.

Hingegen liegen die gesetzlichen Voraussetzungen für die Gewährung der bedingten Strafnachsicht vor allem aus der darnach (nicht minder) zu beachtenden generalpräventiven Sicht schon wegen der innerhalb eines längeren Zeitraums in Verkehr gesetzten bedeutenden Rauschgiftquantitäten - allein bei Heroin überschritten sie die sogenannte 'Grenzmenge' des § 6 (nunmehr § 12) Abs 1 SuchtgiftG nicht unbeträchtlich - in keiner Weise vor. Mögen vorliegend auch Momente der Spezialprävention wegen der Entwöhnungsbestrebungen des Angeklagten in den Hintergrund treten, bedarf es dennoch schon deshalb der Strafvollstreckung, um der Begehung weiterer derartiger strafbarer Handlungen durch andere entgegenzuwirken. Es war daher insofern der Berufung Folge zu geben und der Ausspruch nach § 43 Abs 1 StGB aus dem Urteil auszuschalten.

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