OGH 12Os153/80

OGH12Os153/8020.11.1980

Der Oberste Gerichtshof hat am 20.November 1980

unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Breycha und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller, Dr. Kral, Dr. Steininger und Dr. Lachner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Braitenberg-Zennenberg als Schriftführer in der Strafsache gegen Richard A und Hubert A wegen der Vergehen des Diebstahls nach § 127 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 1 StGB und § 40 Abs. 1

lit a WaffenG. über die vom Angeklagten Hubert A gegen das Urteil des Jugendgerichtshofes Wien als Schöffengericht vom 22.Februar 1980, GZ. 3 a Vr 1713/79-14, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral, der Ausführungen der Verteidigerin, Rechtsanwalt Dr. Berta Mühl und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Strasser, zu

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben und das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im Punkt A II 1 und in dem Hubert A betreffenden Strafausspruch aufgehoben und gemäß § 288 Abs. 2 Z. 3

StPO in der Sache selbst erkannt:

Hubert A ist (weiters) schuldig, er hat Anfang April 1979 ein fremdes Gut, das durch Irrtum in seinen Gewahrsam geraten ist, und zwar einen ihm vom Verfügungsberechtigten des österreichischen Bundesheeres versehentlich zugeteilten Feldanzug im nicht festgestellten, jedenfalls 5.000 S nicht übersteigenden Wert durch Verbringen aus der Kaserne mit dem Vorsatz sich zugeeignet, sich dadurch unrechtmäßig zu bereichern.

Er hat hiedurch das Vergehen der Unterschlagung nach § 134 Abs. 1, zweiter Fall, StGB begangen und wird hiefür sowie für die weiteren ihm nach dem aufrecht bleibenden Teil des erstgerichtlichen Urteils zur Last fallenden strafbaren Handlungen (zu A I und A II 2 das Vergehen des Diebstahls nach § 127 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 1 StGB und zu B das Vergehen nach § 40 Abs. 5 lit. a WaffG. in der Fassung vor der Waffengesetznovelle 1979) nach § 127 Abs. 2, 28 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von drei Monaten verurteilt.

Die Aussprüche über die Anrechnung der Vorhaft gemäß § 38 StGB und die Kostenersatzpflicht gemäß § 389 StPO werden aus dem Ersturteil übernommen.

Mit seiner Berufung wird Hubert A auf diese Entscheidung verwiesen. Gemäß § 390 a StPO fallen ihm auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 24.Mai 1959 geborene Vertreter Hubert A des, teils in Gesellschaft seines Bruders und Mitverurteilten Richard A, dessen Schuldspruch in Rechtskraft erwachsen ist, begangenen, Vergehens des Diebstahls nach § 127 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 1 StGB (Punkt A) des Schuldspruches) und des Vergehens nach § 40 Abs. 5 lit. a WaffenG. (in der Fassung vor dem Inkrafttreten der Waffengesetznovelle 1979 BGBl. Nr. 75/

1980; Punkt B) des Schuldspruches) schuldig erkannt. Dieses Urteil bekämpft Hubert A lediglich in der rechtlichen Unterstellung des ihn allein betreffenden Schuldspruches Punkt A) II.) 1.) unter den Diebstahlstatbestand statt unter jenen der Unterschlagung nach § 134 Abs. 1 zweiter Fall StGB mit Nichtigkeitsbeschwerde aus dem Nichtigkeitsgrund der Z. 10 des § 281 Abs. 1 StPO Der Strafausspruch wird mit Berufung angefochten.

Rechtliche Beurteilung

Die Rechtsrüge ist begründet.

Den Urteilsfeststellungen nach behielt der Beschwerdeführer Anfang April 1979, als ihm während seines Präsenzdienstes beim Österreichischen Bundesheer versehentlich statt der vorgesehenen zwei drei Feldanzüge zugeteilt wurden, einen davon widerrechtlich für sich. Den Polizeierhebungen zufolge wurde der Feldanzug in der Wohnung des Beschwerdeführers sichergestellt (S. 21, 49 f.d.A.). Rechtlich kommt es in der Frage der Subsumtion der vom Beschwerdeführer, dem Urteilsspruch zufolge, mit dem Vorsatz unrechtmäßiger Bereicherung begangenen Tat unter dem (Grund-)Tatbestand des Diebstahls nach § 127 Abs. 1 StGB oder unter jenen der Unterschlagung nach § 134 Abs. 1 zweiter Fall StGB darauf an, ob durch die aus Irrtum seitens der Organwalter des Bundesheeres erfolgte Ausfolgung eines dritten Feldanzuges an den Beschwerdeführer bereits der Gewahrsam des Bundesheers daran beseitigt wurde und ob hiedurch allenfalls bloßer Mitgewahrsam des Beschwerdeführers entstand und eine Art Obergewahrsam des Bundesheers bis zur Verbringung des Feldanzuges aus der Kaserne aufrecht blieb.

Geht man vom Inhalt des strafrechtlichen Gewahrsamsbegriffes aus, wonach unter Gewahrsam die tatsächliche, unmittelbare, nicht durch das Medium einer anderen Person vermittelte Herrschaft über eine Sache, sohin die Möglichkeit, über die Sache tatsächlich zu verfügen, verbunden mit dem Willen, diese Möglichkeit aufrechtzuerhalten, zu verstehen ist (Leukauf-Steininger2, RN. 15 zu § 127 StGB), dann zeigte sich, daß durch die ohne Wissen und Willen der Verantwortlichen des Bundesheeres erfolgte, versehentliche Ausfolgung des Feldanzuges an den Beschwerdeführer die, auch für den sogenannten Obergewahrsam wesentlichen, faktischen Voraussetzungen für die Sachherrschaft des Bundesheeres im erläuterten Sinn weggefallen sind. Obergewahrsam des Bundesheers und abgeleiteter, Mitgewahrsam des Beschwerdeführers wären nur dann vorgelegen, wenn dieser vom Wissen und Willen der Verantwortlichen des Bundesheeres umfaßt gewesen wäre und sich der Beschwerdeführer bei Ausübung des Mitgewahrsams, entsprechend den Weisungen und unter zumindest potentiell jederzeit gegebener Aufsicht des Obergewahrsamsträgers, solcherart bloß als dessen verlängerte Hand, zur Gänze dessen Willen zu fügen gehabt hätte (vgl. auch bei Leukauf-Steininger2, RN. 21 f. zu § 127 StGB).

Da diese Voraussetzungen nicht gegeben sind, erweist sich die erstgerichtliche Subsumtion der Ansichbringung des Feldanzuges durch den Beschwerdeführer, mangels Beseitigung fremden Gewahrsams durch diesen, unter den Diebstahlstatbestand als rechtsirrig. Rechtsrichtig ist, wie die Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend ausgeführt, die Tat, zufolge Begründung des Alleingewahrsams des Beschwerdeführers an der Sache ohne sein Zutun und durch Irrtum Dritter, dem Tatbestand der Unterschlagung nach § 134 Abs. 1 zweiter Fall StGB zu unterstellen.

Der Vollständigkeit halber kann bemerkt werden, daß im Ersturteil, wie auch schon in der Anklage, nicht dazu Stellung genommen wurde, ob eine und allenfalls welche strafbare Handlung gegen fremdes Vermögen durch die dem Beschwerdeführer zu B) des Schuldspruchs als unbefugter Erwerb militärischer Munution angelastete Nichtablieferung von zu Schießübungen ausgehändigter und nicht verbrauchter Bundesheer-Munition verwirklicht wurde. Da eine Nichtigkeitsbeschwerde zum Nachteil des Angeklagten nicht ergriffen worden ist, hat der Oberste Gerichtshof auf diesen, dem Angeklagten jedenfalls nicht zum Nachteil gereichenden Fehler nicht weiter einzugehen.

Es war daher der Nichtigkeitsbeschwerde des Hubert A Folge zu geben, das angefochtene Urteil, das im übrigen (den Richard A betreffenden Aussprüchen und in den Punkten A) I.) 1.) und 2.) und II.) 2.) sowie

b) des Schuldspruchs gegen Hubert A) unberührt bleibt, insoweit dem Hubert A zu A) II.) 1.) die Zueignung eines ihm versehentlich zugeteilten Feldanzuges des Österreichischen Bundesheeres als Entziehung aus dem Gewahrsam der Verfügungsberechtigten und damit als Diebstahl zugerechnet wurde und demnach auch den ihn betreffenden Strafausspruch aufzuheben und gemäß § 288 Abs. 2 Z. 3 StPO in der Sache selbst spruchgemäß zu erkennen. Bei der nach § 127 Abs. 2, 28 StGB vorzunehmenden Strafbemessung war erschwerend die Verführung seines minderjährigen Bruders zum Diebstahl, die einschlägige Vorverurteilung und der rasche Rückfall, die Begehung mehrerer strafbaren Handlungen derselben und verschiedener Art, mildernd das Geständnis und die teilweise objektive Schadensgutmachung.

Unter Berücksichtigung des Unrechtsgehaltes der Tat und der Persönlichkeit des Angeklagten, der aus der Strafhaft nach einer einschlägigen Vorstrafe bedingt entlassen, in der Probezeit rückfällig wurde und bereits 2 Monate nach seiner letzten Verurteilung (vom 26.Februar 1979) neuerlich strafbare Handlungen begangen hat, war die Freiheitsstrafe in der Dauer von drei Monaten angemessen. Das Vorleben des Angeklagten zeigt, daß es der Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe und deren Vollstreckung bedarf, um den Täter von weiteren strafbaren Handlungen abzuhalten. Die Voraussetzungen für die Anwendung der § 37 Abs. 1 und 43 Abs. 1 StGB lagen somit nicht vor.

Die Aussprüche über die Anrechnung der Vorhaft und die Kostenersatzpflicht gemäß § 389 StPO waren aus dem Ersturteil zu übernehmen.

Mit seiner Berufung war Hubert A auf diese Entscheidung zu verweisen.

Gemäß § 390 a StPO waren ihm auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens aufzuerlegen.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte