Spruch:
I. Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Johann A wird verworfen.
II. Den Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten Heidemarie B, Benno
C und Walter D wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, in Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerden - bei den Angeklagten Benno C und Walter D teilweise auch gemäß dem § 290 Abs. 1 StPO. - im Schuldspruch der Angeklagten Heidemarie B, Benno C und Walter D zur Gänze, gemäß dem § 290 Abs. 1 StPO. aber auch im Schuldspruch des Angeklagten Josef A, in letzterem jedoch nur insoweit, als er (auch) den Zeitraum von 1970 bis 31. Dezember 1974 umfaßt, und demgemäß auch in den sämtliche Angeklagten betreffenden Strafaussprüchen einschließlich der Aussprüche nach den §§ 20 Abs. 2, 38 und 43 StGB. aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Mit ihren Berufungen werden die Angeklagten auf diese Entscheidung verwiesen.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurden der am 15.April 1936 geborene Beamte der Heeresverwaltung Josef A, die am 7.April 1957 geborene Vertragsbedienstete Heidemarie B, der am 2.Mai 1940 geborene Versicherungsangestellte Benno C und der am 10.November 1938 geborene Versicherungsdirektor Walter D des Vergehens der Verletzung des Amtsgeheimnisses nach dem § 310 Abs. 1 StGB. (B, C und D als Beteiligte nach den §§ 12 /dritter Fall /, 14 Abs. 1 StGB.) schuldig erkannt und hiefür zu - bedingt nachgesehenen - Freiheits- (A) und Geldstrafen (B, C und D) sowie Josef A und Heidemarie B darüber hinaus gemäß dem § 20 Abs. 2 StGB. auch zur Bezahlung von Beträgen in der Höhe von 150.000 S bzw. 4.000 S verurteilt.
Dieses Urteil wird von sämtlichen Angeklagten mit Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung bekämpft.
Zum geltendgemachten Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs. 1 Z. 4 StPO.:
Diesen Nichtigkeitsgrund erblicken die Beschwerdeführer A, C und D darin, daß den von ihren Verteidigern in der Hauptverhandlung gestellten Beweisanträgen (vgl. S. 219) nicht entsprochen wurde. Entgegen ihrer Auffassung wurden sie jedoch durch die Abweisung dieser Anträge (vgl. S. 221) in ihren Verteidigungsrechten nicht beeinträchtigt:
Durch den Zeugen Walter E hätte nach Meinung des Beschwerdeführers A erwiesen werden können, daß es keine Vorschrift gibt, die (im Schuldspruch erwähnten) Einberufungskontrollisten unter Verschluß zu halten.
Rechtliche Beurteilung
Abgesehen davon, daß dem Hauptverhandlungsprotokoll ein Begehren, den Zeugen (auch) zu diesem Beweisthema zu befragen, somit ein formelles Beschwerdeerfordernis nicht entnommen werden kann (vgl. S. 219 und 265), bleibt die Frage einer allfälligen Verschlußvorschrift deshalb ohne Bedeutung, weil zur Herstellung des Tatbestandes nach dem § 310 Abs. 1 StGB. keineswegs eine spezielle (den Verschluß des betreffenden Geheimnisses umfassende) Geheimhaltungsverpflichtung erforderlich ist, sondern stets die allgemeine Pflicht jedes Beamten zur Geheimhaltung (vgl. Art. 20 Abs. 2 B-VG.) genügt (vgl. Foregger-Serini, StGB.2, Anm. II zu § 310, S. 501; SSt. 41/30).
Ebensowenig ist den Beschwerdeführern C und D durch die Abweisung des Antrages ihres Verteidigers auf Einvernahme eines informierten Vertreters des Militärkommandos für Tirol ein Nachteil erwachsen. Denn daß die Arbeiterkammer - wie im Beweisantrag behauptet - 1978 oder 1979 an das Militärkommando für Tirol mit dem Ersuchen um Aufstellung einer nach Berufsgruppen aufgeschlüsselten Liste von Präsenzdienern herantrat, ließe nicht einmal dann, wenn dieses Ersuchen wegen des großen Aufwandes (und nicht aus dem Grund der Geheimhaltung) abgelehnt worden sein sollte, irgendwelche relevanten Rückschlüsse auf die Geheimhaltungsverpflichtungen im gegenständlichen Fall zu.
Schließlich konnte auch die beantragte Einholung eines Sachverständigengutachtens aus dem Bereich der Datenverarbeitung unterbleiben. Nach den - u.a. durch die eigenen Angaben (vgl. S. 124, 211) des Angeklagten A gedeckten - erstgerichtlichen Feststellungen scheinen in den mehrfach erwähnten Einberufungskontrolllisten alle zu einem bestimmten Einberufungstermin im Bereich eines Militärkommandos einberufenen Präsenzdiener auf. Mag es daher auch zutreffen, daß es für (allgemeine) Auskünfte, z.B. über den männlichen Jahrgang eines bestimmten Bezirkes oder Bundeslandes, auch andere Informationsquellen (die Beschwerdeführer nennen insbesondere Wählerverzeichnisse, statistische Jahrbücher, Adressenbüros etc.) gibt, so liegt doch auf der Hand, daß jene Wehrpflichtigen, die im Bereich eines Militärkommandos zu einem bestimmten Einberufungstermin tatsächlich einberufen wurden, zumindest im Zeitpunkt der jeweiligen Weitergabe ihrer Namen durch den Angeklagten A nur dem Bundesheer bekannt sein konnten. Ein Sachverständigengutachten hätte daher unter Umständen ergeben können, daß es im Tatzeitpunkt möglich gewesen wäre, auf legale Weise anderes Adressenmaterial zu beschaffen, nicht aber gerade jene Listen, die der Angeklagte A ausschließlich kraft seiner Amtsstellung beim Bundesheer an Hand der ihm anvertrauten und zugänglichen Einberufungskontrollisten herzustellen in der Lage war. Ebenso liegt (schon für einen Laien erkennbar) auf der Hand, daß aus diesen - auch Geburtsdaten und Anschriften umfassenden - Listen zumindest innerhalb gewisser zeitlicher und örtlicher Grenzen Rückschlüsse auf die personelle Struktur des österreichischen Bundesheeres (Zahl der zu einem bestimmten Termin tatsächlich einberufenen Präsenzdiener, Dislozierung bei Abrüstung) gezogen werden konnten. Da es somit auch in dieser Richtung der Einholung eines Sachverständigengutachtens nicht bedurfte, müssen die in jeder Beziehung unberechtigten Verfahrensrügen versagen.
Zu den geltendgemachten Nichtigkeitsgründen des § 281 Abs. 1 Z. 5 und 9 lit. a StPO.:
In Ausführung ihrer Rechtsrügen bezweifeln alle Beschwerdeführer zunächst, daß der Angeklagte A durch den Verkauf der aus den Einberufungskontrollisten abgeleiteten Namenslisten ein ihm ausschließlich kraft seines Amtes anvertrautes oder zugänglich gewordenes Geheimnis im Sinn des § 310 Abs. 1 StGB. offenbarte und verwertete.
Als Geheimnis gemäß der erwähnten Gesetzesstelle sind alle Tatsachen (auch schriftliche Aufzeichnungen, Gegenstände etc.) anzusehen, die - im Sinn eines materiellen Geheimnisbegriffs - ohne Rücksicht auf ihre allfällige Bezeichnung als Geheimnis durch die zuständigen Stellen zur Vermeidung der Verletzung öffentlicher oder berechtigter privater Interessen geheimgehalten werden müssen und daher nur einer beschränkten Personenzahl bekannt sind. Hiebei muß es sich um dem Täter ausschließlich kraft seines Amtes anvertraute oder zugängliche Tatsachen, mithin um ein Amtsgeheimnis handeln (vgl. Foregger-Serini, StGB.2, Anm. II zu § 310 sowie die dort zitierte Judikatur). Diese Voraussetzungen sind vorliegend gegeben. Die Namen jener Präsenzdiener, die zu einem bestimmten Termin im Bereich eines Militärkommandos tatsächlich einberufen wurden, waren keineswegs einem unbegrenzten Personenkreis bekannt und dem Angeklagten A ausschließlich kraft seiner amtlichen Stellung im Bereich der Datenverarbeitung der Heeresverwaltung zugänglich (vgl. auch S. 211). Der Beschwerdeeinwand, daß es möglich gewesen wäre, die allgemeinen Daten der betreffenden Präsenzdiener auf andere Weise in Erfahrung zu bringen, geht an der Tatsache vorbei, daß Josef A nach den Urteilsannahmen die Namen, Geburtsdaten und Anschriften von in einem bestimmten Ordnungszusammenhang stehenden Personen (zu einem bestimmten Termin in einem bestimmten örtlichen Bereich einberufene Präsenzdiener) weitgab, und daß es jedenfalls nicht möglich gewesen wäre, diese Kombination von Namen aus legalen Quellen zu schöpfen. Es mag sein, daß die 'F -Versicherungsgesellschaft' nicht in erster Linie daran interessiert war, die Namen potentieller Versicherungsnehmer in dieser (den Einberufungskontrollisten entsprechenden) Kombination zu erfahren. Dies ist jedoch rechtlich unerheblich. Genug daran, daß die Weitergabe der (zumindest als militärische Liste eigener Art ein Geheimnis darstellenden) Namen und Daten tatsächlich in der erwähnten Form an Personen geschah, die nicht zur Geheimhaltung verpflichtet waren.
Denn diese Weitergabe war der von den Beschwerdeführern vertretenen Auffassung zuwider auch dann, wenn Josef A nicht alle in den Einberufungskontrollisten (zum Teil verschlüsselt) enthaltenen Daten weitergegeben hatte, jedenfalls (was ausreicht) abstrakt geeignet, ein öffentliches Interesse zu verletzen, zumal sie - wie bereits bei Behandlung der Verfahrensrügen dargelegt -
die Preisgabe von Unterlagen umfaßte, aus denen nicht unerhebliche Rückschlüsse auf die personelle Struktur des österreichischen Bundesheeres möglich wären. Ob aber der Verrat darüber hinaus geeignet war, auch berechtigte private Interessen der einzelnen in den Namenslisten aufscheinenden Präsenzdiener zu beeinträchtigen, kann im Fall A im Hinblick auf die zur Herstellung des Tatbestands nach dem § 310 Abs. 1 StGB. hinreichende (arg.: 'oder') Verletzung eines öffentlichen Interesses dahingestellt bleiben. Die - lediglich die Nichtigkeitsgründe der Z. 4 und 9 lit. a des § 281 Abs. 1 StPO. geltend machende - Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten A erweist sich somit als zur Gänze unbegründet. Den Nichtigkeitsbeschwerden der übrigen Angeklagten hingegen kann deshalb Berechtigung nicht abgesprochen werden, weil sie in Ausführung des Nichtigkeitsgrundes des § 281 Abs. 1 Z. 9 lit. a StPO. zutreffend (auch) den Umstand rügen, daß das angefochtene Urteil mit sie betreffenden Feststellungsmängeln zur inneren Tatseite behaftet ist.
Es kann tatsächlich nicht übersehen werden, daß das Erstgericht einen sich auf sämtliche Tatbildmerkmale des § 310 Abs. 1 StGB. erstreckenden Vorsatz nur in bezug auf den Angeklagten A konstatierte. Hinsichtlich der übrigen Angeklagten stellte es zwar fest, daß ihnen klar war, an der Verletzung eines Geheimnisses beteiligt zu sein, unterließ aber jegliche Erörterungen und Feststellungen darüber, ob ihr Vorsatz (§ 5 Abs. 1 StGB.) auch den Umstand umfaßte, daß die Offenbarung und Verwertung dieses Geheimnisses geeignet war, ein öffentliches oder (und) berechtigtes privates Interesse zu verletzen.
Der Schuldspruch der Angeklagten B, C und D kann daher wegen dieser Feststellungsmängel (vgl. § 288 Abs. 2 Z. 3 letzter Satz StPO.) nicht aufrecht bleiben. Da schon deshalb eine Erneuerung des Verfahrens im Umfang des erwähnten (die Angeklagten B, C und D betreffenden) Schuldspruchs unumgänglich ist, erübrigt es sich, auch noch auf die weiteren Beschwerdeausführungen der Angeklagten C und D zum Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs. 1 Z. 5 StPO. einzugehen. Aus Anlaß der Nichtigkeitsbeschwerden war von Amts wegen auch wahrzunehmen, daß das angefochtene Urteil zum Nachteil der Angeklagten A, C und D insoweit mit einer nicht geltend gemachten Nichtigkeit im Sinn des § 281 Abs. 1 Z. 9 lit. a StPO. behaftet ist, als diesen Angeklagten das Vergehen nach dem § 310 Abs. 1 StPO. für den gesamten Tatzeitraum von 1970 bis Feber 1979 angelastet wurde, obgleich diese Gesetzesbestimmung erst seit dem 1. Jänner 1975 (dem Inkrafttreten des Strafgesetzbuches) in Geltung steht. Vor dem 1.Jänner 1975 war die Verletzung eines Amtsgeheimnisses nicht als eigenes Delikt, sondern als Fall des Mißbrauchs der Amtsgewalt (§§ 101, 102 Abs. 1 lit. c StG.) vertypt und daher nur bei gegebenem Schädigungsvorsatz gerichtlich strafbar. Daß die Angeklagten A, C und D mit Schädigungsvorsatz im Sinn der §§ 101, 102 Abs. 1 lit. c StG. 1945, das heißt mit dem Vorsatz, einen Schaden zuzufügen, der über die in der Verletzung der betreffenden Verschwiegenheitspflicht gelegene Schädigung und die damit im allgemeinen verbundenen Folgen hinausgeht (vgl. SSt. 32/87, EvBl. 1980/80 u.a.), gehandelt hätten, ist dem Urteil, das auch hiezu keine Feststellungen enthält, nicht zu entnehmen.
Im erneuerten Verfahren wird daher auch zu klären sein, ob die Angeklagten A, C und D in der Zeit von 1970 bis 31.Dezember 1974 bei den ihnen angelasteten Tathandlungen mit Schädigungsvorsatz im Sinn der §§ 101, 102 Abs. 1 lit. c StG. handelten. Sollte diese Prüfung negativ ausfallen, wäre insoweit (vgl. §§ 1, 61 StGB.) mit einem (Teil-) Freispruch vorzugehen. Sollte das Erstgericht jedoch einen derartigen Vorsatz feststellen können, dann wird beim Angeklagten Josef A für den gesamten Tatzeitraum neuerlich eine Verurteilung nach dem § 310 Abs. 1 StGB. stattzufinden haben.
Entsprechendes gilt auch für die Angeklagten C und D, bei denen eine Verurteilung nach dem § 310 Abs. 1 StPO. für den gesamten angeklagten Tatzeitraum nur in Frage kommt, wenn das wiederholte Verfahren zudem die Konstatierung ermöglicht, daß sich ihr Vorsatz auf alle Tatbildmerkmale dieses Deliktes erstreckte, worüber es bisher (wie oben ausgeführt auch hinsichtlich der Angeklagten B) gleichfalls an ausreichenden Feststellungen mangelt.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)