OGH 9Os157/80

OGH9Os157/8011.11.1980

Der Oberste Gerichtshof hat am 11. November 1980

unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Obauer und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Faseth, Dr. Müller, Dr. Steininger und Dr. Reisenleitner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Brandhuber als Schriftführer in der Strafsache gegen Gerhard A wegen des Verbrechens des versuchten Diebstahls durch Einbruch nach §§ 15, 127 Abs. 1, 129 Z 1 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die vom Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 27. August 1980, GZ. 6 f Vr 4776/80-25, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Faseth, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Selma Tichy und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Nurscher, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 20. März 1950 geborene Gerhard A des Verbrechens des versuchten Diebstahls durch Einbruch nach §§ 15, 127 Abs. 1, 129 Z 1 StGB und des teils vollendeten, teils versuchten Vergehens nach § 9 Abs. 1 Z 2 SuchtgiftG (alte Fassung) § 15 Abs. 1 StGB schuldig erkannt; ihm liegt zur Last A) am 20. Juni 1980 versucht zu haben, fremde bewegliche Sachen, nämlich Suchtgifte, dem Dr. Hermann B durch Einbruch mit dem Vorsatz wegzunehmen, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, indem er mit einem Ziegelstein eine Auslagenscheibe der Apotheke des Genannten einschlug;

B) in der Zeit zwischen März 1980 und 19. Juni 1980 wiederholt

unberechtigt Suchtgifte, nämlich Paracodein, erworben und in Besitz gehabt zu haben;

C) am 20. Juni 1980 durch die zu Punkt A) geschilderten

Tathandlungen versucht zu haben, unberechtigt Suchtgifte zu erwerben und zu besitzen.

Diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit einer auf die Z 9 lit. a des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde. In dieser wendet er gegen den Schuldspruch wegen des vollendeten Vergehens nach § 9 Abs. 1 Z 2 SuchtgiftG (Punkt B) des Urteils) ein, daß Paracodein (richtig:

Paracodin; siehe Kisser in RZ 1973, S 150), dessen unberechtigten Erwerb und Besitz ihm das Erstgericht zum Vorwurf mache, zwar das Suchtgift Codein enthalte, aber kein Suchtgift im Sinne des § 1 SuchtgiftG sei und auch in der Suchtgiftverordnung nicht aufgezählt werde, weshalb er wegen des Erwerbes und Besitzes desselben nicht gestraft werden könne.

Rechtliche Beurteilung

Dieser Einwand trifft nicht zu.

Nach § 1 Abs. 1 SuchtgiftG sind Suchtgifte im Sinne dieses Bundesgesetzes (alle) Stoffe und Zubereitungen, die durch die Einzige Suchtgiftkonvention (Bundesgesetzblatt 531/1978), Beschränkungen hinsichtlich der Erzeugung (Gewinnung und Herstellung), des Besitzes, Verkehrs, der Ein-, Aus- und Durchfuhr, der Gebarung oder Anwendung unterworfen sind. Hiezu zählt nicht nur das im Anhang II der Einzigen Suchtgiftkonvention ausdrücklich als Suchtgift bezeichnete Codein, sondern nach deren Anhang III u.a. auch die Zubereitungen von Codein, zu denen das Paracodin gehört (siehe dazu Kisser, aaO). Denn entgegen dem Beschwerdevorbringen sind unter den gesetzlich als Suchtgift zu beurteilenden Stoffen im Anhang III der Suchtgiftverordnung 1979 (BGBl. 390/1979) auch die pharmazeutischen Zubereitungen von Codein angeführt, die je Einzeldosis nicht mehr als 100 mg Suchtgift oder 2,5 % in unaufgeteilten Zubereitungen enthalten, wogegen die Zubereitungen mit höherer Suchtgiftkonzentration sowie Codein (3-0-Methylmorphin) selbst in deren Anhang II aufscheinen.

Dem Erstgericht ist somit kein Rechtsirrtum unterlaufen, wenn es das Paracodein (Paracodin), dessen unberechtigten, also ohne medizinische Notwendigkeit (5 Os 496/54) erfolgten Erwerb und Besitz der Beschwerdeführer nicht in Abrede stellte, zu den Suchtgiften zählte und den Beschwerdeführer insoweit des (vollendeten) Vergehens nach § 9 Abs. 2 Z 1 SuchtgiftG schuldig erkannte.

Mit dem weiteren, gleichfalls auf § 281 Abs. 1 Z 9

lit. a StPO gestützten Einwand, es sei sein Versuch, Suchtgift durch Einbruch in die Apotheke zu erwerben, nicht gesondert (nach dem SuchtgiftG) strafbar, weil der Unrechtsgehalt dieses Verhaltens durch die Bestrafung wegen des Einbruchsversuches abgegolten sei, wird der Sache nach der Nichtigkeitsgrund nach Z 10 des § 281 Abs. 1 StPO geltend gemacht, weil damit nur der Wegfall der in Idealkonkurrenz zum Diebstahlsversuch zu ahndenden Tat auch als versuchtes (§ 15 StGB) Vergehen nach § 9 Abs. 1 Z 2 SuchtgiftG (a.F.) angestrebt wird. Es kann dem Beschwerdeführer aber auch hier nicht gefolgt werden.

Eine (seinem Einwand nach nicht beachtete) Konsumtion der beiden Delikte läge nämlich nur dann vor, wenn eine wertabwägende Auslegung der formell erfüllten zwei Tatbestände zeigen würde, daß durch die Unterstellung der Tat unter den einen Tatbestand der deliktische Gesamtunwert des zu beurteilenden Sachverhaltes bereits für sich allein abgegolten ist. Das trifft zwar bei der sogenannten typischen Begleittat zu, worunter im wesentlichen ein solches Delikt verstanden wird, das regelmäßig mit der Begehung eines anderen Delikts verbunden ist, wobei die 'Begleit'-

tat im Vergleich zur 'Haupt'-tat einen wesentlich geringeren Unrechtsgehalt aufweist (wie etwa die mit einem Einbruch zusammentreffende Sachbeschädigung), sodaß sie dieser gegenüber nicht ins Gewicht fällt und insoweit kein Strafbedürfnis besteht (Leukauf-Steininger2, StGB, § 28, RN 45, 46). Diese Voraussetzungen liegen jedoch hier nicht vor. Das Suchtgiftdelikt stellt - selbst dann, wenn ein Einbruch in eine Apotheke verübt wird - keine typische Begleiterscheinung eines Einbruchsdiebstahls dar; der Unrechtsgehalt der Tat wäre nur unvollständig erfaßt, wollte man bloß den Einbruchsversuch, nicht aber auch den damit versuchten unbefugten Erwerb von Suchtgiften in Verfolgung ziehen. Dem Erstgericht ist daher auch insoweit ein Rechtsirrtum nicht unterlaufen, weshalb die Nichtigkeitsbeschwerde auch in diesem Punkt zu verwerfen war.

Das Erstgericht verurteilte den Angeklagten nach §§ 28, 129 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 15 Monaten.

Es nahm bei der Strafbemessung die zahlreichen, über die Rückfallsqualifikation des § 39 StGB hinausgehenden Vorstrafen, den überaus raschen Rückfall und das Zusammentreffen von mehreren strafbaren Handlungen als erschwerend, das Geständnis, eine gewisse Enthemmung bei Begehung der unter Punkt A) und C) des Schuldspruches angeführten Taten und den Umstand, daß es bei diesen beim Versuch geblieben ist, als mildernd an.

Mit seiner Berufung strebt der Angeklagte eine Herabsetzung des Strafmaßes und die Unterbringung in einer Anstalt gemäß § 22 Abs. 1 StGB an, welche vom Erstgericht als aussichtslos abgelehnt worden war.

Die Berufung ist hinsichtlich des letzteren Begehrens (schon deswegen) unzulässig, da sie zum Nachteil des Angeklagten ausgeführt ist (vgl. EvBl. 1977/117).

Sie ist im übrigen nicht begründet.

Das Erstgericht hat die Strafzumessungsgründe im wesentlichen richtig und vollständig festgestellt und auch entsprechend gewürdigt. Dem Umstand, daß der Angeklagte beim Einbruchsdiebstahl infolge seines vorangegangenen Suchtgiftkonsums enthemmt war, hat es inhaltlich der Entscheidungsgründe ohnedies Rechnung getragen. Die über den Angeklagten verhängte Freiheitsstrafe entspricht seinem Verschulden, sie ist auch sonst tätergerecht. Zu ihrer Herabsetzung besteht demnach kein Anlaß.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte