OGH 12Os152/80

OGH12Os152/806.11.1980

Der Oberste Gerichtshof hat am 6. November 1980 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Breycha, in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller, Dr. Kral, Dr. Friedrich und Dr. Lachner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Brandhuber als Schriftführer in der Strafsache gegen Günther A und Ingrid B wegen des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die von dem Angeklagten Günther A gegen das Urteil des Geschwornengerichtes beim Landesgericht für Strafsachen Wien vom 20. Juni 1980, GZ. 20 i Vr 9712/79-80, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung, die von der Angeklagten Ingrid B erhobene Berufung und die von der Staatsanwaltschaft Wien erhobene Berufung gegen obiges Urteil hinsichtlich beider Angeklagten nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller, der Ausführungen des Verteidigers des Angeklagten Günther A, Rechtsanwalt Dr. Josef Wegrostek, der Ausführungen des Verteidigers der Angeklagten Ingrid B, Rechtsanwalt DDr. Peter Stern und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Tschulik zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Den Berufungen wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen den Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde u.a. der am 12. Mai 1959 geborene beschäftigungslose Günther A auf Grund des Wahrspruchs der Geschwornen, welche in Ansehung dieses Angeklagten die im Sinne der Anklage gestellten Hauptfragen I und III (jeweils stimmeneinhellig) bejaht hatten, der Verbrechen des Mordes nach dem § 75 StGB (Punkt 1. des Urteilssatzes) und des schweren Raubes nach den §§ 142 Abs. 1, 143 erster und zweiter Anwendungsfall StGB (Punkt 2. des Urteilssatzes) schuldig erkannt. Ihm liegt zur Last, am 6. November 1979 in Wien zu 1.: den Franz C durch mehrere Stiche mit einem Messer mit fixierbarer, ca. 20 mm breiter Klinge gegen Hals, Brust und Bauch vorsätzlich getötet und zu 2.: in Gesellschaft der Mitangeklagten Ingrid B als Beteiligte (§ 12 StGB) dem Franz C mit Gewalt gegen seine Person und unter Verwendung einer Waffe, nämlich dadurch, daß er sich mit Ingrid B nach Verabredung in dessen Wohnung begab und mit dem zu 1. bezeichneten Messer gegen dessen Hals, Brust und Bauch mehrere Stiche führte, eine Brieftasche mit 1.200,-- S Bargeld, sowie 30 Gramm Heroin im Wert von ca. 60.000,-- S mit dem Vorsatz weggenommen zu haben, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern.

Der Angeklagte Günther A bekämpft das Urteil mit einer allein auf den Nichtigkeitsgrund des § 345 Abs. 1 Z 6 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, in der er - der Sache nach (nur) in Bekämpfung seines Schuldspruchs wegen Mordes - rügt, daß den Geschwornen zu Unrecht keine Eventualfrage in Richtung des § 76 StGB gestellt worden sei, obwohl eine derartige Fragestellung im Hinblick darauf, daß das Mordopfer ihn zunächst süchtig gemacht, seine Sucht ausgenützt und, als er keinerlei Mittel zum Ankauf von Heroin gehabt habe, vorgeschlagen habe, ihm seine Freundin (die Mitangeklagte Ingrid B) zum Geschlechtsverkehr zur Verfügung zu stellen, indiziert gewesen sei.

Rechtliche Beurteilung

Die Beschwerde versagt.

Nach dem § 314 Abs. 1 StPO erfordert die Stellung einer - den Geschwornen bezüglich des in Betracht kommenden Tatbestandes eine Alternative zur Hauptfrage bietenden, ihnen also die Annahme eines anderen Tatbestandes ermöglichenden - Eventualfrage, daß in der Hauptverhandlung Tatsachen vorgebracht werden, nach denen - wenn sie als erwiesen angenommen werden - die dem Angeklagten zur Last gelegte Tat unter ein anderes (nicht strengeres) Strafgesetz als das in der Anklageschrift angeführte fiele.

Eine Eventualfrage in Richtung des Verbrechens des Totschlags nach dem § 76 StGB wäre demnach nur zu stellen gewesen, wenn im Beweisverfahren Umstände hervorgekommen wären, durch welche die Annahme solcher Tatsachen in den näheren Bereich der Möglichkeit gerückt worden wären.

Diese Voraussetzungen lagen hier aber nicht vor: Durch die Verfahrensergebnisse war zwar indiziert, daß sich der Angeklagte Günther A zur Tatzeit im Hinblick auf die durch seine Drogenabhängigkeit bedingten Entzugserscheinungen im Zustand einer heftigen Gemütsbewegung befunden haben könnte (vgl. Band II, S 225, 245, Band III, S 36

d. A). Es wurden jedoch keine konkreten Tatumstände behauptet, die, wenn sie als erwiesen angenommen worden wären, den tiefgreifenden Affekt, in welchem sich der Beschwerdeführer möglicherweise zur Tötung des Franz C hinreißen ließ, allgemein begreiflich erscheinen ließen (vgl.

11 Os 108/76). Nach der ständigen Rechtsprechung des Obersten

Gerichtshofes (vgl. SSt 46/49 = LSK 1975/186; EvBl.

1976/119 = LSK 1975/119 ua), der auch in der von der Beschwerde

zitierten Literaturstelle keineswegs entgegengetreten wird, ist nämlich nur eine solche Gemütsbewegung zu berücksichtigen, die im Verhältnis zu ihrem Anlaß allgemein, dh für einen Durchschnittsmenschen - als objektiver Maßstab - in dem Sinn verständlich ist, daß sich dieser vorstellen kann, auch er geriete unter den gegebenen besonderen Umständen in eine solche Gemütsverfassung. Zu verneinen ist die allgemeine Begreiflichkeit einer Gemütsbewegung, wenn deren Ursachen nicht bloß in äußeren Umständen, sondern im Charakter des Täters oder in dessen verwerflichen Neigungen und Leidenschaften - wie etwa hier in der Folge eines Suchtgiftmißbrauches - liegen.

Beide Angeklagte wurden nach ihrer übereinstimmenden Verantwortung nicht von Franz C, sondern von dessen Bruder Fritz C (und anderen Bekannten) zur Heroinsucht verleitet (vgl. Band III, S 7, 22 d.A). Nach der Darstellung des Beschwerdeführers war es zwar einmal zwischen ihm und Franz C zu einer Auseinandersetzung gekommen, als jener an ihn das Ansinnen stellte, als Gegenleistung für die Überlassung von Heroin mit der Mitangeklagten Ingrid B geschlechtlich verkehren zu dürfen (vgl. Band III, S 10 d.A). Der Angeklagte A behauptete aber nie, daß dieser Vorfall das Motiv seiner späteren Tat gewesen sei, sondern verantwortete sich vielmehr dahin, daß er sich (zunächst ohne Tötungsvorsatz) in die Wohnung des Franz C begeben habe, um - wenn nötig, mit Gewalt - in den Besitz von Heroin zu gelangen, und dort sodann den Franz C wegen seiner Weigerung, ihm das Suchtgift unentgeltlich zu überlassen, vorsätzlich getötet habe (vgl. Band III, S 16 f d.A). Dem Beschwerdeführer, der sonach aus einem verwerflichen Beweggrund und zu einem verwerflichen Zweck - nämlich sich unter Gewaltanwendung Suchtgift zu verschaffen - handelte, könnte daher auch bei Zugrundelegung seiner eigenen Angaben eine allgemein begreifliche Gemütserregung nicht zugebilligt werden (vgl. LSK 1977/96), sodaß für eine Fragestellung in Richtung des Verbrechens des Totschlags nach dem § 76 StGB kein Anlaß bestand.

Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Günther A war sohin als unbegründet zu verwerfen.

Das Geschwornengericht verurteilte die Angeklagten, und zwar Günther A nach §§ 28, 75 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 13 Jahren, Ingrid B nach § 143 StGB höchster Strafsatz unter Anwendung des § 41 Abs. 1 Z 1 StGB zu einer solchen in der Dauer von acht Jahren. Bei der Strafzumessung nahm es bei Günther A als erschwerend die Begehung zweier Verbrechen verschiedener Art, die zweifache Eignung der Tat beim Raube nach dem höheren Strafsatz und den Umstand an, daß er bereits dreimal wegen verschiedener Eigentumsdelikte verurteilt worden ist; als mildernd wertete es hingegen das reumütige Geständnis, welches wesentlich zur Wahrheitsfindung beigetragen hat, die Begehung der Taten nach Vollendung des 18., jedoch vor Vollendung des 21. Lebensjahres sowie deren Begehung unter dem Einfluß einer abnormen seelischen Verfassung, die teilweise objektive Schadensgutmachung durch Sicherstellung der Raubbeute sowie das provokante und ausbeuterische Verhalten des Opfers, das erheblich zur Tatbegehung beigetragen hat. Bei Ingrid B war erschwerend die dreifache Eignung ihrer Tat zum Verbrechen des schweren Raubes, mildernd hingegen das zur Wahrheitsfindung beitragende reumütige Geständnis, der bisher ordentliche Lebenswandel, der zur Straftat im auffallenden Widerspruch stand, die teilweise objektive Schadensgutmachung sowie die Umstände, daß sie ihre Straftat nicht nur unter der Abhängigkeit des Erstangeklagten, sondern auch unter Einfluß einer abnormen seelischen Verfassung begangen hat.

Den Strafausspruch bekämpfen beide Angeklagte wie auch die Anklagebehörde mit Berufungen, wobei erstere Strafminderung, die Staatsanwaltschaft hingegen Erhöhung der Freiheitsstrafen, bei der Zweitangeklagten Ingrid B überdies unter Ausschaltung der außerordentlichen Strafmilderung nach § 41 StGB begehren. Keinen der Berufungen kommt Berechtigung zu.

Das Erstgericht hat die vorliegenden Strafzumessungsgründe im wesentlichen richtig angeführt, aber auch zutreffend gewürdigt. Weder die Berufungen der Angeklagten noch jene der Staatsanwaltschaft vermögen ins Gewicht fallende Gründe darzulegen, welche ihre Zielsetzungen rechtfertigen könnten.

Die eher an der Untergrenze orientierte Freiheitsstrafe des Erstangeklagten erscheint, selbst wenn man die Verleitung der Mitangeklagten Ingrid B zum Raub (und nicht etwa zur Mordtat) noch zusätzlich als erschwerend werten wollte, durch die besonderen Umstände der Tat gerechtfertigt. Gleiches gilt auch für die Anwendung der außerordentlichen Strafmilderung bei Ingrid B, da bei dieser Angeklagten die Milderungsgründe nicht nur der Zahl, sondern auch dem Gewichte nach überwiegen und infolge der bisherigen Unbescholtenheit die begründete Aussicht besteht, daß eine die Untergrenze (nicht allzusehr) unterschreitende Freiheitsstrafe den Strafzweck erfüllen kann, wobei auch dem Unrechtsgehalt der Straftat, der Täterpersönlichkeit und allen spezialpräventiven Erfordernissen, wie auch jener des § 32 StGB gerecht getan wird. Eine weitere Herabsetzung ihrer Freiheitsstrafe, wie dies von beiden Angeklagten begehrt wird, ist aber gleichfalls nicht vertretbar, da gegen eine solche Maßnahme nicht nur die unmenschliche Begehung der Tat, beim Erstangeklagten im übrigen auch sein getrübtes Vorleben, bei beiden aber insbesonders die charakterliche Labilität und damit spezialpräventive Gründe gegen eine Reduktion des Strafausmaßes sprechen.

Umgekehrt bedarf es aber auch keiner Erhöhung der verhängten Freiheitsstrafen - wie dies die Anklagebehörde anstrebt -, da insbesonders die Person des Opfers und auch das Milieu in einer Art gestaltet sind, daß eine Erhöhung der Freiheitsstrafen weder aus spzezialnoch aus generalpräventiven Gründen gerechtfertigt wäre. Es war demgemäß spruchgemäß zu entscheiden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390 a StPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte