OGH 9Os120/80

OGH9Os120/8014.10.1980

Der Oberste Gerichtshof hat am 14. Oktober 1980

unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Obauer und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Faseth, Dr. Steininger, Dr. Horak und Dr. Reisenleitner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Hausenberger als Schriftführerin in der Strafsache gegen Reinhard Wolfgang A und andere wegen des Verbrechens des versuchten schweren Raubes nach §§ 15, 142 Abs. 1, 143, erster Fall, StGB über die Nichtigkeitsbeschwerden und Berufungen der Angeklagten Reinhard Wolfgang A und Franz Josef B sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Geschwornengerichtes beim Landesgericht Innsbruck vom 14. Mai 1980, GZ. 20 Vr 3000/79-49, nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Faseth, nach Verlesung der Rechtsmittelschrift des Angeklagten A und nach Anhörung der Ausführungen des Verteidigers Dr. Adam sowie der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Stöger, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden verworfen.

Aus Anlaß dieser Nichtigkeitsbeschwerden wird gemäß § 290 Abs. 1 StPO das angefochtene Urteil in seinem Ausspruch über die Anrechnung der Vorhaft dahin ergänzt, daß dem Angeklagten Franz Josef B auch die in Untersuchungshaft zugebrachte Zeit vom 20. September 1979, 4 Uhr 30, bis zum 12. Februar 1980, 12 Uhr, gemäß § 38 Abs. 1 Z 1 StGB auf die über ihn verhängte Freiheitsstrafe angerechnet wird.

Den Berufungen wird keine Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen den Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden der am 2. März 1960 geborene Reinhard Wolfgang A und der am 29. Juli 1957 geborene Franz Josef B auf Grund des Wahrspruches der Geschwornen des Verbrechens des versuchten schweren Raubes nach §§ 15, 142 Abs. 1, 143, erster Fall, StGB schuldig erkannt. Ihnen liegt zur Last, am 1. September 1979 in Innsbruck in Gesellschaft als Beteiligte (§ 12 StGB) mit Gewalt gegen eine Person und durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (§ 89 StGB) dem Walter C eine fremde bewegliche Sache, nämlich Bargeld, mit dem Vorsatz, sich oder einen Dritten durch die Sachzueignung unrechtmäßig zu bereichern, dadurch wegzunehmen und abzunötigen versucht zu haben, daß Reinhard Wolfgang A den Walter C festhielt und nach seiner Geldtasche abtastete, während Franz Josef B Aufpasserdienste leistete. Reinhard Wolfgang A überdies dem Walter C einen Schlag ins Gesicht versetzte, wodurch dieser einen Bluterguß am rechten Auge erlitt, und beide Angeklagte vom Genannten unter Androhung von Schlägen die Herausgabe seines Geldes verlangten.

Die Geschwornen hatten die an sie - anklagekonform und für beide Angeklagte gesondert - nach dem Verbrechen des versuchten schweren Raubes nach §§ 15, 142 Abs. 1, 143, erster Fall, StGB gerichteten Hauptfragen (Fragen Nr. 1. und 2. des Fragenschemas) jeweils stimmeneinhellig bejaht. Weitere (Eventual- oder Zusatz-)Fragen wurden nicht gestellt. Den in der Hauptverhandlung durch die Verteidiger der beiden Angeklagten gestellten Antrag, das zur Beantwortung durch die Geschwornen bestimmte Fragenschema durch Aufnahme einer Zusatzfrage in Richtung des Strafaufhebungsgrundes des Rücktritts vom Versuch (§ 16 Abs. 1 StGB) zu ergänzen, wies der Schwurgerichtshof laut dem in der Hauptverhandlung verkündeten Zwischenerkenntnis mit der Begründung ab, eine solche Zusatzfrage sei weder durch die Verantwortung der beiden Angeklagten noch durch die sonstigen Verfahrensergebnisse indiziert (S 339 c und d d.A).

Die beiden Angeklagten bekämpfen dieses Urteil mit getrennt ausgeführten Nichtigkeitsbeschwerden, mit denen sie jeweils unter Geltendmachung des Nichtigkeitsgrundes der Z 6 des § 345 Abs. 1 StPO der Sache nach eine Verletzung der Vorschrift des § 313 StPO behaupten, weil es der Schwurgerichtshof - entgegen ihrem Antrag - unterlassen habe, an die Geschwornen eine nach Auffassung der Beschwerdeführer auf Grund des Tatsachenvorbringens in der Hauptverhandlung gebotene Zusatzfrage nach dem Strafaufhebungsgrund des Rücktritts vom Versuch zu stellen.

Rechtliche Beurteilung

Dieser Vorwurf besteht nicht zu Recht.

Gemäß § 313 StPO ist eine Zusatzfrage (nur) zu stellen, wenn in der Hauptverhandlung Tatsachen vorgebracht werden, die - wenn sie als erwiesen angenommen werden -

die Strafbarkeit ausschließen oder - wie dies bei einem Rücktritt vom Versuch nach § 16 Abs. 1 StGB der Fall wäre - aufheben würden. Im Gegensatz zu ihrer geständigen Verantwortung vor der Polizei, bei der die beiden Angeklagten ein auf Wegnahme oder Abnötigung des vom Raubopfer mitgeführten Geldes gerichtetes Vorhaben (unter Anwendung der Mittel der Gewalt und der Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben) keineswegs in Abrede stellten (vgl. S 21 und 25/26 d. A), behaupteten die Angeklagten vor dem Untersuchungsrichter (ON 5 und ON 6 d.A) und dann auch in der Hauptverhandlung, bei dem verfahrensgegenständlichen Vorfall am 1. September 1979 die Wegnahme oder Abnötigung des Geldes ernstlich gar nicht angestrebt zu haben (S 227; 229, 330, 331 und 333 d.A).

Bei diesem Tatsachenvorbringen der Angeklagten in der Hauptverhandlung war eine Zusatzfrage nach einem - zufolge ihrer vorerwähnten Darstellung gar nicht aktuellen - (strafaufhebenden) Rücktritt vom Versuch im Sinne des § 16

StGB von vorneherein nicht geboten. Anders als der Angeklagte A, der in seiner Beschwerde ein eine solche Zusatzfrage rechtfertigendes Vorbringen der Angeklagten und ihres Opfers gar nicht behauptet, sondern sich diesbezüglich lediglich auf spekulative Überlegungen darüber beruft, daß nur freiwilliger Rücktritt vom Versuch der Grund für das Unterbleiben des den Angeklagten an sich möglichen Raubes gewesen sein könne, verweist in diesem Belang der Angeklagte B in seiner Nichtigkeitsbeschwerde auf einzelne Passagen in der Aussage des Zeugen Walter C in der Hauptverhandlung, die er jedoch aus ihrem Zusammenhang reißt; denn es kann die Angabe des Genannten, B habe im Zuge des Vorfalls in der Toilettenanlage des Innsbrucker Hauptbahnhofs am 1. September 1979 seinen Komplizen A aufgefordert, ihn loszulassen (S 335 d.A) bzw. gehen zu lassen (S 336 d.A), nur im Zusammenhalt mit seinen weiteren Ausführungen in der Hauptverhandlung verstanden werden. In diesen aber bekundete er in Übereinstimmung mit seiner Darstellung vor der Polizei (S 16 d.A) und dem Untersuchungsrichter (S 100 d.A), er habe (nachdem bei dem Überfall auf ihn in der Toilettenanlage des Innsbrucker Hauptbahnhofs der weitere, in seiner hinteren Hosentasche verwahrte Geldbetrag von 200 bis 300 S unentdeckt geblieben sei /vgl. S 335, 336 d.A/), den beiden Angeklagten noch in der Toilettenanlage (um sich eine Fluchtgelegenheit zu verschaffen) vorgetäuscht, daß er in seinem vor dem Hauptbahnhof abgestellten PKW Geld verwahrt habe, und sie aufgefordert, ihm (deshalb) zu dem Fahrzeug zu folgen. Dieser Aufforderung seien die beiden Angeklagten nachgekommen, worauf er sich vor der Bahnhofshalle an dort wartende Taxichauffeure gewendet habe und auf diese Weise beiden Angeklagten entkommen sei. Dabei sei er auf dem Weg ins Freie, noch in der Bahnhofshalle, vom Angeklagten B mit den Worten bedroht worden, er solle sich 'nichts einfallen lassen' (S 337 oben d.A). Diese Schilderung des Tatgeschehens, die im übrigen auch mit der Darstellung des Angeklagten A vor der Polizei insoweit im Einklang steht, als dieser damals bekundete, er habe C aufgefordert zu verschwinden und auch B habe bei dieser Gelegenheit geäußert, er (A) solle C in Ruhe lassen (S 25/26 d.A), nachdem er (schließlich) die Überzeugung gewonnen hatte, daß C - außer dem vorgewiesenen Kleingeld, an dem er nicht interessiert gewesen sei - keinen (weiteren, ins Gewicht fallenden) Geldbetrag bei sich habe, zeigt deutlich, daß aus dieser Äußerung des Angeklagten B ein auf freiwillige Verhinderung der Tatausführung oder freiwillige Erfolgsabwendung gerichtetes Vorhaben des Genannten, wie dies - hier - im Falle der Tatbeteiligung mehrerer für einen strafbefreienden Rücktritt vom Versuch nach § 16 Abs. 1 StGB erforderlich wäre, nicht abgeleitet werden kann. Kommt doch dieser Strafaufhebungsgrund nicht in Betracht, wenn der Täter nur deshalb von der Tatvollendung Abstand nimmt, weil er - wenn auch bloß irrtümlich - meint, das Raubopfer führe (zufällig) keinen - entsprechenden, von ihm als Beute angestrebten - Geldbetrag mit sich; denn er hält in einem solchen Fall (subjektiv) sein Ziel nicht mehr für erreichbar, sodaß es an dem für den Strafaufhebungsgrund des Rücktritts vom Versuch nach § 16 StGB wesentlichen Moment der Freiwilligkeit mangelt, das ein Handeln des Täters unter der Vorstellung voraussetzt, eine seinem Tatplan entsprechende Tatvollendung sei an sich noch möglich (vgl. ÖJZ-LSK 1975/ 163; 1977/290 u.a.m.).

Im übrigen ist es, wenn - so wie im vorliegenden Fall - mehrere an der Tat beteiligt sind, zur Erlangung der Straffreiheit für jeden einzelnen aus dem Titel des freiwilligen Rücktritts vom Versuch nach § 16 Abs. 1

StGB nicht ausreichend, daß er bloß seine eigene Mitwirkung an der Tat freiwillig aufgibt. Er muß vielmehr verhindern, daß die Straftat durch den (oder die) anderen Tatbeteiligten vollendet wird. Die bloße - von den übrigen Tatbeteiligten unbeachtet gebliebene - Aufforderung zur Abstandnahme von der weiteren Tatausführung wäre zu wenig (Leukauf-Steininger, Komm. z. StGB2, RN 12 zu § 16). Zusammenfassend läßt sich sohin entgegen der von den beiden Beschwerdeführern vertretenen Auffassung weder aus ihrer Verantwortung in der Hauptverhandlung noch aus den sonstigen, dort gewonnenen Verfahrensergebnissen, so insbesondere auch nicht aus der Aussage des Zeugen Walter C, ein Tatsachenvorbringen erkennen, das geeignet wäre, die Annahme des Strafaufhebungsgrundes des Rücktritts vom Versuch nach § 16 Abs. 1 StGB auch nur bei einem der Angeklagten in den Bereich naher Möglichkeit zu rücken, sodaß der Schwurgerichtshof ohne Verletzung der Bestimmung des § 313 StPO von einer Fragestellung nach dem vorerwähnten Strafaufhebungsgrund Abstand nehmen konnte.

Die unbegründeten Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten Reinhard Wolfgang A und Franz Josef B waren sohin zu verwerfen. Aus Anlaß dieser Nichtigkeitsbeschwerden war jedoch gemäß §§ 290 Abs. 1, 344 StPO von Amts wegen wahrzunehmen, daß das Ersturteil hinsichtlich des Angeklagten Franz Josef B insofern mit dem von ihm ungerügt gebliebenen, sich zu seinem Nachteil auswirkenden materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrund der Z 13 des § 345 Abs. 1 StPO behaftet ist, als entgegen der Bestimmung des § 38 Abs. 1 Z 1 StGB nur die von ihm in verwaltungsbehördlicher Verwahrungshaft und in Untersuchungshaft zugebrachte Zeit vom 1. September 1979, 4 Uhr 30, bis zum 20. September 1979, 4 Uhr 30, nicht aber die weitere, bis zu seiner Übernahme in Strafhaft (zwecks Vollzuges der Ersatzfreiheitsstrafe für eine uneinbringliche, in einem anderen Verfahren verhängte Geldstrafe) am 12. Februar 1980, 12 Uhr, in Untersuchungshaft zugebrachte Zeit auf die über ihn verhängte Freiheitsstrafe angerechnet wurde (vgl. ON 41, 42 und 43 d. A in Verbindung mit P. 4 der Strafregisterauskunft S 11 d.A). Vom Obersten Gerichtshof war daher der den Angeklagten Franz Josef B betreffende Ausspruch im Ersturteil über die Anrechnung der Vorhaft dahin zu ergänzen, daß auch die von diesem Angeklagten in Untersuchungshaft zugebrachte Zeit vom 20. September 1979, 4 Uhr 30, bis zum 12. Feber 1980, 12 Uhr, gemäß § 38 Abs. 1 Z 1 StGB auf die über ihn verhängte Freiheitsstrafe angerechnet wird.

Das Geschwornengericht verhängte nach dem ersten Strafsatz des § 143 StGB unter Anwendung des § 41 StGB über die Angeklagten A und B Freiheitsstrafen von drei bzw. von 1 1/2 Jahren.

Es nahm bei A die einschlägigen Vorstrafen, die Verletzung des Opfers, seine Führungsrolle bei der Tat und die Wiederholung der Drohungen als erschwerend, sein Alter unter 21 Jahren, den Umstand, daß es beim Versuch geblieben ist, sein Geständnis vor der Polizei, eine geringfügige Beeinträchtigung der Zurechnungsfähigkeit und eine gewisse Verwahrlosung in der Erziehung hingegen als mildernd an. Bei B wertete es die einschlägigen Vorstrafen und die Wiederholung der Drohungen als erschwerend, das Geständnis vor der Polizei, den Umstand, daß es beim Versuch geblieben ist, und eine verminderte Zurechnungsfähigkeit zur Tatzeit dagegen als mildernd. Mit ihren Berufungen streben die Angeklagten eine Herabsetzung der über sie verhängten Strafen an. Die Staatsanwaltschaft begehrt eine Erhöhung des Strafmaßes.

Den Berufungen kommt keine Berechtigung zu.

Das Geschwornengericht hat die Strafzumessungsgründe im wesentlichen richtig und vollständig erkannt und auch zutreffend gewürdigt. Die Anwendung des außerordentlichen Strafmilderung ist vorliegend mit Rücksicht auf das Überwiegen der Milderungsumstände und die besonderen Gegebenheiten des Falles gerade noch vertretbar, zumal es hiebei nicht allein auf die im § 34 StGB aufgezählten besonderen Milderungsumstände ankommt, sondern auch der Unrechtsgehalt der Tat und alle sonst nach den allgemeinen Grundsätzen für die Strafbemessung bedeutsamen Momente zu berücksichtigen sind, welche die Tat gegebenenfalls doch noch als überdurchschnittlich leicht und weit unter der Norm liegend ausweisen, sodaß selbst die gesetzliche Mindeststrafe als überhöht angesehen werden mußte (ÖJZ-LSK 1979/338). Zu einer weiteren Strafermäßigung sah sich der Oberste Gerichtshof jedoch nicht veranlaßt, da die von den Angeklagten in ihren Berufungen angeführten mildernden Umstände bereits vom Geschwornengericht gebührend berücksichtigt wurden und das gefundene Strafmaß dem Verschulden der Angeklagten und dem von ihnen bewirkten Unrecht entspricht.

Es war daher allen Berufungen der Erfolg zu versagen. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogenen Gesetzesstelle.

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