OGH 10Os102/80

OGH10Os102/8014.10.1980

Der Oberste Gerichtshof hat am 14. Oktober 1980

unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Racek in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini, Dr. Friedrich, Dr. Hörburger und Dr. Lachner als Richter, sowie des Richteramtsanwärters Mag. Winter als Schriftführerin in der Strafsache gegen Gerald A und einen anderen wegen des Verbrechens des Menschenhandels nach §§ (12) 217 Abs. 1 StGB über die vom Angeklagten Gerhart Rolf B gegen das Urteil des Kreisgerichtes Steyr als Schöffengericht vom 9. April 1980, GZ. 7 a Vr 728/79-27, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Lachner, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Wilfried Plattner und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Tschulik, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 11. April 1943 geborene Autoverkäufer Gerhart Rolf B des Verbrechens des Menschenhandels nach § 2l7 Abs. 1 StGB als Beteiligter gemäß § 12 StGB schuldig erkannt, weil er im (Oktober/) November 1979 in der Schweiz und in Österreich zur Ausführung des von (dem bereits rechtskräftig Verurteilten) Gerald A verübten Verbrechens (des Menschenhandels) - begangen dadurch, daß jener die (beiden) haitischen Staatsangehörigen Marie Chantal C und Marie Kettly D vorsätzlich zur gewerbsmäßigen Unzucht in einem anderen Staat als in dem, dessen Staatsangehörigkeit sie besaßen oder in dem sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt hatten, anwarb und dieser Unzucht zuführte, indem er den Genannten einen gut bezahlten Beruf in Österreich in Aussicht stellte, ihnen zum Teil die Reisekosten vorstreckte, bei der Reise nach Österreich behilflich war und sie teilweise auf dieser Reise begleitete sowie anschließend im Bordell 'E' in F unterbrachte - beitrug, indem er mit seinem PKW Gerald A und Marie Chantal C von Tirol nach F sowie Gerald A und Marie Kettly D von Salzburg nach F zu dem bezeichneten Bordell beförderte und bei der Erläuterung der Bordellbestimmungen sowie teilweise auch sonst als Dolmetscher fungierte.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen diesen Schuldspruch gerichteten, auf § 281 Abs. 1 Z 8 und 9 lit. a (sowie lit. b) StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten kommt keine Berechtigung zu. Eine den Vorschriften der §§ 262, 263 und 267 StPO zuwiderlaufende Überschreitung der Anklage erblickt der Beschwerdeführer darin, daß das Erstgericht zwar nicht im Spruch des Urteils, wohl aber in dessen Gründen über das von der Anklagebegründung umfaßte Tatgeschehen hinausgehende Feststellungen getroffen habe, wenn es annahm, der Angeklagte habe das Einvernehmen mit Gerald A hinsichtlich seiner Beteiligung an dessen Tat (auch) schon vor dem Eintreffen der beiden Mädchen in Österreich hergestellt. Der Einwand geht schon deshalb fehl, weil sich die behauptete Nichtigkeit überhaupt nur in dem im Urteilssatz enthaltenen Schuldspruch, keinesfalls aber bloß in den Entscheidungsgründen manifestieren kann (vgl. 11 Os 13/79). Außerdem bildet den Gegenstand der Anklage jeweils die Beteiligung des Angeklagten an einem bestimmten (in der Anklagebegründung erzählten) Ereignis - vorliegend an dem gesamten Komplex jener Einflußnahme und unterstützenden Förderung, durch welche Marie Chantal C und Marie Kettly D der gewerblichen Unzucht in Österreich zugeführt wurden -, das vom erkennenden Gericht entsprechend dem Grundsatz der Erforschung der materiellen Wahrheit (§§ 3, 232, 254 StPO) von Amts wegen mit Bedacht auf seine sämtlichen bedeutsamen Begleitumstände nach allen rechtlich relevanten Richtungen zu untersuchen und zu beurteilen ist, weshalb es bei seinen Sachverhaltsfeststellungen über das von der Anklagebehörde behauptete strafgesetzwidrige Geschehen zwar an dem betreffenden Ereignis (als solchen) festhalten muß, in bezug auf die Modalitäten der strafbaren Handlung aber durchaus zu abweichenden Konstatierungen gelangen kann (vgl. ÖJZ-LSK 1977/118; SSt 39/35 uva). Letztlich kommt - wie im Rahmen der Rechtsrüge näher darzulegen sein wird - den unter dem obigen Aspekt vom Beschwerdeführer gerügten (erweiterten) Feststellungen des Urteils, dessen Spruch sich in tatsachenmäßiger Beziehung ohnedies mit dem Anklagetenor (fast völlig) deckt, keine entscheidungswesentliche Bedeutung zu.

Die Beschwerdeausführungen zur Z 9 lit. a des § 281 Abs. 1 StPO negieren ein deliktisches Verhalten (Zuführen im Sinne des § 217 Abs. 1 StGB) mit der Argumentation, der Angeklagte sei - ausgehend von seinem im Urteilsspruch (Pkt. 2) umschriebenen Verhalten - erst tätig geworden, als sich die (beiden) Frauen bereits in Österreich in der Absicht aufhielten, hier zu bleiben und der gewerbsmäßigen Unzucht nachzugehen.

Als nicht prozeßordnungsgemäß dargestellt erweist sich diese Rechtsrüge soweit sie nicht am gesamten seitens des Erstgerichts festgestellten Sachverhalt festhält, sondern auf die zur Z 8 des § 281 Abs. 1 StPO vorgetragenen Einwendungen zurückgreift und die dort behauptete Überschreitung der Anklage nunmehr auf dem Umweg über die Z 9

lit. a zum Tragen zu bringen sucht.

Im übrigen verkennt der Beschwerdeführer, daß das dem (bereits rechtskräftig Verurteilten) Gerald A (als unmittelbarem Täter) angelastete Verbrechen des Menschenhandels nach § 217 Abs. 1 StGB erst mit dem Beginn der gewerbsmäßigen Unzuchtshandlungen in Österreich, zu denen die Frauen durch die tatbestandlichen Mittel veranlaßt wurden, vollendet ist (vgl. Pallin im Wiener Kommentar zum StGB, RZ 8 zu § 217 StGB). Sonach ist es rechtlich ohne Belang, ob der Angeklagte (bloß) das im Urteilsspruch (Pkt. 2) umschriebene Verhalten allein gesetzt hat, oder außerdem schon vor dem Eintreffen der Mädchen in Österreich von A in den gesamten Tatplan eingeweiht worden war, diesem seine Unterstützung zugesagt und sich bereits zu diesem Zeitpunkt durch einen Telefonanruf im Bordell 'E' vergewissert hatte, ob für neuankommende Prostituierte Zimmer frei wären (vgl. S 185 f, 195 ff). Da sowohl Mittäterschaft - sogenannte 'sukzessive Mittäterschaft' (vgl. Leukauf-Steininger2 RN 12 zu § 12 StGB) -

als auch ein 'sonstiger Tatbeitrag' im Sinne der dritten Alternative des § 12 StGB, worunter jede, auch die geringste Hilfe zu verstehen ist, welche die Tat - wie vorliegend die dem Angeklagten B (inhaltlich des Urteilsspruchs) angelastete Beistellung einer Fahrgelegenheit und Leistung von Übersetzerdiensten (im Bordell) - (nur irgendwie) fördert und bis zu ihrer Vollendung wirksam bleibt (ÖJZ-LSK 1977/87, EvBl. 1978/107; Leukauf-Steininger2 RN 36-39 zu § 12 StGB), bis zur Deliktsvollendung möglich sind, erfüllen schon die vom Beschwerdeführer (unmittelbar) nach dem Eintreffen der (haitischen) Frauen in Österreich im Einvernehmen mit Gerald A gesetzten - zugegebenermaßen auf gewerbsmäßige Unzucht abzielenden - Tathandlungen jedenfalls den Tatbestand nach § 217 Abs. 1 StGB; dies unabhängig davon, ob in dem Vorgehen des Beschwerdeführers rechtlich unmittelbare Ausführungshandlungen in bezug auf das Verbrechen des Menschenhandels nach der genannten Gesetzesstelle gesehen werden, oder es aber - sowie dies seitens des Erstgerichts geschah - 'zumindest' als sonstiger Tatbeitrag im Sinne der dritten Alternative des § 12 StGB zu diesem von Gerald A als unmittelbarem Täter begangenen Verbrechen, gewertet wird. Eines Nachweises, daß die dem letzteren geleistete Hilfe zur Vollendung der Tat notwendig war und deren Ausführung ohne diese unmöglich gewesen wäre, bedurfte es zur strafrechtlichen Zurechnung gemäß § 12 StGB (dem Beschwerdevorbringen zuwider) nicht.

Soweit der Beschwerdeführer schließlich mit Beziehung auf die 'Z 9' (gemeint: Z 9 lit. b) des § 281 Abs. 1 StPO einen schuldausschließenden Rechtsirrtum nach § 9 StGB für sich reklamiert, versagt dieser Einwand schon deshalb, weil der Unrechtscharakter der (grenzüberschreitenden) Förderung fremder Unzucht (als typisches Ausbeutungsdelikt - vgl. Leukauf-Steininger2 RN 6 zu § 217 StGB), welche in Österreich nicht erst seit Inkrafttreten des Strafgesetzbuchs kriminalisiert ist, zudem schon Gegenstand mehrerer internationaler Übereinkommen (zur Unterdrückung des Frauenhandels - vgl. Leukauf-Steininger2 RN 26 zu § 217 StGB) war und auch in zahlreichen Berichten (vorwiegend) der (Print-)Medien ihren Niederschlag gefunden hat, für jedermann leicht erkennbar ist, sodaß der vom Angeklagten, der wegen Verdachts der Zuhälterei (im Ausland) bereits in Erscheinung getreten ist (vgl. S 184, 219), behauptete Rechtsirrtum diesem - entsprechend der zutreffenden Beurteilung durch das Erstgericht - jedenfalls im Sinne des § 9 Abs. 2 StGB vorzuwerfen wäre.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Das Erstgericht verurteilte den Angeklagten nach dem ersten Strafsatz des § 217 Abs. 1 StGB zu sechs Monaten Freiheitsstrafe, die gemäß § 43 Abs. 1 StGB unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde. Bei der Strafzumessung wertete es die Wiederholung der Tat und die mit der weiten Entfernung vom Heimatort der Schutzobjekte verbundene weitgehende Entwurzelung als erschwerend, das Teilgeständnis und den Umstand, daß der Angeklagte nur als Beteiligter in Erscheinung getreten ist, dagegen als mildernd.

Mit der Berufung strebt der Angeklagte eine Strafermäßigung bzw. die Verhängung einer (gleichfalls bedingt nachzusehenden) Geldstrafe (§ 37 StGB) an; ihr kommt keine Berechtigung zu.

Weitere Milderungsgründe, die (zusammen mit den vom Schöffensenat im wesentlichen zutreffend angenommenen) eine Unterschreitung des (hier ausgesprochenen) gesetzlichen Mindestmaßes unter Anwendung des ao. Milderungsrechtes nach § 41 StGB gestatten würden, zeigt die Berufung mit den in diesem Zusammenhang ins Treffen geführten Umständen nach Ansicht des Obersten Gerichtshofes nicht auf. Die verhängte Strafe entspricht der tat- und persönlichkeitsbezogenen Schuld des Angeklagten (§ 32 StGB) und ist nicht überhöht; nach Lage des Falles kam auch die Verhängung einer (bedingten) Geldstrafe nicht in Betracht.

Der Berufung mußte daher ein Erfolg versagt bleiben.

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