OGH 12Os132/80

OGH12Os132/809.10.1980

Der Oberste Gerichtshof hat unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Breycha und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller, Dr. Kral, Dr. Steininger und Dr. Lachner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Köck als Schriftführer in der Strafsache gegen Johann A wegen des Verbrechens der Verleumdung nach §§ 12, 297 Abs. 1, zweiter Fall, StGB. nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 3.Juli 1980, GZ. 7 Vr 473/80-16, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das in seinem freisprechenden Teil unberührt bleibt, in seinem schuldigsprechenden Teil und demgemäß auch in seinem Strafausspruch aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 26.Jänner 1935 geborene Kaufmann Johann A des Verbrechens der Verleumdung nach §§ 12, 297 Abs. 1, zweiter Fall, StGB., schuldig erkannt. Ihm liegt nach dem Inhalt des Schuldspruchs zur Last, im November 1979 in Graz den Gendarmeriebeamten Josef B vorsätzlich dadurch der Gefahr einer behördlichen Verfolgung ausgesetzt zu haben, daß er den Rechtsanwalt Dr. Hans C zur Abfassung eines Schreibens an das Bundesministerium für Inneres mit der darin (unter anderem) enthaltenen Behauptung bestimmte, der vorgenannte Gendarmeriebeamte habe es am 10.November 1979 in Spielfeld abgelehnt, Kontrollen auch in anderen Geschäften durchzuführen, sohin solcherart diesen Gendarmeriebeamten einer von Amts wegen zu verfolgenden, mit einer ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe bedrohten Handlung, nämlich des Verbrechens des Mißbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 (Abs. 1) StGB. sowie der Verletzung seiner Amts- und Standespflichten fälschlich verdächtigte, wobei er wußte, daß diese Verdächtigung falsch war. Von dem weiteren Anklagevorwurf, den Gendarmeriebeamten Josef B auch noch durch andere, in dem vorerwähnten, an das Bundesministerium für Inneres gerichteten Schreiben enthaltene Behauptungen verleumdet zu haben, wurde der Angeklagte Johann A gemäß § 259 Z. 3 StPO. rechtskräftig freigesprochen.

Mit der gegen seinen Schuldspruch gerichteten und (ziffernmäßig) allein auf den Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs. 1 Z. 9 lit. a StPO. gestützten Nichtigkeitsbeschwerde bestreitet der Beschwerdeführer im wesentlichen die (objektive) Eignung der ihm als Verleumdung zur Last gelegten Mitteilung an das Bundesministerium für Inneres (derzufolge es der Gendarmeriebeamte Josef B abgelehnt habe, am 10. November 1979 in Spielfeld auch in anderen Geschäften Kontrollen durchzuführen), den nach Meinung des Erstgerichtes gegen diesen Gendarmeriebeamten gerichteten Vorwurf des Verbrechens des Mißbrauchs der Amtsgewalt zu begründen, weil sich daraus nicht die - für die rechtliche Annahme des angedichteten Verbrechens nach § 302 Abs. 1 StGB. erforderliche -

Beschuldigung in Richtung einer (durch den Angezeigten infolge der behaupteten Ablehnung weiterer Kontrollen bewirkten) - vorsätzlichen - Schädigung (eines anderen in dessen Rechten) entnehmen lasse. Aus diesem Grunde - so meint der Beschwerdeführer - sei der Gendarmeriebeamte Josef B auch nicht der (konkreten) Gefahr einer behördlichen Verfolgung ausgesetzt gewesen.

Rechtliche Beurteilung

Dieser Rechtsrüge kann zumindest im Ergebnis Berechtigung nicht abgesprochen werden:

Zwar kann der Auffassung des Beschwerdeführers, der Gendarmeriebeamte Josef B sei durch den gegenständlichen (in dem erwähnten Schreiben an das Bundesministerium für Inneres unter anderem enthaltenen und dem Schuldspruch zugrunde liegenden) Vorwurf (die Vornahme von Kontrollen in anderen Geschäften abgelehnt zu haben) nicht der (konkreten) Gefahr behördlicher Verfolgung ausgesetzt gewesen, nicht beigepflichtet werden. Dies schon deshalb nicht, weil das von ihm veranlaßte Schreiben tatsächlich zu - vom Bundesministerium für Inneres dem Landesgendarmeriekommando für die Steiermark aufgetragenen -

Erhebungen zur Klärung der darin gegen den Gendarmeriebeamten B erhobenen Vorwürfe führte (vgl. S. 4 in ON. 2 d.A.). Zur Vollendung des Delikts der Verleumdung genügt es aber, wenn infolge einer der Behörde (hier:

dem Bundesministerium für Inneres als oberste Dienstbehörde des angezeigten Gendarmeriebeamten) zur Kenntnis gelangten Anschuldigung eine - vom zumindest bedingten Vorsatz des Täters erfaßte - behördliche Verfolgung (wozu bereits kurzfristige, der Aufklärung des Verdachtes und somit der Überprüfung der falschen Beschuldigung dienende Erhebungen, aber auch die Einleitung oder Durchführung dienstaufsichtsbehördlicher Maßnahmen gegen den Beamten gehören; ÖJZ-LSK. 1978/66; 1979/127) - in den Bereich naher Wahrscheinlichkeit rückt (ÖJZ-LSK. 1979/72 und 1979/73). Es reicht sohin schon eine (vom Täter durch die bewußt wahrheitswidrige Falschbeschuldigung herbeigeführte und von seinem - zumindest bedingten -

Vorsatz erfaßte) konkrete Gefahr einer behördlichen Verfolgung des Verdächtigten zur Tatbestandsverwirklichung nach § 297 Abs. 1 StGB. aus; daß es wirklich - so wie etwa im vorliegenden Fall - zu einer behördlichen Verfolgung kam, ist hingegen nicht erforderlich (ÖJZ-LSK.

1979/72; Foregger-Serini StGB.2, II zu § 297; Leukauf-Steininger, Kommentar2, RN. 12 zu § 297 StGB.).

Für die Beurteilung des Bedeutungsinhaltes und der Tragweite einer falschen Beschuldigung ist allerdings nur der Wortlaut und Wortsinn des verleumderischen Vorbringens maßgebend, wobei die vom Gericht darüber - wenn auch im vorliegenden Fall unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts des an das Bundesministerium für Inneres gerichteten Schreibens - in freier Beweiswürdigung zu treffende Feststellung eine solche tatsächlicher Natur ist. Nähere Feststellungen über den Bedeutungsinhalt der dem Schuldspruch des Beschwerdeführers zugrundeliegenden Mitteilung des Angeklagten an das Bundesministerium für Inneres lassen sich dem Ersturteil nicht entnehmen, sodaß es in diesem Belang mit einem Urteilsnichtigkeit im Sinne der Z. 9 lit. a des § 281 Abs. 1

StPO. oder zumindest der Z. 10 der vorzitierten Gesetzesstelle bewirkenden Feststellungsmangel behaftet ist.

Da nach dem Wortlaut des hier in Rede stehenden, vom Beschwerdeführer veranlaßten Schreibens an das Bundesministerium für Inneres dem Gendarmeriebeamten B unter anderem - nach den weiteren Urteilsfeststellungen vom Angeklagten bewußt wahrheitswidrig (vgl. S. 67 und 68 d.A.) - vorgeworfen wird, er habe es am 10.November 1979 anläßlich einer gegen 0 Uhr 25 im Betrieb des Angeklagten durchgeführten Kontrolle durch das Arbeitsinspektorat trotz des Hinweises, daß zur selben Zeit in den anderen Geschäften Kaufhäusern und Tankstellen (gemeint in Spielfeld) Waren aller Art sowie Rohkaffee verkauft werden, abgelehnt, auch in anderen Geschäften Kontrollen durchzuführen (vgl. S. 25 und 27 in ON. 2), könnte daraus zumindest die gegen den Gendarmeriebeamten B gerichtete Beschuldigung entnommen werden, es in seiner Eigenschaft als Gendarmeriebeamter (den bei Bekanntwerden eines strafbaren Verhaltens eines anderen die Verpflichtung zum Einschreiten trifft) unterlassen zu haben, den ihm mitgeteilten Verdacht einer (hier durch Verletzung der Steiermärkischen Ladenschlußverordnung begangenen) Verwaltungsübertretung zu überprüfen, obgleich ihm dies - als zur Überprüfung eines solchen Tatverdachtes zuständigen und zur allfälligen Anzeigeerstattung bei Feststellung eines verwaltungsbehördlich strafbaren Verhaltens nicht nur befugten, sondern hiezu sogar verpflichteten Gendarmeriebeamten - damals möglich und zumutbar gewesen wäre. Eine solche - im Ersturteil allerdings fehlende - Feststellung über den Bedeutungsinhalt dieses Vorwurfes könnte zumindest die Annahme einer (bewußt wahrheitswidrig vorgebrachten) falschen Verdächtigung des Gendarmeriebeamten B wegen Verletzung einer ihm obliegenden Amtspflicht rechtfertigen. Keinesfalls reichen aber die im angefochtenen Urteil enthaltenen Feststellungen aus, um allein aus der - nach den Urteilsannahmen bewußt wahrheitswidrigen - Anschuldigung, der Gendarmeriebeamte B habe es abgelehnt, auch in anderen Geschäften Kontrollen durchzuführen, den Vorwurf des von ihm dadurch begangenen Verbrechens des Mißbrauchs der Amtsgewalt im Sinne des § 302 Abs. 1 StGB. abzuleiten. Zwar kann auch ein passives Verhalten eines Exekutivorganes, wenn es etwa im Falle der Unterlassung der Anzeigeerstattung trotz festgestelltem strafbaren Verhalten einer Person entgegen einer ihm obliegenden Amtspflicht bewußt untätig bleibt und somit von der ihm zukommenden Befugnis rechtswidrig keinen Gebrauch macht, dem Tatbild des § 302 Abs. 1 StGB. entsprechen (ÖJZ-LSK. 1976/113; Leukauf-Steininger, Kommentar2, RN. 26 zu § 302 StGB.). Im vorliegenden Fall läßt aber das Ersturteil - ganz abgesehen davon, daß darin eine eindeutige Feststellung über die Wissentlichkeit des nach der wahrheitswidrigen Behauptung des Beschwerdeführers vom Gendarmeriebeamten B begangenen Befugnismißbrauchs fehlt - völlig offen, ob dem angezeigten Gendarmeriebeamten nach dem insoweit allein maßgeblichen Inhalt der ihn treffenden Anschuldigung (die Vornahme von Kontrollen in anderen Geschäften abgelehnt zu haben) vom Angeklagten ein auf Schädigung eines anderen in dessen konkreten Rechten abzielender Vorsatz unterstellt werden sollte. In diesem Zusammenhang käme an sich wohl nur das (konkrete) Recht des Staates auf Strafverfolgung (wegen einer verwaltungsbehördlich zu ahndenden Übertretung der Steiermärkischen Ladenschlußverordnung) unter der Voraussetzung in Betracht, daß das Vorliegen einer solchen - von einem Geschäftskonkurrenten des Angeklagten tatsächlich begangenen - Verwaltungsübertretung nach dem Inhalt des hier in Rede stehenden Schreibens an das Bundesministerium für Inneres behauptet worden sein sollte. Hingegen könnte eine nur auf die ganz allgemein gehaltene Weigerung des Gendarmeriebeamten B zu einer - ihm an sich möglichen und nach den Umständen auch zumutbaren - Überprüfung eines ihm bekanntgegebenen Verdachtes einer Verwaltungsübertretung hinauslaufende Behauptung des Angeklagten auch bloß den Vorwurf einer disziplinär zu ahndenden Verletzung von Dienstvorschriften oder eines allgemeinen staatlichen Aufsichtsrechts durch den bei seiner (obersten) Aufsichtsbehörde angezeigten Gendarmeriebeamten darstellen. Dies würde aber mangels einer ausreichenden Konkretisierung des - nach dem Inhalt der Anschuldigung - vom angezeigten Gendarmeriebeamten verletzten (staatlichen) Rechts noch nicht ausreichen, den gegen ihn erhobenen Vorwurf als einen solchen in Richtung des Verbrechens des Mißbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs. 1 StGB. zu deuten, sodaß in diesem Fall nur der durch die fälschliche Behauptung der Verletzung einer Amtspflicht verwirklichte und somit nur unter die Strafdrohung des ersten Strafsatzes des § 297 Abs. 1 StGB. fallende Vergehenstatbestand der Verleumdung in Betracht käme.

Auf Grund der aufgezeigten Feststellungsmängel, die dem angefochtenen Urteil anhaften, war sohin der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Folge zu geben, das angefochtene Urteil, das in seinem freisprechenden Teil unberührt bleibt, in seinem schuldigsprechenden Teil und demgemäß auch in seinem Strafausspruch aufzuheben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zurückzuverweisen. Die angemeldete (aber nicht ausgeführte) Berufung des Angeklagten war gemäß §§ 294 Abs. 4, 296 Abs. 2 StPO.

zurückzuweisen, weil vom Angeklagten weder bei deren Anmeldung noch in seiner Rechtsmittelschrift die Punkte des Strafausspruchs, durch die er sich beschwert findet, deutlich und bestimmt bezeichnet wurden und die Berufung daher einer meritorischen Erledigung nicht zugänglich ist.

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