OGH 10Os124/80

OGH10Os124/8030.9.1980

Der Oberste Gerichtshof hat unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Racek in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini, Dr. Friedrich, Dr. Hörburger und Dr. Lachner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Mag. Winter als Schriftführerin in der Strafsache gegen Franz A wegen des Verbrechens des (teils vollendeten, teils versuchten) gewerbsmäßigen Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127 Abs. 1, 128 Abs. 2, 129 Z 1, 130 (15) StGB und anderer strafbarer Handlungen nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Linz als Schöffengericht vom 30. Juni 1980, GZ. 23 Vr 2323/79-60, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben, das angefochtene Urteil, welches im übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch wegen des Vergehens der schweren Körperverletzung nach §§ 83, 84 Abs. 2 Z 4 StGB (Punkt IV des Urteilssatzes) und demgemäß auch im Strafausspruch (einschließlich des davon abhängigen Ausspruchs nach § 38 StGB) aufgehoben und die Sache zu neuerlicher Verhandlung und Entscheidung in diesem Umfang an das Erstgericht zurückverwiesen.

Ansonsten wird die Nichtigkeitsbeschwerde zurückgewiesen. Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 7. August 1959 geborene, zuletzt beschäftigungslos gewesene Franz A des Vergehens des (teils vollendeten, teils versuchten) unbefugten Gebrauches von Fahrzeugen nach § 136 Abs. 1, Abs. 2 und Abs. 3 (erster Fall; zu ergänzen: 15) StGB (Punkt I), des Verbrechens des (teils vollendeten, teils versuchten) gewerbsmäßigen schweren Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127 Abs. 1, 128 Abs. 2, 129 Z 1, 130 (zweiter Satz, zu ergänzen: 15) StGB (Punkt II), der Vergehen des versuchten Widerstandes gegen die Staatsgewalt nach §§ 15, 269 Abs. 1 StGB (Punkt III), der schweren Körperverletzung nach §§ 83, 84 Abs. 2 Z 4 StGB (Punkt IV), der Nötigung nach § 105 Abs. 1 StGB (Punkt V) sowie des Vergehens nach § 9 Abs. 1 Z 2 SGG (Punkt VI) schuldig erkannt.

Rechtliche Beurteilung

Diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit einer auf die Z 4 sowie auf die Z 5 - sachlich Z 10 - des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, der nur teilweise Berechtigung zukommt.

Unbegründet ist sie zunächst, insoweit sie aus dem erstangeführten Nichtigkeitsgrund die Abweisung des vom Verteidiger in der Hauptverhandlung gestellten Antrages auf 'Untersuchung des Angeklagten auf Zurechnungsfähigkeit, da er offenbar chronisch drogengeschädigt ist und ihm die Dispositionsfähigkeit bei Ausführung der strafbaren Handlungen mangelte' (Bd. II S 148 f), rügt.

Die Verfahrensrüge versagt schon deshalb, weil im Sinne des § 134 StPO nur bei Vorliegen objektiver Momente, welche die Zurechnungsfähigkeit eines Angeklagten in Frage stellen, also bei Vorhandensein von auf einen bezüglichen Geistesdefekt hinweisenden Symptomen entsprechend den Anordnungen der §§ 118 ff StPO ein Sachverständiger beizuziehen ist (Mayerhofer-Rieder StPO Nr. 3 ff zu § 134 StPO ua).

Im gesamten Verfahren sind jedoch, wie das bekämpfte Zwischenerkenntnis im Einklang mit der Aktenlage zum Ausdruck bringt, keinerlei Umstände hervorgekommen, welche in den urteilsgegenständlichen Fällen auch nur die Vermutung eines auf Geisteskrankheit, Schwachsinn, einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder einer anderen schweren, einem dieser Zustände gleichwertigen, seelischen Störung beruhenden Mangels der Einsichtsfähigkeit des Angeklagten bzw. seines Steuerungs- oder Hemmungsvermögens und damit des Fehlens der Zurechnungsfähigkeit im Sinne des Gesetzes (§ 11 StGB) nahelegen könnten. Da es an konkreten Anhaltspunkten für das Bestehen eines der erwähnten - das Persönlichkeitsbild völlig zerstörenden (Leukauf-Steininger2, RN 15 zu § 11 StGB) - biologischen Ausnahmezustände, allenfalls resultierend aus der vom Beschwerdeführer in seiner Verantwortung im Zuge der Hauptverhandlung und nunmehr auch im Rechtsmittel behauptete chronische Drogenabhängigkeit durch die eine Aufhebung seiner (Diskretionsoder) Dispositionsfähigkeit zu den jeweiligen Tatzeiten bewirkt worden wäre, mangelt, vermochte das abweisliche Zwischenerkenntnis Verteidigungsrechte des Angeklagten nicht zu beeinträchtigen.

In diesem Umfang war die Nichtigkeitsbeschwerde daher als offenbar unbegründet gemäß § 285 d Abs. 1 Z 2 StPO schon bei einer nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen.

Hingegen erweist sie sich als berechtigt, soweit sie zum Schuldspruch wegen Vergehens der schweren Körperverletzung nach §§ 83, 84 Abs. 2 Z 4 StGB (Punkt IV des Urteilssatzes) unter dem Aspekt von Begründungsmängeln (Z 5) in Wahrheit einen Feststellungsmangel (§ 281 Abs. 1 Z 10 StPO) in Ansehung der subjektiven Tatseite geltend macht. Laut dem erwähnten Schuldspruch liegt dem Angeklagten zur Last, den Polizeigruppeninspektor Alois B bei dem Versuch, ihn durch einen Schlag mit der an seiner rechten Hand befestigten Handfessel an seiner Festnahme zu hindern (Schuldspruch wegen Vergehens des versuchten Widerstandes gegen die Staatsgewalt nach §§ 15, 269 Abs. 1 StGB zu Punkt III des Urteilssatzes), auf diese Weise außerdem während und wegen der Vollziehung seiner Aufgaben (in Tateinheit mit dem vorangeführten Delikt) durch die Herbeiführung zweier Rißquetschwunden am Kopf verletzt zu haben.

Die Urteilsfeststellungen gehen eindeutig (nur) dahin, daß sich der Angeklagte im Wege des Zuschlagens mit der Handschelle am Arm durch Flucht der behördlichen Verfolgung entziehen (nicht aber auch, daß er darüber hinaus B mißhandeln) wollte, also sein Vorsatz (bloß) auf die Vereitlung der Amtshandlung gerichtet war und B dabei verletzt wurde. Inhaltlich der Urteilsgründe wird sohin die Tatsache der Verletzung (an sich) als für den Schuldspruch wegen des - in Tateinheit mit dem Vergehen nach §§ 15, 169 Abs. 1 StGB als verwirklicht angenommenen - Vergehens nach §§ 83, 84 Abs. 2 Z 4 StGB hinreichend und damit faktisch (rechtlich verfehlt) als objektive Bedingung der Strafbarkeit gemäß den letzteren Gesetzesstellen behandelt.

Aus einem einmaligen Zuschlagen in der vorangeführten Art und Weise ergibt sich auch kein 'zumindestens' auf das Hervorrufen von Schmerzen und Unbehagen gerichteter, also ein Mißhandlungsvorsatz, zumal eine derartige Handlung, namentlich dann, wenn ihr Ziel - wie dies nach dem vom Erstgericht als erwiesen angenommenen Sachverhalt vorliegend zutrifft - ein ganz anderes war, keineswegs zur Annahme zwingt, daß der Angeklagte dabei (oder gar trotzdem) das für eine Mißhandlung charakteristische Hervorrufen von Schmerzen und/oder Unbehagen ernstlich für möglich gehalten sowie sich damit abgefunden und nicht etwa (wenn er überhaupt die Möglichkeit des vorerwähnten Erfolgs in seine Gedanken einbezog) den Eintritt (dennoch) zu vermeiden hoffte, weil er beispielsweise damit rechnete, daß der Beamte dem Schlag ausweichen (und er gerade dadurch erfolgreich flüchten) werde können.

Da wegen des dem fraglichen Schuldspruch anhaftenden Feststellungsmangels die Anordnung einer neuen Hauptverhandlung nicht zu vermeiden ist, war gemäß § 285 e StPO (in der Fassung BGBl. 1980/28) in Stattgebung der in diesem Punkt begründeten Nichtigkeitsbeschwerde - ebenfalls bereits in der nichtöffentlichen Sitzung - mit einer Aufhebung des Urteils in diesem Schuldspruch sowie demzufolge auch im Strafausspruch vorzugehen, eine entsprechende Verfahrenserneuerung anzuordnen und insgesamt über die Rechtsmittel spruchgemäß zu entscheiden.

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