OGH 13Os129/80

OGH13Os129/8025.9.1980

Der Oberste Gerichtshof hat am 25.September 1980

unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Müller, Dr. Horak, Dr. Schneider und Dr. Hörburger als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Hausenberger als Schriftführerin in der Strafsache gegen Tichomir A wegen des Verbrechens der versuchten Nötigung nach §§ 15, 105

Abs. 1, 106 Abs. 1 Z. 1 StGB. und einer weiteren strafbaren Handlung über die von dem Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Feldkirch als Schöffengerichts vom 8.Mai 1980, GZ. 13 a Vr 696/80- 27, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrags des Berichterstatters, Hofrats des Obersten Gerichtshofs Dr. Hörburger, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Kunz und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalts Dr. Karollus, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Gemäß § 390 a StPO. fallen dem Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 28.Dezember 1959 geborene Hilfsarbeiter Tichomir A des Verbrechens der versuchten schweren Nötigung nach §§ 15, 105 Abs. 1 und 106 Abs. 1 Z. 6 (richtig: Z. 1) StGB. sowie des Vergehens der versuchten Bestimmung zur falschen Beweisaussage vor Gericht nach §§ 12, 15 und 288 Abs. 1 StGB. schuldig erkannt. Ihm liegt zur Last, Ende Februar 1980 in Bregenz

1. Sibylle B durch die Ankündigung, falls sie bei ihrer zeugenschaftlichen Einvernahme in der Hauptverhandlung vor dem Landesgericht Feldkirch gegen Günther C und Tichomir A wegen §§ 215 und 216 StGB. nicht bewußt wahrheitswidrig angeben sollte, ihn nicht zu kennen, wie sie dies anläßlich ihrer Gegenüberstellung mit ihm vor dem Untersuchungsrichter am 4.Dezember 1979 angegeben hatte, oder falls sie ihn sonst belasten und er deshalb nicht freigesprochen werden sollte, werde er ihr mit einer Rasierklinge das Gesicht zerschneiden, sowie dadurch, daß er sich auch gegenüber einer Arbeitskollegin (Barbara D) in der Weise äußerte, daß er Sibylle B andernfalls Salzsäure auf den Kopf schütten werde, unmittelbar wie auch mittelbar durch gefährliche Drohung mit einer auffallenden Verunstaltung zu einer Handlung zu nötigen getrachtet zu haben;

2. durch die soeben bezeichnete Tat sich bemüht zu haben Sibylle

B dazu zu bestimmen, vor Gericht als Zeugin bei ihrer förmlichen Vernehmung zur Sache falsch auszusagen.

Diesen Schuldspruch bekämpft Tichomir A mit einer auf die Z. 5, 9 lit. a und 10 des § 281 Abs. 1 StPO.

gestützten Nichtigkeitsbeschwerde und mit einer Berufung. Der Oberste Gerichtshof hat den Gerichtstag auf die Erledigung der Nichtigkeitsbeschwerde eingeschränkt, weil der Angeklagte laut Mitteilung des landesgerichtlichen Gefangenenhauses Feldkirch vom 5. September 1980 seit 12.August 1980 flüchtig ist und ihm die Verständigung vom Gerichtstag auch über seine Berufung (für welches Rechtsmittel kein Neuerungsverbot gilt) nicht zugestellt werden konnte.

Als Begründungsmängel nennt der Beschwerdeführer Unvollständigkeit des Ausspruchs über entscheidende Tatsachen, Angabe nur offenbar unzureichender Gründe und Aktenwidrigkeit.

Rechtliche Beurteilung

Die Mängelrüge hält jedoch einer Überprüfung nicht stand. Was die unterschiedlichen Angaben der Zeugin B über ihre durch die Drohungen des Angeklagten ausgelösten Empfindungen anlangt, wird in den Gründen des angefochtenen Urteils darauf hingewiesen, daß die sechzehnjährige Zeugin leicht beeinflußbar ist und schon einmal bei einer Gegenüberstellung aus Furcht und Mitleid falsch ausgesagt hat, um den Angeklagten zu entlasten. In der Hauptverhandlung hat Sibylle B zwar angegeben, sich anfangs keine Gedanken gemacht und die erste Drohung eher lächerlich genommen zu haben, dann aber, als sie von der zweiten Drohung erfuhr, es doch mit der Angst bekommen zu haben (S. 123). Diesen Angaben wurde vom Erstgericht ohnehin Rechnung getragen und in den Entscheidungsgründen - auch unter Bezugnahme auf die Aussage der Zeugin Hedwig E (S. 125) - dargelegt, daß B insbesondere durch die zweite Drohung tatsächlich in Angst versetzt worden ist (S. 135).

Soweit der Beschwerdeführer aber die Glaubwürdigkeit der Zeugin B schlechthin in Zweifel zieht, handelt es sich beim bezüglichen Vorbringen lediglich um einen im Nichtigkeitsverfahren unzulässigen und solcherart unbeachtlichen Versuch einer Bekämpfung der erstrichterlichen Beweiswürdigung. Auch mit dem Vorbringen, das Erstgericht hätte wegen der unsicheren Beweislage zumindest vom Grundsatz in dubio pro reo Gebrauch machen müssen, wird kein formeller Begründungsmangel geltend gemacht.

Im übrigen kommt es für die rechtliche Beurteilung nur auf die objektive Eignung der vom Täter gebrauchten Drohung, dem Bedrohten mit Rücksicht auf die Verhältnisse und seine persönliche Beschaffenheit oder die Wichtigkeit des angedrohten Übels begründete Besorgnisse einzuflößen (§ 74 Z. 5 StGB.), an. Diese Eignung ist gegeben, wenn der Bedrohte bei unbefangener Betrachtung der Situation die Verwirklichung des angedrohten Übels erwarten und den Eindruck gewinnen konnte, der Täter sei in der Lage und gewillt, seine Drohung (wenn auch nicht genau unter den angekündigten Modalitäten) zu verwirklichen; daß wirklich Besorgnis erweckt wurde, ist nicht erforderlich.

Wenn das Erstgericht nach Lage des Falls den wiederholten Drohungen des Angeklagten, B mit einer Rasierklinge das Gesicht zu zerschneiden bzw. ihr Salzsäure über den Kopf zu schütten, eine solche Eignung beigemessen hat, so ist darin auch - und gerade - unter Berücksichtigung des vom Beschwerdeführer ins Treffen geführten Zuhälter- und Dirnenmilieus ein Rechtsirrtum nicht zu erkennen.

Der Beschwerde muß auch insoweit ein Erfolg versagt bleiben, als der Angeklagte sich unter Anrufung des Nichtigkeitsgrunds der Z. 9 lit. a, in eventu desjenigen der Z. 10 des § 281 Abs. 1 StPO., gegen die Annahme einer Idealkonkurrenz von (versuchter schwerer) Nötigung und (versuchter) Bestimmung zur falschen Beweisaussage vor Gericht wendet, womit er der Sache nach Nichtigkeit gemäß § 281 Abs. 1 Z. 10 StPO. geltend macht. Der Ansicht des Beschwerdeführers zuwider verletzen die beiden Delikte keineswegs dasselbe Rechtsgut: § 288 StGB. schützt zwar die Sicherheit der Wahrheitsfindung und somit das klaglose Funktionieren der Rechtspflege, Schutzobjekt des § 105 StGB. ist aber die freie Willensentscheidung und Willensbetätigung des Menschen.

Daher haftet, wer, wie vorliegend der Angeklagte, einen anderen (mit Gewalt oder) gefährlicher Drohung zu einer strafbaren Handlung - hier zum Delikt des § 288

StGB. - zu nötigen versucht, außer für versuchte Anstiftung zu dem betreffenden Delikt (§§ 12, zweiter Fall, 15 StGB.), auch für versuchte Nötigung (LSK. 1977/38). Die Nichtigkeitsbeschwerde war deshalb zu verwerfen.

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