OGH 11Os127/80

OGH11Os127/8024.9.1980

Der Oberste Gerichtshof hat am 24. September 1980

unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska, in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Walenta, Dr. Horak, Dr. Schneider und Dr. Reisenleitner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Mag. Winter als Schriftführerin in der Strafsache gegen Necmi A und andere wegen des Verbrechens wider die Volksgesundheit nach den §§ 15 StGB, 6 Abs. 1 SuchtgiftG über die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Yasar B und die Berufung der Staatsanwaltschaft hinsichtlich der Angeklagten Necmi A und Yasar B gegen das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Schöffengerichtes vom 20. Mai 1980, GZ. 12 Vr 783/80-37, nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters Hofrates des Obersten Gerichtshofes Dr. Schneider, der Ausführungen der Verteidiger Dr. Morent und Dr. Ruckenbauer und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwaltes Dr. Scheibenpflug, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung der Staatsanwaltschaft wird Folge gegeben und die über den Angeklagten A verhängte Freiheitsstrafe auf 18 (achtzehn) Monate und die über den Angeklagten B verhängte auf 15 (fünfzehn) Monate erhöht.

Gemäß dem § 390 a StPO fallen den Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden der am 1. April 1948 geborene Kraftfahrzeug-Mechaniker Necmi A und der am 4. Juli 1954 geborene Feuerwehrbedienstete Yasar B - beide türkische Staatsangehörige - des Verbrechens nach den §§ 15 StGB, 6 Abs. 1 SuchtgiftG schuldig erkannt, weil sie am 1. April 1980 an der Grenzkontrollstelle Wurzenpaß im bewußten Zusammenwirken als Mittäter vorsätzlich den bestehenden Vorschriften zuwider 9.800 Gramm Cannabisharz, somit Suchtgift in solchen Mengen, daß daraus in größerer Ausdehnung eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen entstehen kann, von Jugoslawien nach Österreich einzuführen versuchten. Während der Schuldspruch des Angeklagten A unangefochten blieb, bekämpft der Angeklagte B das Urteil mit einer auf die Nichtigkeitsgründe des § 281 Abs. 1 Z 5 und 9 lit. a StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.

Rechtliche Beurteilung

Zum erstangeführten Nichtigkeitsgrund bezeichnet der Beschwerdeführer die Urteilsbegründung in mehrfacher Richtung als im Ausspruch über entscheidende Tatsachen unvollständig und aktenwidrig. Die Mängelrüge schlägt jedoch nicht durch. Das Erstgericht stützte die Annahme, (auch) der Angeklagte B als Lenker des Fahrzeuges des Mitangeklagten A habe die Fahrt von der Türkei über Österreich in die Bundesrepublik Deutschland in Kenntnis dessen, daß sich im Reservereifen Suchtgift befand, unternommen, vor allem auf die Erwägung, daß die beiden Angeklagten nur über geringe Bargeldbeträge verfügten, die bestenfalls zur Deckung der Reisespesen, jedoch weder für einen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland oder in der Schweiz noch zur Beschaffung von Kraftfahrzeugbestandteilen (für den Angeklagten A) ausgereicht hätten, und daß sie mithin auf den Erlös aus dem Suchtgiftverkauf angewiesen waren. Es zog hiebei auch in Betracht, daß der Angeklagte B das gesamte Geld bei sich verwahrte, was als weiteres Indiz für seine Mittäterschaft gewertet wurde. Ferner verwies das Schöffengericht darauf, daß der Beschwerdeführer sich nach seiner eigenen Darstellung mit A über den Reservereifen 'unterhalten' und aus der Autoapotheke, in der sich weiteres - ca. 20 g - Cannabisharz befunden hatte, Tabletten gegen Magenschmerzen entnommen habe (vgl. S 160 f).

In den Entscheidungsgründen kommt demnach klar zum Ausdruck, auf Grund welcher Erwägungen das Erstgericht der eine vorsätzliche Mitwirkung an einem Suchtgifttransport leugnenden Verantwortung des Beschwerdeführers und jenen Angaben des Mitangeklagten A, womit er seinen Komplizen zu entlasten trachtete, keinen Glauben schenkte. Darüber hinaus war es - den Beschwerdeausführungen zuwider - nicht verpflichtet, diese Angaben in den Urteilsgründen vollständig wiederzugeben und im Detail zu erörtern.

Ebensowenig liegt - zumal das Gesetz (§ 270 Abs. 2 Z 5 StPO) nur eine Abfassung der Entscheidungsgründe in gedrängter Form verlangt - eine Unvollständigkeit im Sinn der Z 5

des § 281 Abs. 1 StPO vor, wenn nicht alle Beweisergebnisse im einzelnen darauf untersucht wurden, inwieweit sie für oder gegen die Richtigkeit der Darstellung der Angeklagten sprechen. Aus diesem Grund bedurfte es auch keiner näheren Erörterung, welche (anderen) Gründe möglicherweise dafür maßgebend hätten sein können, daß der Angeklagte B das gesamte Bargeld in seine Verwahrung nahm, ob er einen Anteil am Verkaufserlös erhalten sollte, ob er wußte, wann und wo der als Suchtgiftversteck benutzte Reservereifen gekauft worden war, wer die Verbandkassette, in welcher gleichfalls Suchtgift transportiert wurde, angeschafft hatte sowie darüber, ob (auch) der Beschwerdeführer bei der Reifenkontrolle irgendwelche auf seine Täterschaft hinweisende Reaktionen zeigte (vgl. hiezu S 48 in Verbindung mit S 110, 150). Daß der Beschwerdeführer schließlich in die Schweiz zu Verwandten gelangen wollte, schloß das Erstgericht nicht aus; es mußte sich mit diesem Umstand aber schon deshalb nicht näher befassen, weil der Angeklagte B selbst einräumte, daß er zunächst über Österreich in die Bundesrepublik Deutschland fahren wollte (vgl. S 40, 147).

Schließlich vermag der Beschwerdeführer mit der Behauptung, die Urteilsannahme, der Mitangeklagte A habe ihn zur Fahrt nach Deutschland 'überredet', sei in der Aktenlage nicht gedeckt, auch eine Aktenwidrigkeit nicht aufzuzeigen. Denn abgesehen davon, daß es für die Beurteilung der Mittäterschaft nicht entscheidungswesentlich ist, von wem die Initiative zum Suchtgifttransport ausgegangen war, gab der Beschwerdeführer selbst an, der Mitangeklagte A habe die gemeinsame Reise vorgeschlagen (vgl. S 21, 40).

Berücksichtigt man noch, daß der Angeklagte B auch zugestand, den in einem Kassiber des Mitangeklagten A genannten präsumtiven Abnehmer des Suchtgiftes C zu kennen (vgl. S 33, 42, 91, 145 f), so konnte das Schöffengericht auf Grund der gesamten Verfahrensergebnisse denkrichtig und im Einklang mit der Lebenserfahrung die Überzeugung gewinnen, die Angeklagten handelten im bewußten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter, indem sie nach Österreich Suchtgift in solchen Mengen einführen wollten, daß daraus eine Gemeingefahr im Sinn des § 6 Abs. 1 SuchtgiftG entstehen kann. Dem angefochtenen Urteil haften sohin im Ausspruch über entscheidende Tatsachen formelle Begründungsmängel in der Bedeutung des § 281 Abs. 1 Z 5 StPO nicht an.

Mit Beziehung auf den Nichtigkeitsgrund der Z 9

lit. a des § 281 Abs. 1 StPO macht der Beschwerdeführer geltend, es fehlten sämtliche für die rechtliche Beurteilung als Verbrechen nach den §§ 15 StGB, 6 Abs. 1

SuchtgiftG erforderlichen objektiven und subjektiven Tatbestandsmerkmale.

Die Rechtsrüge erweist sich gleichfalls als nicht zielführend. Zunächst läßt der Beschwerdeführer die Konstatierung des Erstgerichtes unberücksichtigt, wonach er wußte, daß sich in dem von ihm gelenkten Kraftfahrzeug Suchtgift (in größerer Menge) befand, das in der Bundesrepublik Deutschland an den (ihm bekannten) türkischen Staatsangehörigen C abgeliefert werden sollte (vgl. S 161 f). Insofern geht er nicht von dem im Urteil festgestellten Sachverhalt aus und bringt daher den angerufenen materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrund nicht zur gesetzmäßigen Darstellung.

Im übrigen vermißt der Beschwerdeführer Feststellungen darüber, daß er beim Austausch des Reservereifens, beim Einbringen des Suchtgiftes in den Reservereifen bzw. in die Autoapotheke oder auf sonstige Weise an der Tatausführung mitgewirkt habe. Er übersieht hiebei jedoch, daß es für die Annahme der Mittäterschaft genügt, wenn ein Täter sich in der Ausführungsphase an der Tat beteiligt und diese Mitwirkung im vorsätzlichen Zusammenwirken mit anderen unmittelbaren Tätern geschieht; nicht erforderlich ist hiefür, daß jeder Mittäter das gesamte Tatbild verwirklicht. Für den vorliegenden Fall ist demnach nicht entscheidungswesentlich, ob sich der Angeklagte B an der Einbringung des Suchtgiftes in das Kraftfahrzeug beteiligt hatte; genug daran, daß er - wie das Erstgericht annahm - an der Einfuhr von Suchtgift in größerer Menge, nämlich von 9.800 Gramm Cannabisharz, das zur Verteilung an einen größeren Personenkreis in der Bundesrepublik Deutschland bestimmt war, nach Österreich mitwirken wollte, indem er im einverständlichen Zusammenwirken mit dem Angeklagten A dessen Kraftfahrzeug in Kenntnis des Umstandes lenkte, darin das Suchtgift zu transportieren. Dieses Tatverhalten stellt aber in bezug auf den Tatbestand des § 6 Abs. 1 SuchtgiftG bereits eine zum tatbildmäßigen Unrecht in unmittelbarer sinnfälliger Beziehung stehende, im Sinn des § 15 Abs. 1

StGB ausführungsnahe Handlung eines unmittelbaren Täters dar, deren rechtliche Beurteilung als das - in der Erscheinungsform der Mittäterschaft begangene - Verbrechen nach den §§ 15 StGB, 6 Abs. 1 SuchtgiftG unter Zugrundelegung der erstrichterlichen Tatsachenannahmen frei von Rechtsirrtum ist.

Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Yasar B war daher zu

verwerfen.

Das Schöffengericht verhängte nach dem § 6 Abs. 1

(erstem Strafsatz) und 2 SuchtgiftG über Necmi A eine Freiheitsstrafe in der Dauer eines Jahres sowie eine Geldstrafe von 30.000 S, im Fall der Uneinbringlichkeit drei Monate Freiheitsstrafe, und über Yasar B eine Freiheitsstrafe von sieben Monaten.

Bei der Strafzumessung wertete das Erstgericht die vom Schuldspruch erfaßte beträchtliche Suchtgiftmenge als erschwerend, hingegen die Umstände, daß es beim Versuch blieb und die Angeklagten bisher unbescholten sind, im Fall A auch das Teilgeständnis und im Fall B die nur untergeordnete Rolle bei der Tatausführung als mildernd. Der von der Staatsanwaltschaft erhobenen Berufung, mit welcher unter Hinweis auf die betroffene Suchtgiftmenge die Erhöhung der Freiheitsstrafen beantragt wird, kommt Berechtigung zu. Zunächst ist festzuhalten, daß beim Angeklagten B die Voraussetzungen für die Anwendung der außerordentlichen Strafmilderung nach dem § 41 StGB nicht vorliegen, weil die - vom Erstgericht im wesentlichen richtig angenommenen - Milderungsgründe den gravierenden Erschwerungsumstand nicht beträchtlich überwiegen. Mithin ist auch für B eine Freiheitsstrafe innerhalb des im § 6 Abs. 1, 1. Strafsatz, SuchtgiftG normierten Rahmens zu bemessen. Unter Berücksichtigung der Gefährlichkeit beider Täter, die fast 10 kg Haschisch nach Österreich einführen wollten, erfordern nicht nur die Belange der Spezialprävention, sondern auch (u.a.) bei (Händlern zur Last liegenden) Suchtgiftdelikten zu berücksichtigende Überlegungen generalpräventiver Natur eine Anhebung der vom Erstgericht ausgemessenen Freiheitsstrafen, die der Oberste Gerichtshof bei A mit achtzehn Monaten und bei B mit fünfzehn Monaten für angemessen erachtet.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die im Urteilsspruch zitierte Gesetzesstelle.

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