OGH 9Os66/80

OGH9Os66/8016.9.1980

Der Oberste Gerichtshof hat am 16. September 1980

unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Obauer und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Faseth, Dr. Steininger, Dr. Horak und Dr. Reisenleitner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Hausenberger als Schriftführerin in der Strafsache gegen Gerhard A u.a. wegen des Vergehens des Diebstahls nach § 127 Abs. 1 und 2 Z. 1 StGB. und einer weiteren strafbaren Handlung über die vom Angeklagten gegen das Urteil des Jugendgerichtshofes Wien als Schöffengericht vom 14. März 1980, GZ. 4 a Vr 1533/79-24, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Faseth, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Winkler und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Gehart, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird Folge gegeben, der Strafausspruch aufgehoben und gemäß § 13 JGG. der Ausspruch und die Vollstreckung der zu verhängenden Strafe für eine Probezeit von 3 Jahren vorläufig aufgeschoben.

Gemäß § 390 a StPO. fallen dem Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden der am 28. September 1962 geborene Postpraktikant Gerhard A und der am 29. November 1964 geborene Hauptschüler Thomas B des Vergehens des Diebstahls nach § 127 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 1 StGB., A außerdem des Vergehens der

fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs. 1

und 4 (erster Fall) StGB. schuldig erkannt.

Dieses Urteil wird nur vom Erstangeklagten mit Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung angefochten. Die Nichtigkeitsbeschwerde erhebt er aus den Gründen der Z. 5 und 9 lit. a des § 281 Abs. 1 StPO. gegen den Schuldspruch wegen Diebstahls, nach welchem er am 1. September 1979 in Wien in Gesellschaft des B als Beteiligten (§ 12 StGB.) dem Leopold C ein Fahrrad Marke 'Puch Jungmeister' (Zehngang) im Wert von 2.500 S mit dem Vorsatz weggenommen hat, sich durch dessen Zueignung unrechtmäßig zu bereichern. In Ansehung des Beschwerdeführers nahm das Jugendschöffengericht als erwiesen an, daß er B im Tatentschluß bestärkt habe, indem er mit ihm zu dem in einer Wohnhausanlage abgestellten Fahrrad ging und ihn bei dessen Wegnahme begleitete. Dagegen macht der Beschwerdeführer als Begründungsmängel geltend, das Erstgericht würdige die Aussagen des Mitangeklagten B und des Zeugen Michael D widersprüchlich, jene des Zeugen Manfred E hingegen überhaupt nicht und lasse auch außer acht, daß D, der sich bei dem Fahrraddiebstahl ebenso verhalten habe wie er, in einem gesonderten Verfahren freigesprochen wurde.

Mit seiner Rechtsrüge wendet sich der Beschwerdeführer, abermals das Verhalten des freigesprochenen Michael D beim Tatgeschehen zum Vergleich heranziehend, gegen die Urteilsannahme, in seinem Fall liege strafbare Beteiligung (durch psychische Unterstützung) im Sinne des § 12

3. Alternative StGB. vor.

Rechtliche Beurteilung

In keiner Richtung ist die Beschwerde begründet.

Der Mängelrüge ist zunächst zu entgegnen, daß das Gericht nach dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung nicht verbunden ist, die Aussage einer Person entweder voll und ganz zur Feststellung zu erheben oder sie gänzlich abzulehnen (Mayerhofer-Rieder, Strafprozeßordnung E.Nr. 89 zu § 258 StPO.). Es bedeutet daher keinen Begründungsmangel, wenn das Erstgericht den Angaben des Angeklagten B, der Beschwerdeführer habe als erster die Idee zum Fahrraddiebstahl gehabt, und des Zeugen Michael D, beide Angeklagte hätten 'ziemlich gleichzeitig' den Entschluß zur Tat geäußert, im Hinblick auf die gegenteilige Schilderung des Zeugen Manfred E nicht folgen zu können meinte, wohl aber auf Grund der insoweit übereinstimmenden Darstellungen von B und D die Äußerung des Beschwerdeführers als erwiesen annahm, man könne das Rad ja umspritzen, und daraus dessen Einverständnis mit dem von B unmittelbar ausgeführten Diebstahl erschloß. Dabei mußte das Gericht in der gemäß § 270 Abs. 2 Z. 5 StPO. in gedrängter Darstellung abzufassenden Urteilsbegründung nicht auf alle Einzelheiten der bezüglichen Aussagen des Zeugen D eingehen oder sich im voraus mit den gegen seine Beweiswürdigung möglichen Einwänden auseinandersetzen (Mayerhofer-Rieder a.a.0. E.Nr. 105 zu § 270 StPO.). Die Aussage des Zeugen E wurde, wie erwähnt, hinsichtlich der Frage, von wem die Initiative zur Tat ausging, ohnehin zu Gunsten des Beschwerdeführers gewürdigt; einer weiteren Erörterung bedurfte sie nicht, weil ihr hinsichtlich des weiteren Tatgeschehens im wesentlichen nur noch zu entnehmen ist, der Beschwerdeführer habe gegen die von B geäußerte Absicht, das Fahrrad zu stehlen, zwar zunächst Bedenken geäußert, sei aber dann doch mit ihm zu dem Rad hingegangen, worauf sich der Zeuge entfernt habe. Aus dem im Verfahren gegen Michael D (AZ. 21 U 666/79 des Jugendgerichtshofs Wien), aus dessen Akten in der Hauptverhandlung Feststellungen getroffen wurden, ergangenen Freispruch ist schließlich ein Begründungsmangel des angefochtenen Urteils schon deshalb nicht abzuleiten, weil D dort lediglich wegen seines Verhaltens nach der hier bedeutsamen (Diebstahls-)Tat unter dem Gesichtspunkt der Hehlerei (§ 164 Abs. 1 Z. 1 StGB.) verfolgt wurde (vgl. hier S. 1 a), dem Jugendschöffengericht hingegen, das über die Diebstahlsanklage zu urteilen hatte, die selbständige Beurteilung des Sachverhalts auf Grund der von ihm unmittelbar aufgenommenen Beweise oblag.

Es versagt aber auch die Rechtsrüge, der zuwider jede psychische Unterstützung des unmittelbaren Täters, sei es auch nur durch Bestärken im Tatentschluß, als kausaler 'sonstiger Tatbeitrag' im Sinne des § 12 3. Alternative StGB. in Betracht kommt (Leukauf-Steininger2 RN 37

zu § 12 StGB.). Von der Feststellung ausgehend, daß der Beschwerdeführer - anders als der sich in diesem Stadium des Tatgeschehens völlig passiv verhaltende Michael D - den unmittelbaren Täter B durch das - Zustimmung des Älteren bekundende - Begleiten zum Tatort, mag es sich auch nur um wenige Schritte gehandelt haben, zumindest bedingt vorsätzlich in seinem (Diebstahls-) Vorsatz psychisch bestärkte und B die Tat sonst kaum ausgeführt hätte, erscheint die Urteilsannahme eines darin gelegenen relevanten Tatbeitrags in der gedachten Bedeutung rechtlich einwandfrei. Da solcherart die Ausführung des Diebstahls gleichzeitig und am Tatort selbst gefördert wurde, entspricht der wegen Gesellschaftsdiebstahls im Sinne des § 127 Abs. 2 Z. 1 StGB. ergangene Schuldspruch des Beschwerdeführers dem Gesetz. Der Nichtigkeitsbeschwerde war daher ein Erfolg zu versagen. Das Erstgericht verurteilte den Angeklagten nach § 127 Abs. 2 StGB. unter Bedachtnahme auf § 28 StGB. und unter Anwendung des § 11 JGG. zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen, im Fall der Uneinbringlichkeit zu einer Ersatzfreiheitsstrafe von 20 Tagen, wobei es den Tagessatz mit 50 S festsetzte. Es nahm bei der Strafbemessung das Zusammentreffen mehrerer strafbarer Handlungen als erschwerend, den bisher ordentlichen Lebenswandel, das Angebot der Schadensgutmachung und das Geständnis des Angeklagten bezüglich des ihm gleichfalls angelasteten Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs. 1 und 4, erster Fall, StGB. als mildernd an.

Mit seiner Berufung begehrt der Angeklagte die Anwendung des § 13

JGG.

Der Berufung kommt Berechtigung zu.

Auszugehen ist vorliegend davon, daß der Angeklagte nach den Urteilsannahmen nicht nur die Schadensgutmachung versprochen hat, sondern zu einem Zeitpunkt, als der Obrigkeit sein Verschulden noch nicht bekannt war, Anstalten zur Gutmachung des Schadens durch Rückgabe des allerdings teilweise (nicht von ihm) demontierten Fahrrades traf. Insoweit wiegt daher seine Mittäterschaft am Diebstahl des Thomas B nicht besonders schwer. Zu berücksichtigen ist weiters, daß der Angeklagte den ihm angelasteten Unfall in Ausübung seines Dienstes aus einem gewissen Übereifer heraus - er wollte möglichst rasch zu seinem Dienstvorgesetzten gelangen - verursachte, sodaß auch diesbezüglich sein Verschulden in einem milderen Lichte gesehen werden kann. Unter diesen Umständen aber ist bei dem bisher unbescholtenen Angeklagten die Annahme gerechtfertigt, daß der Schuldspruch allein genügen werde, um ihn von weiteren strafbaren Handlungen abzuhalten. Da es nach der Art der Taten auch nicht des Ausspruchs und der Vollziehung der Strafe bedarf, um der Begehung strafbarer Handlungen durch andere entgegenzuwirken, war wie aus dem Spruch ersichtlich zu entscheiden. Der Kostenausspruch gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.

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