OGH 9Os64/80

OGH9Os64/8012.9.1980

Der Oberste Gerichtshof hat am 12.September 1980

unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Obauer und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Faseth, Dr. Steininger, Dr. Horak und Dr. Reisenleitner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Hausenberger als Schriftführerin in der Strafsache gegen Albert A wegen des Verbrechens der Erpressung nach § 144 Abs. 1 StGB. über die vom Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Schöffengericht vom 24.Oktober 1979, GZ. 29 Vr 3801/78-17, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Faseth, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Oberhofer und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Tschulik, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird insoweit Folge gegeben, als über den Angeklagten anstatt der verhängten Freiheitsstrafe eine Geldstrafe von 120 Tagessätzen zu je 250 S, im Fall der Uneinbringlichkeit 60 Tage Ersatzfreiheitsstrafe, verhängt wird.

Diese Strafe wird gemäß § 43 Abs. 1 StGB. unter Bestimmung einer Probezeit von 3 Jahren bedingt nachgesehen.

Gemäß § 390 a StPO. fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 17.Dezember 1929 geborene Disponent Albert A des Verbrechens der Erpressung nach § 144 Abs. 1 StGB. schuldig erkannt, weil er am 21. und 24.August 1978 in Nußdorf-Debant die Hausfrauen Liselotte B, Imelda C, Theresia D und Rita E durch die gefährliche Drohung, gegen ihre Kinder Diebstahlsanzeigen zu erstatten, falls nicht ein Betrag von jeweils 500 S gezahlt werde, zur Bezahlung von jeweils 500 S bzw. im Fall der Theresia D von 200 S, sohin zu Handlungen nötigte, welche diese an ihrem Vermögen schädigten, wobei er mit dem Vorsatz handelte, das Kaufhaus I -Großmarkt durch das Verhalten der Genötigten unrechtmäßig zu bereichern.

Dieses Urteil bekämpft der Angeklagte mit einer ziffernmäßig auf die Nichtigkeitsgründe des § 281 Abs. 1 Z. 4, 5 und 10 StPO. gestützten Nichtigkeitsbeschwerde. Zum erstbezeichneten Nichtigkeitsgrund rügt der Beschwerdeführer die Abweisung seines in der Hauptverhandlung gestellten Antrages auf zeugenschaftliche Vernehmung des Dr. Karl Heinz F zum Beweis dafür, daß bei der Aufklärung von Ladendiebstählen ein zusätzlicher Aufwand entstehe, ihm von der Warenhauszentrale empfohlen worden sei, diesen einem überführten Ladendieb anzurechnen und ihm deshalb Bereicherungsvorsatz nicht anzulasten sei (vgl. S. 72 f. d.A.).

Rechtliche Beurteilung

Die Verfahrensrüge schlägt nicht durch. Nach der eigenen Darstellung des Angeklagten und nach der Aussage des Zeugen Franz G wird der mit der Aufklärung von Warenhausdiebstählen verbundene - für den Einzelfall nicht ziffernmäßig bestimmbare - Aufwand nicht mit dem Betrieb verrechnet und den damit befaßten Angestellten, die Fixlohn beziehen, auch nicht zusätzlich vergütet (vgl. S. 67 f., 71 d.A.); eine effektive Vermögenseinbuße der bestohlenen Firma, die eine zusätzliche Schadenersatzforderung aus diesem Titel begründen könnte, hatte der für die Aufklärung der Diebstähle verwendete Zeitaufwand sohin nicht zur Folge. Im übrigen erachtete das Erstgericht die Verantwortung des Angeklagten, er habe in Kenntnis (und Entsprechung) einer solchen Weisung gehandelt, mit unbedenklicher Begründung für widerlegt (vgl. S. 73 und 81 d.A); insoweit war es daher zu der begehrten Beweisaufnahme nicht verpflichtet, für deren Erheblichkeit die Richtigkeit dieser als unglaubwürdig abgelehnten Behauptung des Beschwerdeführers Voraussetzung gewesen wäre (vgl. SSt. 34/65).

Aus dem Nichtigkeitsgrund der Z. 5 des § 281 Abs. 1 StPO. wendet sich der Beschwerdeführer zunächst gegen die Annahme, er habe mit Bereicherungsvorsatz gehandelt. Diese wurde vom Erstgericht aber mängelfrei damit begründet, daß der Angeklagte jeweils um etwa 440 S mehr verlangte, als der (durch die Nichtbezahlung des Kaufpreises entstandene) Schaden tatsächlich ausmachte, sich - wie aus seinem Vorgehen gegenüber Theresia D, bei der er sich mit 200 S begnügte, hervorgehe - dieses Mißverhältnisses bewußt war und in einem Fall sogar das dem strafunmündigen Täter abgenommene Diebsgut trotz Bezahlung von 500 S nicht wieder ausfolgte (S. 81 f. d.A.). Soweit in der Beschwerde auch in diesem Zusammenhang auf den mit der Aufklärung solcher Diebstähle verbundenen zusätzlichen Aufwand verwiesen wird, genügt es, auf das zur Verfahrensrüge Gesagte hinzuweisen;

diesem vom Beschwerdeführer ins Treffen geführten Umstand kommt demnach für die Beurteilung der Frage des Bereicherungsvorsatzes keine entscheidungswesentliche Bedeutung zu.

Ebensowenig vermag der Beschwerdeführer mit der Behauptung, das Schöffengericht habe unberücksichtigt gelassen, daß die Kinder, an deren Mütter die gegenständlichen Schadenersatzforderungen gestellt worden seien, im begründeten Verdacht gestanden seien, weitere Diebstähle im I-Großmarkt in Nußdorf -Debant begangen zu haben und er daher der Überzeugung gewesen sei, daß seinem Arbeitgeber Ersatzansprüche von jeweils 500 S tatsächlich zustünden, keinen formellen Begründungsmangel aufzuzeigen: Denn es hat das Gericht dieses Vorbringen des Angeklagten, der sich zum Nachweis des Tatverdachtes auf die Zeugenschaft der Huberta H berufen hatte (S. 72 d.A.) im Urteil ausdrücklich erwähnt (S. 78 d.A.) und zu ihm insoweit Stellung bezogen, als es einerseits auf die Diebstähle dieser Art berücksichtigende Preisgestaltung von Super-Märkten verwies (S. 82 d.A.) und andererseits in den Entscheidungsgründen anführte, der Angeklagte habe die vor dem Untersuchungsrichter aufgestellte Behauptung, er habe den von den Kindern durch Diebstähle versuchten Schaden auf 500 S geschätzt (S. 28 d.A.), in der Hauptverhandlung nicht mehr aufrechterhalten, sondern zugegeben, daß sich seine Forderung nur auf eine Vermutung gründete, die jedoch, wie er schon vor der Gendarmerie einräumte (S. 19 d.A.), nicht beweisbar war (S. 67, 78 d.A.). Im übrigen geht auch sonst aus dem Urteil unmißverständlich hervor, daß der Angeklagte nach der Annahme des Gerichtes von den Frauen in Wahrheit gar nicht den Ersatz eines Schadens begehrte, der dem I -Großmarkt durch einen zusätzlichen Personalaufwand infolge der Aufklärung von Diebstählen in der geforderten Höhe tatsächlich entstanden war, sondern daß er bezüglich der unentdeckten Diebstähle, wie das Erstgericht zutreffend erkannte, Selbstjustiz übte, indem er die Mütter der verdächtigten Kinder durch die Drohung mit Anzeigen einschüchterte (S. 79 d.A.) und solcherart de facto zur Zahlung von Geldbußen veranlaßte. Daß er aber nicht berechtigt war, von den Müttern unter Anzeigedrohung Ersatz für Diebstähle zu verlangen, die ihren Kindern nicht nachzuweisen und (möglicherweise) anderen Personen anzulasten waren, bedurfte keiner weiteren Erörterung in den Entscheidungsgründen, zumal der Beschwerdeführer nicht einmal einen Irrtum in dieser Hinsicht behauptet hat.

Schließlich wird in der Beschwerde aus dem Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs. 1 Z. 10 (richtig: Z. 9 lit. a) StPO. geltend gemacht, die Ankündigung, er werde die Gendarmerie verständigen, falls nicht 500 S als Schadensgutmachung bezahlt werde, sei objektiv nicht geeignet gewesen, den Bedrohten begründete Besorgnisse einzuflößen, weil die als Diebe ergriffenen Knaben strafunmündig gewesen seien und deshalb gegen sie keine Strafanzeige, sondern nur jeweils eine Anzeige oder Meldung, auf Grund der die Erziehungsberechtigten von dem Vorfall unterrichtet worden wären, hätte erstattet werden können. Auch damit ist die Beschwerde nicht im Recht. Sie übersieht, daß mit Strafe bedrohte Handlungen strafunmündiger Personen keineswegs sanktionslos sein müssen; vielmehr hat die Sicherheitsbehörde hievon dem Gericht durch eine Anzeige Mitteilung zu machen, welches sodann berechtigt ist, gemäß § 2 JGG. die erforderlichen vormundschaftsbehördlichen Verfügungen zu treffen. Auch in einem solchen Fall stellt daher die Androhung einer Anzeige über die Begehung einer mit gerichtlicher Strafe bedrohten Handlung, durch welche die Wertschätzung und Achtung eines Menschen in den Augen der für ihn maßgeblichen Umwelt vermindert wird, jedenfalls eine Drohung mit einer Verletzung an der Ehre - unter Umständen sogar im Hinblick auf eine drohende Heimunterbringung eine Drohung mit einer Verletzung an der Freiheit (vgl. EvBl. 1977/223) - dar, die geeignet sein kann und vorliegend aus der Sicht der Erziehungsberechtigten auch tatsächlich geeignet war (vgl. insbesondere S. 70, 80 d.A.), den Bedrohten mit Rücksicht auf die Verhältnisse und ihre persönliche Beschaffenheit begründete Besorgnisse einzuflößen (vgl. Kienapfel, Grundriß BT I, RN. 801;

SSt. 34/48 u.a.).

Schließlich bringt der Beschwerdeführer vor, die Frauen hätten, wie sich aus ihren Zeugenaussagen ergebe, die Zahlung der verlangten Beträge als - wenn auch überhöhte - Schadensgutmachung verstanden. Dieser Teil der Rechtsrüge erweist sich indes schon als nicht gesetzmäßig ausgeführt; nach den bezüglichen Urteilsfeststellungen erklärten sich die Frauen nämlich nur deshalb zur Zahlung eines in keinem Verhältnis zur gestohlenen Ware stehenden Mehrbetrages bereit, weil sie ansonsten eine Anzeige und damit verbundene Unannehmlichkeiten befürchteten (vgl. S. 80 d.A.), und nicht etwa in der Überzeugung, damit eine berechtigte Forderung des Geschädigten zu erfüllen. Die Nichtigkeitsbeschwerde war sohin zu verwerfen.

Das Erstgericht verurteilte den Angeklagten nach § 144 Abs. 1 StGB. zu einer Freiheitsstrafe von sieben Monaten, die es gemäß § 43 Abs. 1 StGB. für eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachsah. Es nahm bei der Strafbemessung die Wiederholung als erschwerend und die 'Unbescholtenheit' als mildernd an. Dem 'Tatsachengeständnis ohne Schuldbekenntnis' billigte es keine Bedeutung zu.

Mit seiner Berufung strebt der Angeklagte unter Hinweis auf seinen Beitrag zur Wahrheitsfindung eine Herabsetzung des Strafmaßes an. Der Berufung kommt Berechtigung zu.

Der Oberste Gerichtshof vermeint, daß über den Angeklagten mit Rücksicht darauf, daß er zur Sache wahrheitsgemäße Angaben gemacht und ersichtlich aus mißverstandenem Diensteifer, und insoferne aus achtenswerten Beweggründen gehandelt hat, eine sechs Monate nicht übersteigende Freiheitsstrafe zu verhängen sei; ferner, daß es im Hinblick auf das bisherige untadelige Vorleben und die Motivation des Angeklagten der Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe nicht bedarf, weshalb über den Berufungswerber gemäß § 37 Abs. 1 StGB. eine Geldstrafe zu verhängen war. Diese entspricht, was die Anzahl der Tagessätze betrifft, dem Verschulden des Angeklagten und trägt bezüglich deren Höhe den aktenkundigen Einkommensverhältnissen und Sorgepflichten des Täters Rechnung. Sie konnte nach Lage des Falles - ausnahmsweise - auch bedingt nachgesehen werden, da nach der Person des Rechtsbrechers und dem Grad seines Verschuldens angenommen werden kann, daß die bloße Androhung der Vollziehung genügen werde, um ihn von weiteren strafbaren Handlungen abzuhalten, und es auch nicht der Vollstreckung der Strafe bedarf, um der Begehung strafbarer Handlungen durch andere entgegenzuwirken.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte