OGH 5Ob657/80

OGH5Ob657/809.9.1980

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizpräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Neutzler als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Marold, Dr. Griehsler, Dr. Winklbauer und Dr. Jensik als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Günther K*****, vertreten durch Dr. Hubert Stüger und Dr. Erich Gugenberger, Rechtsanwälte in Frankenmarkt, wider die beklagte Partei Gemeinde A*****, dieser vertreten durch Mag. jur. Alfred Bergthaler, Rechtsanwalt in Vöcklabruck, wegen 17.432,72 sA, infolge Revisionen beider Parteien gegen das Urteil des Kreisgerichtes Wels als Berufungsgericht vom 14. April 1980, GZ R 75/80-17, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Frankenmarkt vom 13. Dezember 1979, GZ 1 C 132/79-11, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Beiden Revisionen wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Revisionsverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger ist Eigentümer und Halter des Personenkraftwagens Peugeot 504 mit dem pol. Kennzeichen *****. Die Beklagte ist Eigentümerin des Hauses in A*****. Am 24. 1. 1979 fiel von diesem Haus eine Dachlawine auf den PKW des Klägers herab und beschädigte ihn.

Der Kläger begehrte die Verurteilung der Beklagten zur Bezahlung eines Betrages von 17.432,72 S sA an Reparaturkosten und Spesen mit folgender Begründung:

Er habe am 24. 1. 1979 gegen 19 Uhr seinen PKW neben dem Haus K***** auf einer öffentlichen Verkehrsfläche abgestellt. An dieser Stelle hätten sich keinerlei Hinweiszeichen auf eine Dachlawinengefahr befunden. Wegen der herrschenden Dunkelheit habe er überhängende Schneemassen nicht erkennen können. Die Beklagte habe es unterlassen, die gefährlichen Schneemassen rechtzeitig vom Hausdach zu entfernen. Die Beklagte bestritt das Klagebegehren dem Grunde und der Höhe nach, beantragte Klageabweisung und wendete ein:

Der Kläger habe seinen PKW nicht auf einer öffentlichen Verkehrsfläche, sondern auf ihrem nicht für den öffentlichen Verkehr bestimmten Privatgrund abgestellt, wozu er nicht berechtigt gewesen sei. In unmittelbarer Nähe der nachmaligen Unfallstelle sei ein geräumter Parkplatz vorhanden gewesen. Das Haus K***** besitze einen Schneefang. Vor dem Unfall habe es keine überhängenden Schneemassen gegeben. Zur Aufstellung von Schneestangen habe kein Anlass bestanden. Es hätten insbesondere keine derartigen Witterungsverhältnisse geherrscht, die das Abgehen von Dachlawinen begünstigt hätten. Sie habe daher ihre Sicherungspflicht nicht verletzt. Der Kläger sei infolge von wiederholten Besuchen bei seinem Vater, der im Haus K***** gewohnt habe, ortskundig gewesen und hätte eine Gefahrensituation, wenn sie bestanden hätte, selbst erkennen müssen. Auch wäre der Vater des Klägers als Inhaber einer Dienstwohnung in dem Haus diesfalls verpflichtet gewesen, dem Kläger das Abstellen des Fahrzeuges neben dem Haus zu untersagen oder ihn entsprechend zu warnen oder allfällige Vorsichtsmaßnahmen zu treffen. Bisher seien vom gegenständlichen Gebäude noch keine Dachlawinen abgegangen.

Der Kläger replizierte, vor dem Unfall habe es einige Stunden lang geregnet, sodass das Abgehen einer Dachlawine für die Beklagte zu erwarten gewesen sei. Der Schneerechen sei für die damaligen Schneemassen unzureichend gewesen. Da seine, des Klägers, Eltern im Unfallszeitpunkt in dem Haus gewohnt hätten, sei der Kläger zum Abstellen seines Personenkraftwagens vor dem Haus berechtigt gewesen. Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es stellte folgenden Sachverhalt fest:

Das Haus K***** in A***** ist das alte Volksschulgebäude des Ortes. Es wird seit 1968 zur Unterbringung von zwei Lehrerfamilien verwendet. Das auf einem Berg in der Nähe der Kirche allein stehende Haus befindet sich etwa 50 m oberhalb des Ortszentrums. Der Hausgiebel steht zur vorbeiführenden Straße senkrecht. Die Vorderfront (Breitseite) des Hauses ist etwa 3,4 m von der Fahrbahnkante entfernt. Das Hausdach hat eine Länge von 14 m. Die Dachtraufe ist etwa 7 m über dem Niveau. Der Dachgiebel ist etwa 6 m oberhalb der Dachtraufe. Das Dach ist mit Dachziegeln gedeckt und hat einen Neigungswinkel von ca 30 Grad. Etwa 50 bis 70 cm von der Dachrinne entfernt befindet sich über die gesamte Länge des Daches ein eiserner Schneerechen. Dieser ist etwa 20 cm hoch. Dort, wo der Schneefang auf dem Dach montiert ist, beträgt der Neigungswinkel des Daches nur etwa 18 Grad. In diesem Bereich ist das Dach mit Eternitplatten eingedeckt. Der Hauseingang befindet sich an der Längsseite des Hauses, etwa 7,5 m von der Fahrbahnkante entfernt. Zu diesem Hauseingang führt von der Straße rechtwinkelig ein Weg, der etwa 3,9 m breit ist. Nach etwa 18 m endet dieser Weg bei einer Hausmauer. Der Vater des Klägers ist pensionierter Schuldirektor und besaß im ersten Stock des ehemaligen Schulgebäudes eine Dienstwohnung, die er im Zeitpunkt des gegenständlichen Unfalles bereits durch etwa 10 Jahre bewohnt hatte. Der Kläger, der in Salzburg wohnt, hatte in der elterlichen Wohnung ein Zimmer als Zweitwohnsitz. Am 24. 1. 1979 betrug die Schneehöhe auf dem Dach etwa 30 bis 40 cm. An diesem Tag waren die Außentemperaturen stark angestiegen. Am Nachmittag setzte starker Schneefall, vermischt mit Regen, ein. Der Vater des Klägers hatte den Zugang von der K***** bis zum Hauseingang mit der Schaufel vom Schnee geräumt. Weiters hatte er für das Abstellen des Kraftfahrzeuges des Sohnes beim Hauseingang einen Platz ausgeschaufelt. Eine überhängende Dachlawine (Schneewächte) war nicht vorhanden. Bisher war an dieser Stelle niemals eine Dachlawine abgegangen. Die letzte Dachlawine ging etwa 7 Jahr vor dem gegenständlichen Unfall von der gegenüberliegenden Dachseite ab und fiel dort in die Wiese (Hausgarten). Der Schneepflug der beklagten Gemeinde räumte die K***** am 24. 1. 1979 am späten Nachmittag vom Schnee. Auch der etwa 20 m vom Haus entfernte Parkplatz wurde vom Schneepflug zumindest in einer Fahrspur geräumt. Der Hauszugang von der K***** bis zum Haustor wird von der beklagten Gemeinde niemals geräumt und auch nicht gestreut. Das Räumen des Zugangsweges wird von den Bewohnern des Hauses, der Lehrerin L***** oder dem Vater des Klägers, besorgt. Es gibt keinen Plan für das Räumen dieses Zugangsweges. Ein Hausbesorger ist nicht vorhanden. Das Dach wurde noch niemals vom Schnee geräumt. Vom Dach herunterhängende Schneewächten sind niemals aufgetreten. Schneestangen wurden niemals aufgestellt. Das Dach wurde auf Kosten der Beklagten ständig instandgehalten. der Schneerechen war zum Zeitpunkt des Unfalles intakt. Der Kläger stellte seinen PKW gegen 18.30 Uhr vor dem Hauseingang auf dem von seinem Vater ausgeschaufelten Zufahrtsweg ab. Etwa gegen 19 Uhr fiel im Bereich des Hauseinganges, etwa 7,5 m vom Fahrbahnrand entfernt, eine Dachlawine auf den PKW. Hiedurch entstand am Dach des Kraftwagens eine große Eindellung. Die Reparaturkosten werden einschließlich der Umsatzsteuer 17.232,70 S ausmachen und sind mit diesem Betrag preisangemessen. Der Kläger hat diesen Abstellplatz ständig für seinen PKW benützt. Die Eltern des Klägers waren am Tag des Unfalles in ihrer Wohnung. Sie befürchteten keine Dachlawine. Auch der Kläger besorgte keine Gefahr. Beim Zugangsweg befindet sich keine Tafel, die das Abstellen von Kraftfahrzeugen verbieten oder für die Hausbewohner erlauben würde. Im Zusammenhang mit der Dachlawine hatte der Kläger drei Telefonate und mehrere Fahrten durchzuführen. Seine Spesen hiefür betragen etwa 200 S.

Diesen Sachverhalt unterzog das Erstgericht nachstehender rechtlichen Beurteilung:

Nach § 93 Abs 2 StVO hätten die Eigentümer von Liegenschaften dafür zu sorgen, dass überhängende Schneewächten oder Eisbildungen von den Dächern ihrer an der Straße gelegenen Gebäude entfernt werden. Im gegenständlichen Fall befinde sich das abfallende Dach des Hauses der Beklagten oberhalb des gemeindeeigenen Hauszuganges auf der gemeindeeigenen Liegenschaft und nicht oberhalb einer öffentlichen Verkehrsfläche. Die Dachlawine sei etwa 7,5 m von den Fahrbahnrand der öffentlichen Straße entfernt heruntergefallen. Eine überhängende Schneewächte habe vorher nicht festgestellt werden können. Eine Haftung der Beklagten als Hauseigentümerin nach § 93 Abs 2 StVO sei daher auszuschließen. Die Haftung der Beklagten als Hauseigentümerin könne sich jedoch auch im Sinne des §§ 1318 und 1319 ABGB auf Verschulden gründen. Nach diesen Gesetzesbestimmungen sei der Hauseigentümer nur dann von einer Haftung frei, wenn es zu einem Absturz der Dachlawine gekommen sei, obwohl er die nach den Umständen gebotene Sorgfalt angewendet habe. Da die Beklagte auf dem Dach ihres Hauses eiserne Schneerechen angebracht habe, habe sie in hinreichender Weise vorgesorgt, um das Abrutschen von Schnee zu verhindern. Dass die Hausbewohner selbst eine Gefährdung nicht erkannt hätten, ergebe sich schon daraus, dass der Vater des Klägers den Zugangsweg ausgeschaufelt habe, damit dort der PKW abgestellt werden könne. Habe nun der Kläger selbst als langjähriger Bewohner des Hauses bzw als Besucher der Hausbewohner trotz des starken Schneefalls, des anschließenden Temperaturanstiegs und des Reges mit einem Abrutschen von Schneemassen nicht gerechnet, dann sei eine Gefahr für die Bediensteten der Beklagten um so weniger erkennbar gewesen. Die Gefahrenquelle sei für die Vertreter der beklagten Gemeinde viel schwerer zu erkennen als für den Kläger. Da das Gebäude nicht an einer öffentlichen Straße liege, hätten auch Schneestangen nicht aufgestellt werden müssen. Der Kläger kenne die örtlichen Verhältnisse und habe daher auch niemals erwarten können, dass an dieser vom Ortszentrum weit entfernten Stelle - noch dazu auf Privatgrund - Schneestangen aufgestellt würden. Da mithin der Beklagten ein Verschulden nicht angelastet werden könne, sei die Klage abzuweisen gewesen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers teilweise Folge und verurteilte die Beklagte unter Abweisung des Mehrbegehrens zur Bezahlung eines Betrages von 8.716,36 S sA. Es verneinte den vom Kläger geltendgemachten Verfahrensmangel und führte zu dessen Rechtsrüge aus:

Die Bestimmung des § 93 Abs 2 StVO sei nur zum Schutz von öffentlichen Verkehrsflächen erlassen worden. Vom Kläger werde nicht bekämpft, dass sein PKW auf einem nicht dem öffentlichen Verkehr gewidmeten Grund der Beklagten abgestellt war. Da die Anwendbarkeit des § 93 Abs 2 StVO auf objektive Kriterien abgestellt sei, seien Feststellungen darüber entbehrlich, ob sich der Bereich der öffentlichen Verkehrsflächen vom anschließenden Grund, der von der beklagten Gemeinde nicht zur Benützung für die Allgemeinheit gewidmet sei und zum Haus K***** gehöre, niveaumäßig unterscheide. Nach der neueren Rechtsprechung und Lehre (SZ 45/32; Koziol, Österr. Haftpflichtrecht II 319 und die dort unter FN 44 zitierten Autoren) sei die Ablehnung einer unmittelbaren Anwendung des § 1319 ABGB auf Dachlawinen sicherlich gerechtfertigt. Die analoge Anwendung dieser Bestimmung sei hingegen durchaus möglich, ja sogar geboten. Es sei zwar richtig, dass die in Frage stehende Norm auf die mangelhafte Beschaffenheit des Werkes abstelle. Dies werde deshalb getan, weil durch den Mangel eine gefährliche Situation geschaffen werde. Die gleiche Gefahr des Absturzes aus größerer Höhe sei jedoch auch bei Schnee auf dem Dach gegeben. Es sei sogar wahrscheinlich, dass sich der Schnee vom Dach des Hauses, als dass sich ein Bestandteil desselben ablöse und herunterfalle. Da in beiden Fällen die Gefahr des Absturzes nicht sicher (mangelhaft) befestigter Teile aus größerer Höhe bestehe und in beiden Fällen allein der Hausbesitzer die Möglichkeit der Beseitigung der Gefahrensituation habe, erscheine die Anwendung des § 1319 ABGB auf Dachlawinen durchaus gerechtfertigt. Es möge im vorliegenden Fall dahingestellt bleiben, ob § 1319 ABGB eine verschuldensunabhängige Haftung, die auf der durch einen Mangel erhöhten Gefährlichkeit eines Bauwerkes und dem objektiven Fehlverhalten des Besitzers beruhe, normiere, oder nur eine Verschuldenshaftung mit umgekehrter Beweislast anordne. Es habe nämlich im vorliegenden Fall die Beklagte keineswegs den Beweis erbracht, alle Vorkehrungen getroffen zu haben, die sie nach der Auffassung des Verkehrs vernünftigerweise zur Abwendung des hier in Frage stehenden Schadens treffen hätte müssen (Koziol aaO 323). Es sei durchaus zumutbar, bei der festgestellten außergewöhnlichen Wetterlage eine Inspektion der Dächer durchzuführen und durch geeignete Maßnahmen den Frequentanten des in Frage stehenden Hauses die drohende Gefahr anzuzeigen. Habe am fraglichen Tag bei einem 20 cm hohen Schneerechen die Schneelage auf dem Dach etwa 30 bis 40 cm betragen und noch zusätzlich bei höheren Außentemperaturen Schneefall vermischt mit Regen eingesetzt, so sei schon nach der allgemeinen Lebenserfahrung bei einer Dachneigung von 30 Grad der Abgang von Dachlawinen nicht mehr auszuschließen. Die Haftung der Beklagten sei daher grundsätzlich zu bejahen. Da die Beklagte das Vorliegen des Alleinverschuldens des Klägers eingewendet habe, sei noch zu prüfen, ob diesen ein Mitverschulden treffe. Diese Frage müsse ebenfalls bejaht werden. Dem Kläger seien grundsätzlich die gleichen Beobachtungsmöglichkeiten zur Verfügung gestanden, und als Mitbewohner des Hauses ***** müsse er auch als ortskundig angesehen werden. Der Kläger behaupte nicht, dass ihm die Beobachtungsmöglichkeit völlig genommen gewesen wäre. Im Übrigen wäre ihm auch zumutbar gewesen, bei seinen Eltern die entsprechenden Erkundigungen über die Wetter- und Schneelage in den letzten Stunden vor Abstellung seines PKW einzuholen und den Parkplatz so zu wählen, dass er der Gefahr des Abganges einer Dachlawine vorgebeugt hätte. Das gleichteilige Mitverschulden des Klägers sei demnach darin zu erblicken, dass er die Gefahren der eingetretenen Verschlechterung der Wetterlage (Temperaturanstieg, starker Schneefall mit Regen vermischt) auch selbst völlig unbeachtet gelassen habe. Schon bei durchschnittlicher Aufmerksamkeit hätte auch ihm klar werden müssen, dass diese wettermäßigen Vorgänge die Möglichkeit von Dachlawinen mit sich bringen könnten und dass das Abstellen eines Kraftwagens im möglichen Absturzbereich von derartigen Lawinen Gefahren in sich bergen könne (7 Ob 749/79).

Gegen das Berufungsurteil richten sich die Revision beider Streitteile.

Der Kläger ficht das Berufungsurteil in seinem abweisenden Teil aus dem Revisionsgrund des § 503 Z 4 ZPO an und beantragt dessen Abänderung im Sinne einer Klagestattgebung in vollem Umfang. Hilfsweise stellte er einen Aufhebungsantrag.

Die Beklagte ficht das Berufungsurteil in seinem stattgebenden Teil aus den Revisionsgründen des § 503 Z 3 und 4 ZPO an und beantragt die Wiederherstellung des Urteiles erster Instanz. Auch sie stellt hilfsweise einen Aufhebungsantrag.

Beide Parteien beantragen, dem Rechtsmittel der Gegenseite nicht Folge zu geben.

1.) Zur Revision der Beklagten:

Im gegenständlichen Fall geht es um die Haftung des Hauseigentümers für Schäden, die eine vom Dach seines Hauses auf den zum Hauseingang führenden, auf seinem Privatgrund befindlichen Weg abgehende Schneelawine verursachte. Eine Beurteilung dieser Haftung nach § 93 Abs 2 StVO scheide hier - wie die Vorinstanzen zutreffend erkannt haben und im Revisionsverfahren nicht mehr strittig ist - aus, weil der in Rede stehende Weg kein Straße mit öffentlichem Verkehr ist. Eine Anwendung des § 1318 ABGB kommt schon nach der grammatikalischen und logischen Interpretation dieser Gesetzesbestimmung nicht in Frage (SZ 45/32 ua). Eine unmittelbare Anwendung des § 1319 ABGB auf reine Dachlawinen ist gleichfalls abzulehnen (siehe die von Berufungsgericht zitierte Lehr und Rechtsprechung). Eine analoge Anwendung des § 1319 ABGB, wie es die neuere Lehre (Koziol, Österr. Haftpflichtrecht II 319 mit weiteren Nachweisen), der sich das Berufungsgericht auch anschloss, mit beachtlichen Gründen fordert (vgl dazu die Entscheidungen EvBl 1978/112 und 3 Ob 598/79, die diese Frage dahingestellt sein lassen; gegen eine solche Anwendung JBl 1965, 469), ist, zieht man die allgemeinen schadenersatzrechtlichen Vorschriften der §§ 1295 ff ABGB als Haftungsgrundlage heran nicht erforderlich:

Nach den von den Vorinstanzen festgestellten örtlichen und sonstigen Verhältnissen musste sich die Beklagte auf Grund der allgemeinen Lebenserfahrung darüber im Klaren sein, dass der von der Straße bis zu dem von dieser 7,5 m entfernten Eingang ihres Hauses K***** führende, etwa 3,9 m breite Weg von den Bewohnern des Hauses und deren Besuchern nicht nur als Zugangs-, sondern auch als Zufahrtsweg sowie zum Abstellen von Fahrzeugen verwendet wird, zumal sie letzteres nicht verboten hat. Nun ist den allgemeinen schadenersatzrechtlichen Bestimmungen des ABGB die allgemeine Rechtspflicht zu entnehmen, die körperliche Unversehrtheit und das Eigentum eines anderen nicht zu gefährden. Aus dieser Pflicht folgt, dass derjenige, der eine Gefahrenquelle schafft, die notwendigen Vorkehrungen zu treffen hat, um eine von dieser drohende Schädigung nach Tunlichkeit zu vermeiden (siehe die in MGA 230 unter Nr 16e zu § 1295 ABGB abgedruckten Entscheidungen, EvBl 1975/3, ZVR 1975/159, 6 Ob 807/77 ua), wobei letztere bei Eröffnung eines beschränkten Verkehrs gegenüber jenen Personen besteht, für die der Verkehr eröffnet wurde (5 Ob 353/61 und andere, zuletzt etwa 8 Ob 240/76, 6 Ob 807/77). Dabei bestimmen sich der zur Abwendung der Gefahr eines Schadens durch abgehende Dachlawinen anzuwendende Grad der Sorgfalt sowie die Art und der Umfang der Sicherungspflicht des Hauseigentümers nach den im Einzelfall gegebenen Verhältnissen, also insbesondere nach der Witterung, der Bauart des Gebäudes, insbesondere des Daches, der örtlichen Lage des Gebäudes und dergleichen (ZVR 1973/29 u 105, ZVR 1974/53, ZVR 1975/269, 6 Ob 807/77, 3 Ob 598/79 und andere). Im Falle des Eintrittes eines Schadens durch rechtswidrige Unterlassung hat derjenige, den die Pflicht zur Absicherung einer Gefahrenquelle oder insbesondere die Verkehrssicherungspflicht tritt, zu behaupten und zu beweisen, dass er unter Anwendung der verkehrsüblichen Aufmerksamkeit und notwendigen Sorgfalt alle ihm zumutbaren Vorkehrungen zur Hinterhaltung einer Gefährdung der körperlichen Unversehrtheit und des Eigentums eines anderen getroffen oder damit einen tüchtigen Besorgungsgehilfen betraut und diesen, wenn nötig, gehörig überwacht hat (EvBl 1959/322; JBl 1975, 544; 7 Ob 103/75, 4 Ob 588/76, 8 Ob 137/77; vgl auch die bei Koziol, österr. Haftpflichtrecht I 266 in FN 47 zitierten Entscheidungen SZ 34/137 und EvBl 1967/112; anderer Meinung allerdings Koziol aaO II 61 nach FN 310). Man gelangt demnach in Fällen wie dem gegenständlichen, in denen § 93 Abs 2 StVO nicht anwendbar ist, auch ohne analoge Anwendung des § 1319 ABGB zur Annahme einer Verschuldenshaftung des Schädigers mit Beweislastumkehr.

Als aktenwidrig rügt die Beklagte die vom Berufungsgericht gegebene „Gefahrenbegründung", bei einem 20 cm hohen Schneerechen, einer Schneelage auf dem Dach von etwa 30 bis 40 cm, höheren Außentemperaturen und Schneefall vermischt mit Regen sei schon nach der allgemeinen Lebenserfahrung bei einer Dachneigung von 30 % der Abgang von Dachlawinen nicht mehr auszuschließen. Das Erstgericht habe nämlich eine Dachneigung von nur 18 % festgestellt. Bei Berücksichtigung dieser Dachneigung hätte das Berufungsgericht zu dem Ergebnis kommen müssen, dass die Beklagte mit einem Abgang von Dachlawinen selbst bei Vorliegen der übrigen vom Berufungsgericht angenommenen Verhältnisse nicht habe rechnen müssen. Eine Aktenwidrigkeit im Sinne des § 503 Z 3 ZPO ist nur dann gegeben, wenn das Berufungsgericht seinem Urteil in einem wesentlichen Punkt eine tatsächliche Voraussetzung zugrunde legte, die mit den Prozessakten erster oder zweiter Instanz im Widerspruch steht. Derartiges vermag die Beklagte nicht aufzuzeigen. Das Berufungsgericht gab die erstrichterlichen Tatsachenfeststellungen, wonach das Dach im oberen Teil einen Neigungswinkel von etwa 30 Grad und dort, wo der Schneefang montiert ist, einen solchen von 18 Grad aufweist, richtig wieder. Wenn es bei der Beurteilung der Gefahr eines Abgehens von Dachlawinen unter den vom Erstgericht festgestellten Verhältnissen den Neigungswinkel des Daches im oberen Teil heranzog, ist dies sachlich nicht unzutreffend, weil die Dachlawinengefahr auch von der Steilheit des Daches im oberen Teil abhängt, von wo die Schneemassen abrutschen und auf die im unteren Teil des Daches liegenden Schneemassen drücken.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsgrund des § 503 Z 3 ZPO liegt daher nicht vor. In Ausführung der Rechtsrüge vertritt die Beklagte zunächst den Standpunkt, der Vater des Klägers und die Lehrerin L***** hätten dadurch, dass sie allein die Räumung des Weges vom Schnee besorgt hätten, die auch die Schneeräumung vom Dach umfassende Schneeräumungspflicht übernommen und die Beklagte von der Haftung für Schäden an parkenden Fahrzeugen durch abgehende Dachlawinen befreit. Dieser Argumentation kann abgesehen davon, dass sie erst im Revisionsverfahren gewählt wurde, nicht gefolgt werden. Selbst wenn man zugunsten der Beklagten davon ausgeht, dass der Hauseigentümer - auch außerhalb des Geltungsbereiches des § 93 Abs 5 StVO - die Besorgung seiner Angelegenheiten einem Dritten (einem Hausmiteigentümer, dem Hausverwalter oder Hausbesorger, einem Hausbewohner) übertragen und seine Haftung dadurch auf den Umfang des § 1315 ABGB beschränken kann (vgl dazu Koziol, aaO II 56 f), ist nämlich in dem bloßen Umstand, dass der Hauseigentümer die Räumung des Weges zum Hauseingang des Hausbewohnern überlässt, eine (mit der vorgenannten Wirkung ausgestattete) Übertragung auch der Hauseigentümerpflichten hinsichtlich von Vorkehrungen gegen Dachlawinen nicht zu erblicken. Schon um der erforderlichen Rechtssicherheit willen müsste dazu eine eindeutige rechtsgeschäftliche Erklärung verlangt werden, die allerdings auch schlüssig abgegeben werden könnte (SZ 45/32), welche Voraussetzungen hier eben in keiner Weise zutreffen. Dazu kommt, dass die Beklagte weder behauptet noch bewiesen hat, dass es sich beim Vater des Klägers und der Lehrerin L***** um tüchtige Besorgungsgehilfen handelte, deren Überwachung nicht erforderlich war oder gehörig besorgt wurde.

Die Auffassung des Berufungsgerichtes, sie hätte auf Grund der vor Eintritt des Schadens herrschenden Verhältnisse bei gehöriger Aufmerksamkeit die Gefahr eines Dachlawinenabganges erkennen können, versucht die Beklagte mit dem Hinweis darauf zu widerlegen, dass auch der Kläger und sein Vater diese Gefahr nicht erkannt hätten. Dieser Hinweis ist nicht überzeugend. Der Oberste Gerichtshof pflichtet vielmehr dem Berufungsgericht darin bei, dass ungeachtet der vorhandenen Schneerechen und ungeachtet dessen, dass bisher an dieser Stelle noch keine Dachlawine abging, bei der gegebenen Dachkonstruktion, der vorhandenen Schneehöhe und den herrschenden Witterungsverhältnissen das Nichterkennen der Dachlawinengefahr sowohl der Beklagten als auch dem Kläger und seinem Vater zum Vorwurf zu machen ist. Zumindest hat die Beklagte das Vorliegen von besonderen Umständen, die für sie dennoch die Erkennbarkeit der Gefahr ausgeschlossen hätten, weder behauptet noch nachgewiesen. Da die Haftung der Beklagten, wie bereits eingangs dargelegt wurde, auf der allgemeinen Rechtspflicht beruht, die körperliche Unversehrtheit und das Eigentum eines anderen nicht zu gefährden, und diese Pflicht unabhängig von einer etwaigen Vertragsbeziehung zwischen Schädiger und Geschädigtem besteht, braucht auf die Frage, ob zwischen den Streitteilen eine vertragliche Vereinbarung bestand, nicht eingegangen zu werden. Unbefugt benützte der Kläger den Weg zum Abstellen seines Kraftwagens nicht, weil er dies zumindest in seiner Eigenschaft als Besucher seines Vaters, eines Hausbewohners, tat und das Abstellen von Kraftfahrzeugen auf dem Weg auch nicht von der Beklagten verboten worden war (vgl dazu Koziol, Österr. Haftpflichtrecht II 55 bei und nach FN 262).

Es versagt mithin auch die Rechtsrüge der Beklagten.

2.) Zur Revision des Klägers:

Zunächst ist festzuhalten, dass das Berufungsgericht zu Recht das Vorliegen eines Mitverschuldens des Klägers prüfte, weil die Beklagte in erster Instanz dessen Alleinverschulden einwendete (JBl 1967, 320; ZVR 1973/1).

Der Kläger hält im Revisionsverfahren seine Ansicht aufrecht, dass ihn keinerlei Mitverschulden treffe. Er habe (zum Unterschied von der Beklagten) infolge der Dunkelheit keine Möglichkeit gehabt, das Dach und die Schneelage zu beobachten; überhängende Schneewächten seien nicht vorhanden gewesen. Überdies habe er annehmen können, die Beklagte habe eine über das normale Maß hinausgehende höhere Schneelage bereits entfernt.

Diese Ausführungen sind nicht geeignet, die vom Berufungsgericht vorgenommene Verschuldensteilung im Verhältnis 1:1 als Fehlbeurteilung erkennen zu lassen. Auf Grund welcher Umstände der Kläger habe annehmen können, die Beklagte habe eine über das normale Maß hinausgehende höhere Schneelage bereits entfernt, wurde weder in erster Instanz noch im Rechtsmittelverfahren dargelegt. Die Beobachtungsschwierigkeiten bei Dunkelheit fallen hier deswegen nicht so entscheidend ins Gewicht, weil der Kläger infolge der häufigen Besuche bei seinen Eltern (laut seiner Aussage AS 43 durchschnittlich zweimal im Monat) als mit den Verhältnissen (örtlichen Verhältnissen, Dachgestaltung, üblicher Schneereinigung) vertraut angesehen werden muss und bei der Beurteilung des gegenständlichen Falles die außergewöhnlichen Witterungsverhältnisse im Vordergrund stehen, die vor dem Unfall herrschten. Diese konnte der Kläger aber selbst feststellen oder bei seinen Eltern unschwer erfragen. Der Oberste Gerichtshof kommt mithin unter Berücksichtigung der von beiden Parteien ins Treffen geführten Argumente gleich dem Berufungsgericht zu dem Ergebnis, dass eine Verschuldensteilung im Verhältnis 1:1 der Sach- und Rechtslage entspricht. Auch die Rechtsrüge des Klägers ist demnach nicht gerechtfertigt. Es war daher beiden Revisionen ein Erfolg zu versagen. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 43 Abs 1 und 50 ZPO.

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