Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 29. August 1963 geborene (jugendliche) Angeklagte Erich A der Vergehen 1.) der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs. 1 StGB und 2.) des Imstichlassens eines Verletzten nach § 94 Abs. 1 StGB schuldig erkannt, weil er am 23. März 1979 in Vöcklabruck zu 1.): als Mopedlenker den die Fahrbahn der Brucknerstraße - in seiner Fahrtrichtung gesehen - von links nach rechts überquerenden 70-jährigen Fußgeher Alois B infolge verspäteter Reaktion und Nichtbeachtung des Rechtsfahrgebotes (§ 7 Abs. 1 StVO) niederstieß und hiebei leicht verletzte und zu 2.): es (anschließend) unterließ, dem Alois B, dessen Verletzung am Körper er verursacht hatte, die erforderliche Hilfe zu leisten. Mit seiner Nichtigkeitsbeschwerde bekämpft der Angeklagte Erich A unter Geltendmachung der Nichtigkeitsgründe der Z 5, 9 lit. a und lit. b des § 281 Abs. 1 StPO nur den zu Pkt. 2.) des Urteilssatzes bezeichneten Schuldspruch wegen des Vergehens nach § 94 Abs. 1 StGB.
Mit dem Beschwerdevorbringen zum erstangeführten Nichtigkeitsgrund reklamiert der Angeklagte einen dem Ersturteil anhaftenden Widerspruch, weil darin einerseits festgestellt werde, daß er von der Unfallstelle weggefahren sei, ohne sich vorher darüber informiert zu haben, ob Alois B verletzt sei, andererseits aber ausgesprochen werde, daß er beim Unfallsopfer eine blutende Verletzung wahrgenommen habe.
Mit diesem Vorbringen vermag aber der Beschwerdeführer einen inneren Widerspruch des Ersturteils in der Bedeutung des Nichtigkeitsgrundes der Z 5 des § 281 Abs. 1 StPO nicht aufzuzeigen. Wenngleich § 94 Abs. 1 StGB nicht schon denjenigen mit Strafe bedroht, der es unterläßt, sich davon zu überzeugen, ob Hilfe erforderlich ist, ergibt sich doch aus der gegen das Imstichlassen eines Verletzten gerichteten Strafdrohung mittelbar die Notwendigkeit einer Überprüfung in dieser Richtung. Eine zweckentsprechende Hilfeleistung durch den Verursacher setzt nämlich in der Regel voraus, daß sich dieser darüber unterrichtet, in welchem Umfang das Opfer Hilfe nötig hat.
Daraus folgt, daß ein Täter, der es vorsätzlich unterläßt, sich (sogleich) davon zu überzeugen, welcher Art die Hilfebedürftigkeit des Verletzten ist, und der sich deshalb auch nicht um diesen kümmert, - abgesehen von dem Fall, daß das Unfallopfer objektiv nicht hilfebedürftig ist - nur dann straflos bleibt, wenn ihm (dem Täter) eine Hilfeleistung im Sinne des § 94 Abs. 3 StGB nicht zuzumuten war (EvBl. 1976/235). Selbst wenn daher der Angeklagte - entgegen der vorerwähnten Urteilsfeststellung - die blutende Verletzung des Alois B nicht wahrgenommen haben sollte, bleibt ihm gegenüber jedenfalls der - ihn nach dem Ersturteil gleichfalls treffende -
weitere Vorwurf aufrecht, es (vorsätzlich) unterlassen zu haben, sich sogleich nach dem Unfall davon zu überzeugen, welcher Art die Hilfsbedürftigkeit des Unfallsopfers war. Da Alois B durch den vom Angeklagten (fahrlässig) herbeigeführten Unfall tatsächlich erheblich verletzt wurde und auf Grund dieser Verletzung - wie das Erstgericht feststellte - objektiv einer Hilfe bedurfte, trifft den Angeklagten, der nach dem Unfall mit dem Moped wegfuhr, ohne sich um das Opfer zu kümmern, und sich dadurch (vorsätzlich) seiner Verpflichtung zur Erbringung der erforderlichen Hilfe entzog, jedenfalls die strafrechtliche Haftung nach § 94 Abs. 1 StGB. Der vom Beschwerdeführer in seiner Mängelrüge angeführte Widerspruch im Ersturteil betrifft somit letztlich keinen entscheidungswichtigen Umstand.
Rechtliche Beurteilung
Dem Beschwerdevorbringen zum Nichtigkeitsgrund der Z 9 lit. a des § 281 Abs. 1 StPO mit dem der Angeklagte einen dem Ersturteil anhaftenden Feststellungsmangel behauptet, weil ihn die unmittelbar nach dem Unfall einsetzende Schockwirkung zu einer Hilfeleistung unfähig gemacht habe, sodaß ihm aus diesem Grund in subjektiver Beziehung die Unterlassung der Hilfeleistung in der hiezu erforderlichen Schuldform des Vorsatzes nicht angelastet werden könnte, genügt es entgegenzuhalten, daß sich der Angeklagte mit einer ihn an der Hilfeleistung hindernden Schockwirkung nach dem Unfall weder vor der Gendarmerie (S 17 und 18) noch in der Hauptverhandlung (S 87 bis 89) verantwortet hat und auch die übrigen Verfahrensergebnisse - so kam der Beschwerdeführer, nachdem er sich mit dem Moped vom Unfallsort entfernt hatte, noch einmal kurz dorthin zurück, machte aber sogleich wieder kehrt (vgl. Zeuge C, S 16, 56 und 91;
Ersturteil, S 103) - keine Anhaltspunkte für das erstmalig in der Nichtigkeitsbeschwerde behauptete Vorliegen einer solchen Schockwirkung bieten, sodaß für das Erstgericht kein Anlaß bestand, sich im Urteil mit dieser nach den Beweisergebnissen gar nicht aktuellen Frage näher zu befassen und hiezu Feststellungen zu treffen.
Es versagt aber auch die auf die Z 9 lit. b des § 281 Abs. 1 StPO gestützte Rechtsrüge, mit der sich der Beschwerdeführer auf einen schuldausschließenden Rechtsirrtum über die ihn persönlich treffende Hilfeleistungspflicht (§ 9 StGB) beruft. Vorweggenommen sei, daß dem Verursacher einer Verletzung die ihn primär treffende Verpflichtung obliegt, selbst sogleich die erforderliche Hilfe zu leisten, und die bloße Anwesenheit dritter Personen am Unfallsort, auch wenn diese gemäß § 95 StGB oder nach § 4 Abs. 2 StVO gleichfalls zur Hilfeleistung oder zur Herbeiholung von Hilfe verpflichtet sind, ihn von dieser Verpflichtung solange nicht entbindet, bis der Verletzte tatsächlich sachkundige und ausreichende Hilfe von anderer Seite erhält (EvBl. 1976/235, ÖJZ-LSK 1978/185;
Leukauf-Steininger2, RN 10 zu § 94 StGB). Der Versuch des Beschwerdeführers, einen ihn entschuldigenden Rechtsirrtum über seine Verpflichtung zur Hilfeleistung daraus abzuleiten, daß er die Anwesenheit des Zeugen C am Unfallsort, der sich tatsächlich um das Unfallsopfer gekümmert habe, für ausreichend hielt, schlägt zunächst schon deshalb fehl, weil der Angeklagte zumindest in der Hauptverhandlung einen solchen ihm unterlaufenen Rechtsirrtum gar nicht behauptet hat. Eine in diese Richtung weisende Verantwortung könnte allenfalls aus seinen Angaben vor der Gendarmerie erschlossen werden (S 18), denen zufolge er nicht gewußt haben will, daß er die Unfallsstelle (ohne vorherige Hilfeleistung) nicht hätte verlassen dürfen. Selbst wenn aber beim Angeklagten in diesem Belang ein Irrtum vorgelegen sein sollte, wäre ihm dieser - wie das Erstgericht zutreffend erkannte - trotz seines jugendlichen Alters jedenfalls vorzuwerfen. Denn als unfallsbeteiligten Fahrzeuglenker traf ihn (auch) schon gemäß § 4 Abs. 2 StVO die Verpflichtung, dem beim Verkehrsunfall Verletzten Hilfe zu leisten. Für die Unkenntnis dieser Bestimmung der Straßenverkehrsordnung hat grundsätzlich jedermann, sobald er die Lenkung eines Fahrzeuges übernimmt, einzustehen. Daran vermag auch der Umstand nichts zu ändern, daß der Angeklagte infolge seines Alters von unter 16 Jahren nach dem Gesetz (§ 64 Abs. 1 KFG) zum Lenken eines Motorfahrrades noch gar nicht befugt war. Kommt - so wie hier - noch hinzu, daß den Angeklagten ein - von ihm unbestritten gebliebenes (S 87) - Verschulden an der Herbeiführung der Verletzung des Alois B trifft, so ist auch bei einem Jugendlichen soviel Einsicht vorauszusetzen, daß er die ihn unter diesen Umständen treffende Pflicht zur (persönlichen) Hilfeleistung gegenüber dem Verletzten erkennt. Sollte dies beim Angeklagten nicht der Fall gewesen sein und er sich berechtigt gefühlt haben, sich vom Unfallsort ohne Hilfeleistung zu entfernen, wäre somit für ihn nichts zu gewinnen, weil ihm dieser Rechtsirrtum nach dem Vorgesagten jedenfalls gemäß § 9 Abs. 3 StGB vorwerfbar wäre.
Die zur Gänze unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde war sohin zu verwerfen.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)