OGH 12Os120/80

OGH12Os120/804.9.1980

Der Oberste Gerichtshof hat am 4. September 1980

unter dem Vorsitz des Hofrates des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral, Dr. Kießwetter, Dr. Steininger und Dr. Lachner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr, Köck als Schriftführerin in der Strafsache gegen Laszlo A wegen des Verbrechens der Unzucht mit Unmündigen nach § 207 Abs. 1, erster Fall StGB über die vom Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 17. Juni 1980, GZ. 5 e Vr 4745/80-13, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung sowie die von der Staatsanwaltschaft erhobene Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral, der Ausführungen des Verteidigers, Rechtsanwalt Dr. Josef Wegrostek und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Strasser, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben, das angefochtene Urteil hinsichtlich des Schuldspruches betreffend des Mißbrauches zur Unzucht des Gustav B und somit auch im Strafausspruch aufgehoben und gemäß § 288 Abs. 2 Z 2 StPO zu der Sache selbst erkannt:

Laszlo A wird von der weiters wider ihn erhobenen Anklage, er habe am 18. Mai 1980 in Wien eine unmündige Person, nämlich den am 15. April 1970 geborenen Gustav B, dadurch auf andere Weise als durch Beischlaf zur Unzucht mißbraucht, daß er ihn abküßte, er habe (auch) dadurch das Verbrechen der Unzucht mit Unmündige nach § 207 Abs. 1 StGB begangen, gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen. Für die vom aufrecht bleibenden Teil des Schuldspruchs erfaßten Verfehlungen wird Laszlo A gemäß § 207 Abs. 1

StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von einem Jahr verurteilt.

Gemäß § 43 Abs. 1 StGB wird die verhängte Freiheitsstrafe unter Bestimmung einer Probezeit von 3 Jahren bedingt nachgesehen. Der Ausspruch über die Anrechnung der Vorhaft und die Kostenentscheidung nach § 389 StPO wird aus dem angefochtenen Urteil übernommen.

Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde verworfen. Mit ihren Berufungen werden die Staatsanwaltschaft und der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 19. August 1927 geborene Hilfsarbeiter Laszlo A des Verbrechens der Unzucht mit Unmündigen nach § 207 Abs. 1

erstem Fall StGB schuldig erkannt, weil er am 17. und 18. Mai 1980 in Wien wiederholt unmündige Personen auf andere Weise als durch Beischlaf zur Unzucht mißbraucht hat.

Während der Schuldspruch selbst, dem Tenor der Anklageschrift folgend, die unzüchtigen Handlung nur global und ohne Differenzierung nach den jeweiligen Opfern der Tat als 'Abküssen und am Geschlechtsteil bzw. an der Brust Abgreifen' beschreibt, hat der Angeklagte nach dem Inhalt der Urteilsfeststellungen im einzelnen den am 26. Juni 1969 geborenen Peter C auf die Wangen geküßt und am ganzen Körper betastet, den am 6. August 1968 geborenen Helmut D auf den Mund geküßt und an den 'intimen' Körperstellen betastet, den am 15. April 1970 geborenen Gustav B auf die Wange geküßt, die am 8. Juni 1970 geborene Andrea E sowie die am 16. Juni 1971 geborene Gerlinde F auf den Mund und im ganzen Gesicht geküßt und nach Herunterziehen der Unterhose und der Strumpfhose an der Scheide sowie an der Brust betastet, die am 24. Juni 1968 geborene Christine G auf den Mund geküßt und an der Brust betastet und schließlich die am 24. November 1967 geborene Daniela B ins Gesicht geküßt sowie an der Brust und am Unterleib betastet.

Diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit einer auf § 281 Abs. 1 Z 9 lit. a StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, in der er geltend macht, daß einzelne der ihm angelasteten Handlungen nicht gerichtlich strafbar seien, nämlich das - sexuell indifferente - Abküssen der Kinder sowie das Betasten der 1970 geborenen Andrea E und der 1971 geborenen Gerlinde F an der Brust, weil angesichts des Alters dieser Kinder nicht anzunehmen sei, daß deren Brüste bereits so entwickelt sind, daß deren Zurechnung zur Geschlechtssphäre pyhsiologisch begründet wäre.

Rechtliche Beurteilung

Der Nichtigkeitsbeschwerde kann zum Teil Berechtigung nicht abgesprochen werden.

Von Unzucht im Sinne eines geschlechtlichen Mißbrauchs nach § 207 Abs. 1 StGB kann nur dann die Rede sein, wenn zur unmittelbaren Geschlechtssphäre gehörige, dem männlichen oder weiblichen Körper spezifisch eigentümliche Körperpartien des Opfers oder des Täters mit dem Körper des anderen in eine (nicht bloß flüchtige und sexualsinnbezogene) Berührung gebracht werden. Das Verhalten des Täters muß die Sittlichkeit in geschlechtlicher Beziehung so verletzen, daß es schon nach seinem objektiven Charakter zum Geschlechtsleben strafgesetzwidrig in Beziehung steht (Leukauf-Steininger, Kommentar zum StGB2 RN 5 zu § 207).

Auf Grund der vom Beschwerdeführer nicht bekämpften, bei der rechtlichen Beurteilung für den Obersten Gerichtshof bindenden erstgerichtlichen Feststellungen liegt daher eine strafbare Handlung des Beschwerdeführers an Gustav B, den er lediglich auf die Wange küßte, nicht vor, da Küsse auf die Wangen keinesfalls geeignet sind, die Sittlichkeit in geschlechtlicher Beziehung zu verletzen. Hingegen wurden nach diesen Feststellungen des angefochtenen Urteiles auf alle anderen Opfer des Angeklagten Angriffe geführt, die zufolge ihres - eindeutig strafgesetzwidrigen - sexualbezogenen Charakters als Mißbrauch zur Unzucht im Sinne des ersten Deliktsfalles des § 207 Abs. 1 StGB zu qualifizieren sind: Neben dem vom Erstgericht offensichtlich nur im Bemühen um eine vollständige Beschreibung des Tatherganges (illustrativ) in den Urteilsspruch aufgenommenen 'Abküssen' betastete der Beschwerdeführer seine anderen Opfer jedenfalls auch an unbestritten der Geschlechtssphäre zugehörigen Körperpartien, nämlich die Knaben Peter C und Helmut D 'am ganzen Körper' bzw. 'an den intimen Körperstellen' und die Mädchen Andrea E und Gerlinde F, nachdem er sie entkleidet hatte, an der Scheide, Daniela B an der Brust sowie am Unterleib und Christine G an der Brust. Es kann auch dahingestellt bleiben, ob die Brust der zur Tatzeit noch nicht zehnjährigen Andrea E und der noch nicht neunjährigen Gerlinde F im Sinne der weiteren Ausführungen des Beschwerdeführers soweit entwickelt war, daß eine Zurechnung zur Geschlechtssphäre physiologisch begründet ist, da mit der Betastung dieser Mädchen in der vom Beschwerdeführer entblößten Geschlechtsregion jedenfalls objektiv unzüchtige Handlungen gesetzt wurden, welche die vom Erstgericht getroffene rechtliche Subsumtion des Verhaltens des Angeklagten diesen Mädchen gegenüber zutreffend erscheinen lassen. Bei der vom Beschwerdeführer ausschließlich an der Brust betasteten, am 24. Juni 1968 geborenen, zur Tatzeit sohin fast zwölfjährigen Christine G wird auch vom Beschwerdeführer eine altersgemäße Entwicklung, die das Betasten ihrer Brust unzüchtig erscheinen läßt, nicht bestritten.

Der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Laszlo A war daher teilweise Folge zu geben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch hinsichtlich der am minderjährigen Gustav B begangenen Tat und demgemäß auch im Strafausspruch aufzuheben und gemäß dem § 288 Abs. 2 Z 3 StPO in der Sache selbst spruchgemäß zu erkennen.

Die Strafe war nach § 207 Abs. 1 StGB neu zu bemessen. Erschwerend war, daß der Angeklagte mehrere strafbare Handlungen derselben Art begangen hat (er hat sechs Kinder an zwei Tagen wiederholt mißbraucht), mildernd, der ordentliche Lebenswandel und das umfassende und reumütige Geständnis.

Bei diesen Strafzumessungsgründen und unter Berücksichtigung des Schuldgehaltes der Tat und der Persönlichkeit des Angeklagten ist eine Freiheitsstrafe in der Dauer eines Jahres angemessen. Da sich der Angeklagte bis zu seinem 52. Lebensjahr nichts zuschulden kommen ließ, seine Schuld einsieht und das Strafübel durch die Haft (seit 19. Mai 1980) bereits verspürt hat, ist trotz der mehrfachen Wiederholung der Tat die Annahme gerechtfertigt, daß die bloße Androhung der Vollziehung der Freiheitsstrafe allein genügen werde, um ihn von weiteren strafbaren Handlungen abzuhalten. Es wurde daher die Strafe bedingt nachgesehen (§ 43 Abs. 1 StGB) und eine angemessene Probezeit bestimmt.

Der Ausspruch über die Anrechnung der Vorhaft und die Verpflichtung zum Ersatz der Kosten des Verfahrens erster Instanz wurden aus dem angefochtenen Urteil übernommen.

Mit ihren Berufungen waren die Staatsanwaltschaft und der Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

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