OGH 12Os46/80

OGH12Os46/804.9.1980

Der Oberste Gerichtshof hat am 4. September 1980

unter dem Vorsitz des Hofrates des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller, Dr. Kießwetter, Dr. Steininger und Dr. Lachner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Köck als Schriftführer in der Strafsache gegen Leopold A wegen der Vergehen der Geschenkannahme durch Beamte nach § 304 Abs. 1 und Abs. 2 StGB über die vom Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 17. Jänner 1980, GZ. 1 e Vr 10080/

79-34, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Schachter und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Kodek, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird teilweise Folge gegeben, die Freiheitsstrafe auf 6 (sechs) Monate herabgesetzt und der gemäß § 20 (Abs. 2) StGB dem Angeklagten auferlegte Geldbetrag mit 10.000 S bestimmt. Im übrigen wird der Berufung nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der 45-jährige Oberoffizial des Exekutionsgerichtes Wien Leopold A der Vergehen der Geschenkannahme durch Beamte nach § 304 Abs. 1 und Abs. 2 StGB schuldig erkannt, weil er am 10. und 24. Feber 1977 insgesamt 1.750 S für die pflichtwidrige und in der Zeit vom 24. März 1977 bis zum 7. September 1978 weitere insgesamt 16.940 S für die pflichtgemäße Heranziehung des Schlossermeisters Manfred B zu Vollstreckungshandlungen verlangt und erhalten hat.

Dieses Urteil bekämpft der Angeklagte mit einer auf § 281 Abs. 1 Z 5, 9 lit. a, 9 lit. b, 10 und 11 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, wobei er sich gegen den Schuldspruch sowie gegen die gemäß § 20 (Abs. 2) StGB erfolgte Verurteilung zur Bezahlung eines Geldbetrages von 18.690 S (an Stelle des von ihm nicht mehr besessenen Geschenkes) wendet.

Mit der Mängelrüge bekämpft er zunächst den Ausspruch des Erstgerichtes, daß er von B für die Zuziehung zu Aufsperrdiensten anläßlich der von ihm als Vollstrecker durchgeführten Fahrnisexekutionen Geldbeträge nicht nur annahm, sondern auch forderte.

Rechtliche Beurteilung

Richtig ist, daß dem Beschwerdeführer im Urteilsspruch (anklagekonform) auch die Forderung von Geldbeträgen für die teils pflichtwidrige, teils pflichtgemäße Vornahme von Amtsgeschäften angelastet wird, während in den Entscheidungsgründen lediglich von der Annahme der Geldbeträge ausgegangen wird (S 28 bzw. 30/31 d.A). Dieser Widerspruch kann indessen auf sich beruhen, weil die in § 304 Abs. 1 und Abs. 2 StGB angeführten Begehensformen des Forderns, Annehmens oder Sichversprechenlassens eines Vermögensvorteils rechtlich gleichwertig sind und das Tatbild bereits durch das Vorliegen einer von ihnen erfüllt ist, sodaß die Frage, ob der Beschwerdeführer die Geldbeträge nicht nur, was unbestritten ist, angenommen, sondern darüber hinaus auch gefordert hat, keine entscheidende Tatsache in der Bedeutung des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes betrifft.

Vor allem wendet sich die Mängelrüge aber gegen die erstrichterliche Feststellung, wonach der Beschwerdeführer zu Punkt II/ des Urteilsspruches (wegen § 304 Abs. 2 StGB) insgesamt 16.940 S von B erhalten habe; denn nach Ansicht des Beschwerdeführers habe er insgesamt (gemeint offenbar: zu Punkt I/ und zu Punkt II/ des Urteilsspruches) nur 9.345 S zugezählt erhalten. Soweit die Beschwerde in diesem Zusammenhang eine unzureichende Begründung behauptet, so bekämpft sie in Wahrheit nur in unzulässiger Weise die erstgerichtliche Beweiswürdigung, ohne aber einen Begründungsmangel aufzuzeigen. Denn das Schöffengericht hat sich mit der bezüglichen Verantwortung des Beschwerdeführers ausführlich auseinandergesetzt und, gestützt auf die Berechnungen der Zeugin C (S 339/I. Band und S 13 ff/II. Bd. sowie Beilage zu ON 6 in Bd. I), dargetan, warum der (vom Beschwerdeführer als 'Schadensgutmachung' zurückgezahlte) Betrag von 9.345 S nicht die Gesamtsumme, sondern lediglich die Hälfte des vom Beschwerdeführer insgesamt erhaltenen Vermögensvorteils ist, und aus welchen Gründen es der anderslautenden Darstellung des Zeugen B nicht zu folgen vermochte. Soweit der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang von einem insoweit 'kursorischen Verfahren' spricht, so verkennt er das Wesen des von ihm geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes, mit dem allenfalls unterlassene (vom Beschwerdeführer im übrigen gar nicht beantragte) weitere Beweiserhebungen nicht gerügt werden können. Gestützt auf § 281 Abs. 1 Z 9 lit. a StPO bekämpft die Beschwerde den Schuldspruch wegen § 304 Abs. 2 StGB (Punkt II/ des Urteilsatzes) lediglich damit, daß die bloße Annahme von nicht für eine bestimmte Tätigkeit geforderter Geschenke den Tatbestand nicht erfülle. Dabei übersieht der Beschwerdeführer jedoch, daß das Schöffengericht den vom Gesetz geforderten ursächlichen Zusammenhang zwischen der Annahme des in Rede stehenden Vermögensvorteils und der Vornahme des Amtsgeschäftes festgestellt hat (S 30 f/Bd. II), sodaß die Beschwerde insoweit nicht vom konstatierten Urteilssachverhalt ausgeht.

Soweit die Beschwerde weiters - aus dem Nichtigkeitsgrund der Z 9 lit. b der zitierten Gesetzesstelle - Straflosigkeit der Tat wegen tätiger Reue behauptet, weil der Beschwerdeführer seiner Behauptung nach (entgegen den Feststellungen des Erstgerichtes) den ganzen erhaltenen Vermögensvorteil an B zurückbezahlt habe, so setzt sie sich (abermals) über die (anderslautenden) Urteilsfeststellungen hinweg, weil der Beschwerdeführer darnach nur die Hälfte des empfangenen Vermögensvorteils zurückbezahlt hat, und übersieht im übrigen, daß strafaufhebende tätige Reue bei Amtsdelikten (und sohin auch beim Vergehen nach § 304 StGB) schon im Hinblick auf das geschützte Rechtsgut nicht in Betracht kommt. Denn geschützt ist nicht das Vermögen des Geschenkgebers, sondern die Sauberkeit der öffentlichen Verwaltung.

In Ausführung des Nichtigkeitsgrundes der Z 10 des § 281 Abs. 1 StPO wendet sich die Beschwerde schließlich - in diesem Zusammenhang der Sache nach auch Begründungsmängel im Sinne der Z 5 der bezeichneten Gesetzesstelle relevierend - dagegen, daß die Annahme von insgesamt 1.750 S als Geschenkannahme für die pflichtwidrige Vornahme von Amtsgeschäften, sohin als Vergehen nach § 304 Abs. 1 StGB beurteilt wurde (Punkt I/ des Urteilssatzes); nach Auffassung des Beschwerdeführers liege auch insoweit (nur) der Tatbestand des § 304 Abs. 2 StGB vor, weil er nach den von ihm vorgelegten Urkunden (ersichtlich gemeint:

der Verfügungen des Vorstehers des Exekutionsgerichtes Wien, Beilagen I bis III zu ON 32) keinen Ermessenspielraum bei der Auswahl des beizuziehenden Schlossersmeisters gehabt habe, sondern sein Vorgehen durch diese Vorstandsverfügungen determiniert gewesen sei; mit der Feststellung, der Beschwerdeführer sei vor dem März 1977, zu welchem Zeitpunkt der Zeuge D als Leiter des Vollstreckungsdienstes die einzelnen Schlosserfirmen den Vollstreckern nach Abteilungen geordnet zuwies, bei der Auswahl der Schlosser frei gewesen, habe sich das Schöffengericht zu Unrecht über diese Urkunden hinweggesetzt.

Auch damit ist die Beschwerde nicht im Recht. Zunächst ist der Beschwerdeführer darauf zu verweisen, daß sich das Erstgericht über die erwähnten Urkunden keineswegs hinweggesetzt, sondern diese ohnedies berücksichtigt und in den Urteilsgründen (S 32/Bd. II) darauf hingewiesen hat, daß in ihnen nur Anordnungen hinsichtlich der Beiziehung der Schlosser E und F, nicht aber hinsichtlich des Schlossers B getroffen wurden.

Vor allem läßt der Beschwerdeführer aber die Urteilskonstatierung außeracht, wonach der Zeuge D Ende 1976 angeordnet hat, B (unter anderem) in der Abteilung 1, in welcher der Beschwerdeführer tätig war, probeweise heranzuziehen, wohingegen der Beschwerdeführer ab diesem Zeitpunkt (bis zur Erlassung der fixen Schlossereinteilung) den genannten Schlosser, weil er von ihm hiefür finanzielle Zuwendungen erhalten hat, regelmäßig, nämlich zu 25 Vollzügen herangezogen, sich mithin über die betreffende Anordnung des D hinweggesetzt hat (S 30/ Bd. II), womit allein schon der Vorwurf einer pflichtwidrigen Vornahme von Amtsgeschäften gedeckt ist. Im übrigen kann bei Ermessensentscheidungen eine Pflichtwidrigkeit (auch) dann vorliegen, wenn der Beamte dem Vermögensvorteil einen Einfluß auf seine Entscheidung - mag diese auch innerhalb des Ermessens liegen - einräumt (Leukauf-Steininger, Kommentar2 RN 5 zu § 304).

Letztlich wendet sich der Beschwerdeführer aus dem Nichtigkeitsgrund der Z 11 des § 281 Abs. 1 StPO gegen den Ausspruch einer Verfalls(ersatz)-Geldstrafe, weil es einerseits an den objektiven Voraussetzungen, nämlich einer Straftat, für die der Geldbetrag empfangen wurde, fehle, und anderseits Geld keinen körperlichen Gegenstand darstelle und daher nicht für verfallen erklärt werden könne; überdies habe das Erstgericht nicht geprüft, ob ihn der Verfall nicht unbillig hart treffe, und zu Unrecht den gesamten Geldbetrag für verfallen erklärt, wiewohl er 9.345 S bereits zurückbezahlt habe.

Die letztgenannten Ausführungen sind gemäß § 443 Abs. 2 StPO als Berufungsvorbringen zu werten und daher im Rahmen

der Berufungsentscheidung zu berücksichtigen.

Was dagegen den behaupteten Verstoß gegen die zwingenden gesetzlichen Voraussetzungen des § 20 Abs. 1 und Abs. 2 StGB betrifft, der aus dem Nichtigkeitsgrund der Z 11 des § 281 Abs. 1 StPO gerügt werden kann (vgl. ua 12 Os 54/78, 13 Os 9/76 und - sinngemäß 9 Os 79/76 = ÖJZ-LSK 1977/14), so übersieht der Beschwerdeführer, daß der Verfall eines Geschenkes oder einer anderen Zuwendung von Geldeswert nicht nur dann zulässig ist, wenn es der Täter für eine strafbare Handlung erhalten hat, sondern auch dann, wenn dessen Annahme das strafbare Verhalten selbst begründet (ÖJZ-LSK 1980/134), ferner, daß es sich bei einem bar übergebenen Geldbetrag um die Zuwendung einer körperlichen Sache handelt, die dem Verfall unterliegt (Leukauf-Steininger, Kommentar2, RN 5 zu § 20). Der in diesem Zusammenhang in der Beschwerde enthaltene Hinweis auf ein unverzinsliches Darlehen versagt schon deshalb, weil es sich bei den inkriminierten Geldbeträgen - nach den ausdrücklichen Feststellungen des Erstgerichtes - nicht um ein solches, sondern um finanzielle Zuwendungen für die Erteilung von Arbeitsaufträgen im Rahmen der Amtstätigkeit des Beschwerdeführers gehandelt hat.

Die zur Gänze unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde war demnach zu verwerfen.

Das Schöffengericht verurteilte den Angeklagten nach §§ 28, 304 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von acht Monaten, sowie nach § 20 (gemeint: Abs. 2) StGB zur Zahlung eines Betrages von

18.690 S.

Die Freiheitsstrafe wurde gemäß § 43 Abs. 1 StGB für eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen.

Bei der Strafzumessung nahm das Erstgericht als erschwerend die Fortsetzung der Straftaten durch längere Zeit, als mildernd hingegen den bisherigen ordentlichen Lebenswandel, die Rückzahlung eines Teilbetrages und das Geständnis an.

Die Berufung des Angeklagten, die Strafminderung (unter Beibehaltung der bedingten Nachsicht der Freiheitsstrafe), allenfalls Verhängung einer Geldstrafe, im übrigen die ersatzlose Aufhebung des Verfalles begehrt, ist teilweise begründet.

Abgesehen von den vom Erstgericht im wesentlichen zutreffend angeführten Strafzumessungsgründen - die lediglich dahin zu ergänzen sind, daß auch das Zusammentreffen zweier Vergehen erschwerend ist - darf nicht übersehen werden, daß der Angeklagte im übrigen seine Pflichten als Vollstreckungsbeamter durch längere Zeit tadellos ausgeübt hat, und mehr durch eine verlockende Gelegenheit als in vorgefaßter Absicht zu den Straftaten verleitet wurde. Diese Umstände erlauben eine Herabsetzung des Strafausmaßes auf sechs Monate, nicht aber die Verhängung einer Geldstrafe gemäß § 37 StGB, da es nach Lage des Falles der Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe bedarf, um nicht nur den Angeklagten von der Begehung weiterer strafbarer Handlungen abzuhalten, sondern auch der Begehung strafbarer Handlungen durch andere entgegenzuwirken (§ 37 Abs. 1 StGB).

Soferne sich der Angeklagte mit seinem - inhaltlich als Berufung zu beurteilenden - Vorbringen gegen die Höhe der Verfallsstrafe gemäß § 20 StGB wendet, kommt ihr aus folgenden Überlegungen teilweise Berechtigung zu:

Gemäß § 20 Abs. 3, letzter Satz, StGB kann von der Verurteilung zur Zahlung des Geldbetrages ganz oder zum Teil auch dann abgesehen werden, wenn sie den Verurteilten unbillig hart träfe. Nun hat der Angeklagte die Hälfte des empfangenen Bargeldes dem Schlossermeister B zurückgezahlt. Das Erstgericht selbst hätte - wie aus den Urteilsgründen erschließbar ist (S 24/II. Band) - bei gänzlicher Rückzahlung des erhaltenen Geldbetrages von der Auferlegung eines Wertersatzes überhaupt abgesehen und hat ihn nur deshalb verhängt, weil der Angeklagte nach einer Teilrückzahlung 'noch immer bereichert ist'.

Es ist daher selbst nach dem vom Erstgericht erkennbar vertretenen Grundsatz nur konsequent, wenn sich der Wertersatz der Höhe nach auf den Anteil der erhaltenen Zuwendung beschränkt, um den der Angeklagte letztlich tatsächlich bereichert blieb. Durch eine insoweit doppelte Zahlung würde er nämlich nach Lage des Falles unbillig hart getroffen werden, weshalb in Stattgebung der Berufung dem Angeklagten nur eine Wertersatzstrafe im Ausmaße von 10.000 S aufzuerlegen war, bei welcher dem bereits zurückgezahlten Betrag an Manfred B hinreichend Rechnung getragen wurde.

Dem darüber hinaus abzielenden Berufungsantrag war hingegen ein Erfolg zu versagen, weil eine Bereicherung zumindest im Ausmaß von 10.000 S vorlag.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die im Urteilsspruch zitierte Gesetzesstelle.

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