OGH 9Os103/80

OGH9Os103/8013.8.1980

Der Oberste Gerichtshof hat unter dem Vorsitz des Hofrates des Obersten Gerichtshofes Dr. Faseth und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Steininger, Dr. Horak, Dr. Hörburger und Dr. Reisenleitner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Hausenberger als Schriftführerin in der Strafsache gegen Heimo A wegen des Verbrechens des schweren Betruges nach § 146, 147 Abs. 1 Z. 1 und Abs. 3 sowie § 12 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 15. Februar 1980, GZ. a Vr 5466/79-83, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil, da im übrigen, nämlich im Schuldspruch zu Punkt III/ des Urteilssatzes (wegen Vergehen nach § 36 Abs. 1 lit. b WaffenG.), im Ausspruch über die Einziehung des sichergestellten Totschlägers gemäß § 26 StGB und im Freispruch, unberührt bleibt, im Schuldspruch zu Punkt I/ des Urteilssatzes sowie gemäß § 290 Abs. 1 StPO (auch) im Schuldspruch zu den Punkten II/1 und II/2 des Urteilssaztes und demgemäß auch im Strafausspruch (einschließlich des Ausspruches über die Vorhaftanrechnung) sowie im Ausspruch über den Zuspruch eines Betrages von 160.912 S an die Privatbeteiligte B aufgehoben und die Sache an das Erstgericht zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung zurückverwiesen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 22. Juli 1945 geborene, zuletzt als Versicherungsvertreter beschäftigte Heimo A des (teils als unmittelbarer Täter, teils als sonstiger Beteiligter begangenen) Verbrechens des schweren Betruges nach § 146, 147 Abs. 1 Z. 1 und Abs. 3 sowie § 12 StGB (Punkte I/, II/1 und 2 des Urteilssatzes) und des Vergehens nach § 36 Abs. 1 lit. b WaffenG.

(Punkt III/ des Urteilssatzes) schuldig erkannt und zu einer (Zusatz-)Freiheitsstrafe verurteilt; gemäß § 26 StGB wurde der sichergestellte Totschläger eingezogen. Von einer weiteren Betrugsanklage erfolgte ein Freispruch gemäß § 259 Z. 3 StPO, der in Rechtskraft erwachsen ist.

Zu Punkt I/ des Schuldspruchs liegt ihm zur Last, am 2. März 1977 in Wien im bewußten und gewollten Zusammenwirken mit den abgesondert verfolgten Walter C und Gerald D betrügerisch durch Vortäuschen seiner Rückzahlungsfähigkeit und Rückzahlungswilligkeit unter Vorlage einer Lohnbestätigung, in welcher er fälschlich als kaufmännischer Angestellter der Liesinger Autoschau bezeichnet wurde, Angestellt der B zur Zuzählung eines Darlehens in der Höhe von 50.000 S verleitet zu haben, wodurch die genannte Bank um mindestens 45.760 S geschädigt wurde.

Zu Punkt II/ des Schuldspruchs wird ihm angelastet, andere dazu bestimmt zu haben, durch betrügerisches Vortäuschen der Rückzahlungsfähigkeit und Rückzahlungswilligkeit Angestellte der B zur Zuzählung von Darlehen zu verleiten, wodurch die genannte Bank an ihrem Vermögen geschädigt wurde, und zwar 1. kurz vor dem 6. Mai 1977, indem er den ohne Schädigungsvorsatz handelnden abgesondert verfolgten Johann E aufforderte, ein Lohnbestätigungsformular, in welchem der Kreditnehmer Wilhelm F fälschlich als Dienstnehmer der Firma G bezeichnet wurde, mit dem Stempel dieser Firma zu versehen und beim Kontrollanruf der Bank das Bestehen eines Dienstverhältnisses mit dem Genannten zu bestätigen, wodurch es ermöglicht wurde, daß F mit Unterstützung des abgesondert verfolgten Walter C am 6. Mai 1977 von der B ein Darlehen in der Höhe von 120.000 S zugezählt erhielt und die genannte Bank um mindestens 114.912 S geschädigt wurde, und 2. kurz vor dem 8. Feber (richtig: Juli) 1977, indem er den ohne Schädigungsvorsatz handelnden abgesondert verfolgten Johann H zur Kreditaufnahme überredete und ihn zu Walter C brachte, worauf H am 8. Juli 1977

mit Unterstützung des Walter C unter Vorlage einer Lohnbestätigung, in welcher er fälschlich als Dienstnehmer der Kleiderreinigung I GesmbH bezeichnet wurde, die Zuzählung eines Darlehens der B in der Höhe von 42.000 S erwirkte, wodurch die genannte Bank um diesen Betrag geschädigt wurde.

Nach den wesentlichen Urteilsfeststellungen organisierte der abgesondert verfolgte Walter C im großen Umfang Kreditbetrügereien, wobei er sich - da er mangels Kreditwürdigkeit selbst nicht als Kreditnehmer in Erscheinung treten konnte - verschiedener Strohmänner bediente, die (unter Verwendung fingierter Lohnbestätigungen) bei der B unter Vortäuschung ihrer Rückzahlungsfähigkeit und Rückzahlungswilligkeit Kredite aufnahmen und die ausbezahlten Darlehensbeträge entweder zur Gänze oder jedenfalls zum Teil an C abführten, während sie selbst für ihre Tätigkeit nur relativ geringe Provision erhielten. C leistete anfangs einige Rückzahlungen, nämlich insgesamt drei Raten auf den vom Angeklagten am 2. März 1977 aufgenommenen Kredit in der Höhe von 50.000 S, sodaß diesbezüglich ein Schaden von 45.760 S eintrat; ferner eine Rate auf den von Wilhelm F über Veranlassung und unter Mithilfe des Angeklagten am 6. Mai 1977 aufgenommenen Kredit in der Höhe von 120.000 S, sodaß insoweit ein Schaden von 114.912 S eintrat; hinsichtlich des von Johann H, abermals unter Mithilfe des Angeklagten, aufgenommenen Kredits in der Höhe von 42.000 S wurden keine Rückzahlungen geleistet, sodaß die B in diesem Fall um die gesamte Darlehensvaluta geschädigt ist.

Der Angeklagte Heimo A bekämpft dieses Urteil lediglich im Schuldspruch zu Punkt I/ des Urteilssatzes mit einer auf die Z. i lit. a und 10 des § 281 Abs. 1

StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, wobei er dem Erstgericht Feststellungsmängel in Ansehung des dem Beschwerdeführer angelasteten Schädigungsvorsatzes vorwirft.

Rechtliche Beurteilung

Der Beschwerde kommt, soweit sie in Ausführung des erstbezeichneten Nichtigkeitsgrundes Feststellungsmängel in Ansehung der subjektiven Tatseite releviert, Berechtigung zu. Zu Punkt I/ des Schuldspruches stellt das Erstgericht fest, dem Beschwerdeführer sei bewußt gewesen, daß er sollte er von der Bank in Anspruch genommen werden, nicht in der Lage ist, den Kredit zurückzuzahlen; der Kredit sei jedoch dem Walter C zugute gekommen und die Kreditaufnahme sei für diesen erfolgt, wobei der Beschwerdeführer dessen mangelnde Bonität gekannt habe. Aus diesem Grunde sei es dem Beschwerdeführer 'in weiterer Folge bewußt' gewesen, daß auch Walter C 'möglicherweise nicht in der Lage war, den Kredit zurückzuzahlen'; der Beschwerdeführer 'mußte daher auch für diesen Fall mit einer Schädigung der Bank rechnen' (S. 433/Bd. II).

Diese Urteilskonstatierungen reichen, wie der Beschwerdeführer im Ergebnis zutreffend aufzeigt, nicht aus, um daraus einen zumindest bedingten Schädigungsvorsatz des Beschwerdeführers abzuleiten. Zunächst läßt die Formulierung, der Beschwerdeführer habe (auch für diesen Fall) mit einer Schädigung der Bank rechnen müssen, nicht erkennen, ob er nach Ansicht des Schöffengerichtes mit einer solchen Schädigung auch tatsächlich gerechnet hat.

Aber auch wenn er damit gerechnet hat, wäre damit (lediglich) festgestellt, daß der Beschwerdeführer den Eintritt eines Vermögensschadens auf seiten der kreditgewährenden Bank ernstlich für möglich gehalten hat, was in rechtlicher Hinsicht Ausgangspunkt sowohl eines Handelns mit bedingtem Vorsatz (§ 5 Abs. 1 StGB) als auch eines Handelns mit (bloß) bewußter Fahrlässigkeit (§ 6 Abs. 2 StGB) sein kann. Der Unterschied zwischen bedingtem Vorsatz und bewußter Fahrlässigkeit liegt erst in der beabsichtigten Fortsetzung des Willensbildungsprozesses, nämlich darin, ob der Täter, der den Schadenseintritt (ernstlich) für möglich hält, sich mit diesem (auch) abgefunden hat (in welchem Fall er bedingt vorsätzlich handelt) oder nicht (woraus lediglich auf bewußte Fahrlässigkeit geschlossen werden kann). Das angefochtene Urteil ist somit im Schuldspruchfaktum I/ mit einem Feststellungsmangel behaftet, der eine abschließende rechtliche Beurteilung des Tatverhaltens des Beschwerdeführers nicht zuläßt (vgl. ÖJZ-LSK. 1978/18; ÖJZ-LSK. 1978/142).

Derselbe Feststellungsmangel haftet dem Ersturteil - ohne daß dies vom Beschwerdeführer gerügt worden wäre, weil er sich mit seiner Nichtigkeitsbeschwerde nur gegen den Schuldspruch zu Punkt I/ des Urteilssatzes wendet -

aber auch in Ansehung der Schuldspruchsfakten II/1 und II/2 des Urteilssatzes an. Denn hiezu stellte das Schöffengericht (lediglich) fest, der Beschwerdeführer habe auch in diesen Fällen 'mit der Möglichkeit rechnen müssen', daß die Kredite nicht ordnungsgemäß zurückbezahlt würden (vgl. abermals S 433/Bd. II), wozu es ausführt, daß 'schon allein in der Tatsache, daß diese Möglichkeit bestand', der bedingte (Schädigungs-)Vorsatz enthalten sei. Auch insoweit verkennt somit das Schöffengericht das Wesen des bedingten Vorsatzes und den Unterschied zwischen einem bedingt vorsätzlichen und einem bewußt fahrlässigen Handeln, weshalb es auch in Ansehung der Schuldspruchfakten II/1

und II/2 des Urteilssatzes an den erforderlichen Feststellungen, ob der Beschwerdeführer eine Schädigung der kreditgewährenden Bank ernstlich für möglich gehalten und sich mit einer solchen abgefunden hat oder nicht, fehlt.

Es war sohin in Ansehung des Schuldspruchs zu Punkt I/ des Urteilssatzes in Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde und in Ansehung des Schudlsprchs zu den Punkten II/1 und II/2 des Urteilssatzes gemäß § 290 Abs. 1

StPO aus Anlaß der Nichtigkeitsbeschwerde gemäß § 285 e StPO (in der Fassung BGBl. 1980/28) das angefochtene Urteil in diesem Umfang aufzuheben und dem Erstgericht insoweit die Erneuerung des Verfahrens aufzutragen.

Mit seiner Berufung war der Angeklagte auf die getroffene Entscheidung zu verweisen.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte