OGH 12Os57/80

OGH12Os57/803.7.1980

Der Oberste Gerichtshof hat am 3. Juli 1980 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Breycha und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller, Dr. Kral, Dr. Friedrich und Dr. Lachner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Mohr als Schriftführer in der Strafsache gegen Adolf A wegen des Verbrechens des schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs. 3 StGB. und anderer strafbarer Handlungen über die vom Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Schöffengericht vom 21. Februar 1980, GZ. 27 Vr 2226/77-60, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Lechner und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Kodek, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch wegen des Verbrechens des Mißbrauches der Amtsgewalt nach § 302 Abs. 1 StGB. (Punkt II des Urteilssatzes), sowie demgemäß auch im Strafausspruch aufgehoben und die Sache im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde verworfen. Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 20.April 1940 geborene Gendarmeriebeamte Adolf A des Verbrechens des schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs. 3

StGB. (Punkt I) des Urteilssatzes), des Verbrechens des Mißbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 (Abs. 1) StGB. (Punkt II) des Urteilssatzes), des Vergehens der Nötigung nach § 105 Abs. 1 StGB. (Punkt III) des Urteilssatzes) und des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 (Abs. 1) StGB.

(Punkt IV) des Urteilssatzes) schuldig erkannt. Von zwei weiteren Betrugsfakten wurde der Angeklagte gemäß § 259 Z. 3 StPO. rechtskräftig freigesprochen.

Dieses Urteil bekämpft der Angeklagte in sämtlichen Schuldsprüchen mit einer ziffernmäßig auf die Nichtigkeitsgründe des § 281 Abs. 1 Z. 4, 5 und 9 lit. a StPO.

gestützten Nichtigkeitsbeschwerde. Der Strafausspruch wird mit

Berufung angefochten.

Zu den Urteilsfakten I) 1) und 2):

Hiezu wird dem Angeklagten angelastet, er habe mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, 1.) am 30. April 1976 die Emma B unter Ausnützung ihrer Verstandesschwäche und indem er sich als rückzahlungswilliger und - fähiger Darlehensnehmer ausgab, zur Gewährung eines Darlehens von 250.000 S, und 2.) am 22. Oktober 1976 einen Angestellten der Raiffeisenkasse Telfs durch Vorweisen des Sparbuchs der Emma B und Vortäuschen der Berechtigung zur Abhebung von diesem zur Auszahlung eines Betrages von 11.000 S zu Lasten des Kontos der Emma B, sohin durch Täuschung über Tatsachen zu Handlungen verleitet, die Emma B an ihrem Vermögen um einen 100.000 S übersteigenden Betrag schädigten.

In Bekämpfung dieser Schuldsprüche wendet sich der Beschwerdeführer aus dem Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs. 1 Z. 5 StPO. primär gegen die Urteilsannahme, Emma B sei zu den in Betracht kommenden Tatzeiten geschäftsunfähig gewesen und er habe in Kenntnis dieses Umstandes gehandelt, mit der Behauptung, diese stünde im Widerspruch zu verschiedenen Zeugenaussagen (wie jener des Notars Dr. Ivo C, der Dr. Hedwig N -, des Dr. Herbert D und der Ida E). Überdies rügt er als einen den Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs. 1 Z. 4 StPO. verwirklichenden Verfahrensmangel die Ablehnung in der Hauptverhandlung beantragter Beweisaufnahmen - Beischaffung der Akten 13 Cg 320/77 und 13 Cg 651/77 des Landesgerichtes Innsbruck, zeugenschaftliche Vernehmung des Hermann F, des Walter G, des behandelnden Arztes der psychiatrischen Klinik in Innsbruck und der Margit H, Einholung eines weiteren gerichtspsychiatrischen Sachverständigengutachtens oder allenfalls neuerliche Vernehmung des Zeugen Dr. Ivo C in Gegenwart des Sachverständigen Dr. Robert I -, mit denen er die Unrichtigkeit des der bekämpften Urteilsfeststellung zugrundeliegenden Gutachtens des dem Verfahren beigezogenen gerichtspsychiatrischen Sachverständigen Dr. Robert I nachweisen wollte (vgl. Band II, S. 494 ff d.A.).

In beiden Richtungen versagt die Beschwerde.

Nach den Konstatierungen des Gerichtes gab sich der Angeklagte, als er Emma B am Tag ihrer Entlassung aus der Klinik dazu brachte, bei der Raiffeisenkasse Telfs einen Auszahlungsantrag zu unterfertigen, der ihn berechtigte, von ihrem Sparbuch einen Betrag von 250.000 S zu beheben (Urteilsfaktum I) 1)), als rückzahlungswilliger und - fähiger Darlehensnehmer aus; er war jedoch tatsächlich - mangels entsprechender Barmittel und zufolge seiner Schulden bei der Raiffeisenkasse Telfs -

weder in der Lage, noch, wie das Erstgericht aus seinem späteren Verhalten anläßlich der Abfassung einer Schuldurkunde und eines Testamentsentwurfes schlüssig ableitete, willens, Darlehensrückzahlungen in absehbarer -

wirtschaftlich vertretbarer - Zeit zu leisten (vgl. Band II, S. 515 f, 524 f d.A.). Schon ein solches auf Irreführung der Emma B gerichtetes Verhalten, dem auch Irreführungseignung nicht abzusprechen ist, stellt eine Täuschung über Tatsachen im Sinne des § 146 StGB. dar (vgl. LSK. 1978/121 u.a.), durch welche die Getäuschte zu einer sie schädigenden Vermögensverfügung verleitet wurde. Ob der Angeklagte darüber hinaus bei dieser betrügerischen Herauslockung eines Darlehens eine bestehende Verstandesschwäche und Geschäftsunfähigkeit der Emma B ausnützte, ist mithin nicht mehr entscheidungswesentlich. So gesehen konnte die - vom Erstgericht auf Grund des gerichtspsychiatrischen Gutachtens des Sachverständigen Dr. Robert I bejahte - Frage, ob die bei Emma B zur Tatzeit bestehenden, durch klinische Befunde objektivierten arteriosklerotischen Organveränderungen, über einen altersbedingten Abbau hinaus, zu einer Geistesschwäche oder Geistesstörung und demzufolge zu ihrer Geschäftsunfähigkeit geführt haben, letztlich auf sich beruhen. Es erübrigten sich daher weitere Beweisaufnahmen darüber, inwiefern Emma B auf Grund ihres Geisteszustandes noch in der Lage war, überhaupt geschäftliche Angelegenheiten der in Rede stehenden Art, sowie deren Bedeutung und Tragweite zu erkennen, und ob der Angeklagte sich einer allfälligen Geschäftsunfähigkeit der Darlehensgeberin bewußt war; genug daran, daß er sich bei der mit Täuschungs-, Schädigungs- und Bereicherungsvorsatz erfolgten Herauslockung eines Darlehens von 250.000 S das zwischen ihm und der Darlehensgeberin bestehende Vertrauensverhältnis, das hohe Alter der zur Tatzeit fast 80-jährigen Frau und ihre Geschäftsunerfahrenheit zunutze machte.

Rechtliche Beurteilung

Im übrigen vermag der Beschwerdeführer keine nach §§ 125, 126 StPO. zu beurteilende Mängel oder Widersprüche des - als unrichtig bekämpften - psychiatrischen Gutachtens des Dr. Robert I aufzuzeigen, sodaß es auch aus diesem Grunde nicht der Beiziehung eines weiteren Sachverständigen (und auch nicht einer zeugenschaftlichen Vernehmung des behandelnden Arztes der psychiatrischen Klinik Innsbruck) bedurfte, zumal auch kein Fall des § 118 Abs. 2 StPO. vorlag. Zudem begründete das Erstgericht mängelfrei, warum es zu diesem Gutachten im Widerspruch stehende Aussagen vernommener Zeugen für nicht geeignet erachtete, die Annahme einer - vom Angeklagten auch erkannten - Geistesschwäche und Geschäftsunfähigkeit der Emma B zu widerlegen, weshalb im gegebenen Zusammenhang von einer Nichtigkeit im Sinne der Z. 5 des § 281 Abs. 1 StPO. gleichfalls nicht gesprochen werden kann.

Der Verfahrensrüge ist schließlich noch zu erwidern, daß es der Beischaffung der oben zitierten Akten des Landesgerichtes Innsbruck auch zum Nachweis, daß sämtliche Forderungen der Emma B (der Verlassenschaft nach dieser), mit Ausnahme der Ansprüche aus dem Leibrentenvertrag, erfüllt worden seien, nicht bedurfte, weil das Erstgericht insoweit ohnedies nachträgliche Schadensgutmachung angenommen hat (vgl. Band II, S. 523, 536 d.A.), strafaufhebende tätige Reue jedoch auf Grund der Verfahrensergebnisse nicht indiziert war.

Zur Mängelrüge ist in diesem Zusammenhang noch folgendes zu bemerken: Unerheblich für die Klärung entscheidungswesentlicher Fragen ist, ob die Einkommensteuerbescheide der Emma B als Beweis für die Höhe der vereinnahmten Mieteingänge herangezogen werden können und ob der Verkauf ihrer Liegenschaft gegen Leibrente an den Angeklagten von diesem oder von ihr selbst initiiert wurde, weil weder die Zueignung von Mieterlösen noch ein Betrug des Angeklagten in Ansehung des mit Emma B abgeschlossenen Leibrentenvertrages - insoweit erfolgte ein rechtskräftiger Freispruch - Gegenstand eines Schuldspruches waren.

Soweit sich der Beschwerdeführer aus dem Grunde der Z. 5 des § 281 Abs. 1 StPO. gegen die dem Schuldspruch laut dem Punkt I) 2) des Urteilssatzes zugrundeliegende Annahme wendet, Emma B habe der Abhebung eines weiteren Betrages von 11.000 S von ihrem Sparbuchkonto nicht zugestimmt, der Angeklagte habe vielmehr eine Abhebungsberechtigung gegenüber der Raiffeisenkasse Telfs vorgetäuscht, ist für ihn gleichfalls nichts zu gewinnen. Denn auch wenn man unterstellt, daß der Angeklagte berechtigt gewesen sei, diesen Betrag abzuheben, so lag seiner eigenen Verantwortung zufolge auch insoweit jedenfalls eine Darlehensgewährung vor (vgl. Band II,

S.

249 d.A.), bezüglich der der Beschwerdeführer nach dem Urteilssachverhalt seine Rückzahlungsfähigkeit und -willigkeit - so wie hinsichtlich der 250.000 S - vorgetäuscht und mit dem Vorsatz gehandelt hat, die Darlehensgeberin um den ihm zukommenden Betrag zu schädigen und sich unrechtmäßig zu bereichern.

Zu den Urteilsfakten III) und IV):

Als unbegründet erweist sich die Beschwerde ferner in bezug auf die Schuldsprüche wegen Nötigung nach § 105 Abs. 1 StGB. und gefährlicher Drohung nach § 107 Abs. 1 StGB. Inhaltlich dieser Schuldsprüche hat der Angeklagte im Sommer 1975 den türkischen Gastarbeiter Bektas J durch die gefährliche Drohung, er nehme ihm den Reisepaß ab und schicke ihn in die Türkei zurück, zur Bezahlung einer Stromrechnung von zirka 270 S (Punkt III) 1) des Urteilssatzes) und im Frühjahr 1977 Emma B mit Gewalt, indem er sie am Arm erfaßte und vom Balkon in ihr Zimmer zog, zum Verlassen des Balkons ihrer Wohnung genötigt (Punkt III) 2) des Urteilssatzes), sowie letztere durch die Äußerung, er lasse sie in das Altersheim oder in eine Nervenheilanstalt einliefern, er werde auch dafür sorgen, daß ihr der Hilflosenzuschuß entzogen werde, gefährlich bedroht, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen (Punkt IV) des Urteilssatzes).

Unstichhältig ist zunächst der auf die Z. 4 des § 281 Abs. 1 StPO. gestützte Beschwerdeeinwand, es hätte der in der Hauptverhandlung beantragten, vom Gericht aber abgelehnten (vgl. Band II, S. 495, 531 d. A.) Beischaffung des Meldezettels der Gemeinde Telfs betreffend Bektas J bedurft, um die Dauer des betreffenden Bestandverhältnisses feststellen zu können. Daß dieses Bestandverhältnis nach dem gegenständlichen Vorfall noch aufrecht blieb und Bektas J sich sogar möglicherweise noch an den Angeklagten wegen einer Wohnung wandte (vgl. Band II, S. 259 d.A.), stellt nicht in Frage, daß der Angeklagte den genannten türkischen Gastarbeiter, wie das Erstgericht auf Grund dessen für glaubwürdig erachteter Zeugenaussage als erwiesen annahm, durch die Drohung, er nehme ihm den Reisepaß ab und schicke ihn in die Türkei, zu einer zusätzlichen Bezahlung von 270 S für Strom und Wasser nötigte.

Der mit dem Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs. 1 Z. 5 StPO. geltend gemachte Begründungsmangel, das Erstgericht habe sich mit dem Widerspruch der Verantwortung des Angeklagten und der Aussage des Zeugen Bektas J nicht befaßt, haftet dem Urteil nicht an, im Gegenteil, das Schöffengericht hat auch seine Würdigung der Aussage dieses Zeugen ausführlich begründet (Band II, S. 530 f.). Die objektive Eignung dieser Drohung, dem Bektas J begründete Besorgnisse einzuflößen, leitete das Schöffengericht zutreffend aus dem Umstand ab, daß dem Bedrohten bekannt war, daß der Angeklagte damals bei der Gendarmerie Angelegenheiten der Ausländer erledigte und daher an sich die Möglichkeit hatte, seine Ausweisung - mag diese selbst auch der zuständigen Bezirkshauptmannschaft zustehen - in die Wege zu leiten (vgl. Band II, S. 530 d.A.). Ein Rechtsirrtum haftet diesem vom Beschwerdeführer sachlich aus dem Nichtigkeitsgrund der Z. 9 lit. a des § 281 Abs. 1 StPO. bekämpften Ausspruch nicht an. Soweit der Beschwerdeführer aber - der Sache nach den Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs. 1 Z. 9 lit. b StPO. geltend machend - die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens gegenüber Bektas J mit der Begründung bestreitet, er habe von diesem lediglich eine tatsächlich bestehende rückständige Mietschuld eingetrieben, übersieht er, daß er zwar möglicherweise ein Recht auf das geforderte Verhalten gehabt haben mag, jedoch jedenfalls nicht berechtigt war, zu dessen Durchsetzung eine Abnahme des Reisepasses und die Abschaffung in die Türkei in Aussicht zu stellen. Für die Annahme des Rechtfertigungsgrundes gemäß § 105 Abs. 2 StGB. fehlt es somit an einem sachlichen Zusammenhang zwischen dem angestrebten Zweck und dem angedrohten Übel im Sinne einer innerlich begründeten Mittel-Zweck-Beziehung (vgl. Leukauf-Steininger2, RN 14 zu § 105 StGB., LSK 1978/60 u.a.). Ähnlich verhält es sich beim Schuldspruch laut dem Punkt III) 2) des Urteilssatzes. Daß Emma B - nach Lage des Falles keineswegs unbegründet (vgl. Band I, S. 91, 326 d.A.) - bei ihrer (privaten) Auseinandersetzung mit dem Angeklagten auf den Balkon ihrer Wohnung lief und der Angeklagte befürchtete, daß Nachbarn durch die Lärmerregung auf den Vorfall aufmerksam würden, rechtfertigte nicht die Anwendung überlegener körperlicher Gewalt, um den Willen der Emma B zu beugen und sie auf diese Weise ins Zimmer zurückzubringen. Der Argumentation des - auch in diesem Belange der Sache nach Urteilsnichtigkeit im Sinne des § 281 Abs. 1 Z. 9 lit. b StPO. relevierenden - Beschwerdeführers, er habe nur legitime Mittel angewendet, um Emma B an einer ungebührlichen Lärmerregung zu hindern, sodaß ihm die Vorschrift des § 105 Abs. 2 StGB. zustatten käme, kann demnach nicht beigepflichtet werden.

Ebensowenig vermag der Beschwerdeführer einen dem Schuldspruch wegen gefährlicher Drohung (Punkt IV) des Urteilssatzes) anhaftenden, den Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs. 1 Z. 9 lit. a StPO. begründenden Rechtsirrtum mit der Behauptung aufzuzeigen, die inkriminierte Äußerung stelle keine zur Erregung von Furcht und Unruhe (objektiv) geeignete Drohung mit einer Veletzung an Körper, Freiheit, Ehre oder Vermögen dar. Daß zumindest jede mit einer wesentlichen Einschränkung der Bewegungsfreiheit verbundene Einweisung in eine geschlossene psychiatrische Anstalt eine Verletzung an der Freiheit und der Entzug des Hilflosenzuschusses eine Beeinträchtigung am Vermögen begründet, bedarf keiner weiteren Erörterung. Mußte Emma B bei der gegebenen Sachlage aber, wie das Erstgericht mit zureichender Begründung annahm (vgl. Band II, S. 532 f d.A.), befürchten, daß der Angeklagte willens und zufolge seiner Stellung als Gendarmeriebeamter auch in der Lage sei, auf eine Einweisung ihrer Person in eine geschlossene Anstalt und auf den Entzug ihres Hilflosenzuschusses Einfluß zu nehmen, also ihr bedeutende und empfindliche Übel spüren zu lassen, so war seine Äußerung nach den Umständen des Falles auch durchaus geeignet, bei der Bedrohten den peinvollen Seelenzustand der Furcht und Unruhe hervorzurufen (vgl. RZ. 1979/93).

Zum Urteilsfaktum II):

Berechtigung kommt der Beschwerde hingegen insofern zu, als sie sich sachlich aus dem Nichtigkeitsgrund der Z. 9 lit. a des § 281 Abs. 1 StPO. gegen den Schuldspruch laut dem Punkt II) des Urteilssatzes richtet. Als das Verbrechen des Mißbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs. 1 StGB. wird dem Angeklagten angelastet, er habe als Gendarmeriebeamter mit dem Vorsatz, die Republik Österreich in ihrem Recht auf Ahndung von Verstößen gegen die Straßenverkehrsordnung zu schädigen, seine Befugnis, im Namen des Bundes als dessen Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, dadurch wissentlich mißbraucht, daß er gegen Brigitte K wegen eines am 19. September 1974 erfolgten Verkehrsunfalles mit Sachschaden mit Verdacht auf Fahrerflucht keine Anzeige an die zuständige Bezirkshauptmannschaft erstattete.

Die hiezu getroffenen Urteilsfeststellungen zur inneren Tatseite reichen indes nicht aus, um die Annahme eines auf Schädigung eines konkreten staatlichen Rechts gerichteten Tätervorsatzes zu decken. Auszugehen ist davon, daß durch die Annahme einer wissentlich pflichtwidrigen Unterlassung der Weiterleitung der Anzeige an die Bezirksverwaltungsbehörde allein noch nicht gesagt ist, daß dadurch ein staatliches Recht beeinträchtigt wurde; selbst bei einem solchen wissentlichen Mißbrauch muß vielmehr um den Tatbestand des § 302 Abs. 1 StGB. zu erfüllen, das konkrete Recht des Staates auf Ahndung einer - gerichtlich oder verwaltungsbehördlich - strafbaren Handlung betroffen und vom Vorsatz des Täters (zumindest dolo eventuali) erfaßt sein (vgl. RZ. 1976/50). Ob letztere Voraussetzungen hier vorliegen, läßt sich jedoch auf Grund der getroffenen Sachverhaltsfeststellungen derzeit noch nicht verläßlich beurteilen. Dem Angeklagten war zunächst laut Anzeige des Landesgendarmeriekommandos für Tirol nur zum Vorwurf gemacht worden, daß er - indem er die Fahrzeuglenkerin im Auftrag der Geschädigten zweimal brieflich zur Schadenersatzleistung aufforderte - privat und nicht im Dienstweg tätig geworden sei (vgl. Band I, S. 59 d.A.), und es erachtete auch der Zeuge Hugo L als Postenkommandant des Gendarmeriepostenkommandos Telfs, wie sich aus dem von ihm aufgenommenen Amtsvermerk ergibt (vgl. Band I, S. 273, Band II, S. 527

d. A.), ein Vorgehen im Sinne des § 4 Abs. 5 zweiter Satz StVO. offenbar für zweckmäßig, zumal aus der vom Angeklagten aufgenommenen Anzeige der Helene M die Behauptung einer 'Fahrerflucht' nicht eindeutig hervorging.

Der Angeklagte, der mit seiner vorerwähnten Korrespondenz der Helene M ersichtlich auf unbürokratischen Wege zum Ersatz ihres Sachschadens verhelfen wollte, konnte daher bei der festgestellten - von ihm allerdings bestrittenen - (kanzleitechnisch ordnungsgemäßen) Ablage des Aktes unter Umständen der Meinung gewesen sein, es fehle an genügenden Anhaltspunkten für eine verwaltungsbehördlich zu ahndende Verwaltungsübertretung (gemäß § 99 Abs. 3 lit. b StVO.) und einem daraus resultierenden Erfordernis zur Einleitung eines Verwaltungsstrafverfahrens gegen die ausländische Lenkerin. Ein solcher Gedanke wäre auch deshalb nicht ganz ferne gelegen, weil ja nach den vom Angeklagten getroffenen Feststellungen die Fahrzeuglenkerin Brigitte K ihren ständigen Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland hat, sodaß sie wegen einer von ihr in Österreich gesetzten Verwaltungsübertretung - schon mangels Rechtshilfemöglichkeit im Verwaltungsstrafverfahren (vgl. insbesondere Art.I Abs. 1 des Vertrages zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland über die Ergänzung des Europäischen Übereinkommens über die Rechtshilfe in Strafsachen und die Erleichterung seiner Anwendung, BGBl. Nr. 36/1977) - , solange sie sich außerhalb des österreichishen Staatsgebietes aufhält, gar nicht bestraft werden könnte. Entgegen der Auffassung des Erstgerichtes kann daher bei dieser Sachlage aus der Funktion des Beschwerdeführers als Gendarmeriebeamter noch nicht ohne weiteres abgeleitet werden, daß er vorliegend auch mit dem in § 302 Abs. 1

StGB. geforderten Schädigungsvorsatz gehandelt hat. Aus all diesen Gründen hätte es sohin näherer Feststellungen zur Beurteilung der Frage bedurft, ob der Angeklagte eine Schädigung des Staates in seinem Recht auf Ahndung von Verstößen gegen die Straßenverkehrsordnung in seinen (zumindest bedingten) Vorsatz aufgenommen hat.

Zufolge des aufgezeigten Feststellungsmangels war daher in teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten das Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, nur im Schuldspruch wegen des Verbrechens des Mißbrauches der Amtsgewalt nach § 302 Abs. 1 StGB. (Punkt II) des Urteilssatzes), sowie demgemäß auch im Strafausspruch aufzuheben und die Sache im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen. Im übrigen war die Nichtigkeitsbeschwerde dagegen zu verwerfen.

Mit seiner Berufung war der Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen.

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