OGH 13Os30/80

OGH13Os30/8026.6.1980

Der Oberste Gerichtshof hat am 26.Juni 1980 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Müller, Dr. Horak, Dr. Schneider und Dr. Härburger als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Baumgartner als Schriftführers in der Strafsache gegen Gerhard A und Reinhard B wegen des Vergehens der Fälschung besonders geschützter Urkunden nach den §§ 223 Abs 2, 224 StGB. und einer anderen strafbaren Handlung über die vom Angeklagten Reinhard B gegen das Urteil des Jugendgerichtshofs Wien als Schöffengerichts vom 17.Dezember 1979, GZ. 4 a Vr 1402/79-13, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrags des Berichterstatters, Hofrats des Obersten Gerichtshofs Dr. Müller, und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalts Dr. Nurscher, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Gemäß dem § 290 Abs 1 StPO. wird das angefochtene Urteil, daß im übrigen unberührt bleibt, hinsichtlich beider Angeklagter im Schuldspruch wegen des Vergehens der versuchten Täuschung nach den §§ 15, 108 StGB.

(Punkt B des Urteilssatzes) und im Strafausspruch aufgehoben und gemäß dem § 288 Abs 2 Z. 3 StPO. im Umfang der Aufhebung in der Sache selbst erkannt:

Für das Gerhard A und Reinhard B nach dem aufrecht gebliebenen Punkt A des Schuldspruchs zur Last fallende Vergehen der Fälschung besonders geschützter Urkunden nach den §§ 223 Abs 2, 224 StGB. werden sie nach dem § 224 StGB. unter Anwendung des § 37 StGB. und des § 11 JGG. zu Geldstrafen, und zwar Gerhard A zu 26 (sechsundzwanzig) Tagessätzen zu je 60

(sechzig) Schilling, im Fall der Uneinbringlichkeit zu einer Ersatzfreiheitsstrafe von 13 (dreizehn) Tagen, und Reinhard B zu 18 (achtzehn) Tagessätzen zu je 80 (achtzig) Schilling, im Fall der Uneinbringlichkeit zu einer Ersatzfreiheitsstrafe von 9 (neun) Tagen, verurteilt.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte Reinhard B auf diese Entscheidung verwiesen.

Gemäß dem § 390 a StPO. fallen dem Angeklagten Reinhard B die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden der am 14.Oktober 1961 geborene Gerhard A und der am 29.November 1961 geborene Reinhard B der Vergehen der Fälschung besonders geschützter Urkunden nach den §§ 223 Abs 2, 224 StGB. und der versuchten Täuschung nach den §§ 15, 108 StGB. schuldig erkannt, weil sie am 20.Juli 1979

in Purkersdorf in Gesellschaft als Beteiligte (zu Punkt A) eine falsche Moped-Kennzeichentafel, sohin eine inländische öffentliche Urkunde, im Rechtsverkehr zum Beweis einer Tatsache, nämlich der ordnungsgemäßen Zulassung des von ihnen gelenkten Mopeds, gebrauchten sowie (zu Punkt B) versuchten, dem Staat in seinem Recht, Fahrzeuge, die die materiellen Zulassungsvoraussetzungen nicht erfüllen, vom Verkehr auf öffentlichen Straßen auszuschließen, dadurch einen Schaden zuzufügen, daß sie Beamte der Straßenaufsicht durch Täuschung über Tatsachen zu einer Unterlassung, die den Schaden herbeiführen sollte, nämlich zur Unterlassung des Einschreitens, zu verleiten trachteten, indem sie mit dem Moped, auf dem die falsche Kennzeichentafel angebracht war, am öffentlichen Verkehr teilnahmen.

Lediglich der Angeklagte Reinhard B ficht den gegen ihn ergangenen Schuldspruch aus den Gründen der Z. 5, 9 lit a und lit b des § 281 Abs 1 StPO. mit Nichtigkeitsbeschwerde an.

Unter Berufung auf § 281 Abs 1 Z. 5 StPO. wendet sich der Beschwerdeführer gegen die Urteilsannahme, daß er das an dem (auch) von ihm gelenkten, dem Gerhard A gehärigen Moped angebrachte Kennzeichen als gefälscht erkannt habe, und meint, daß die sein (von ihm bestrittenes) Wissen um diese Fälschung feststellenden Schlußfolgerungen des Jugendschöffengerichts daraus, daß er mit Gerhard A befreundet sei und es daher unverständlich wäre, daß ihm A zwar von der Abnahme des Kennzeichens wegen Schnellfahrens, nicht aber von dessen ordnungsgemäßer Wiedererlangung Mitteilung gemacht hätte, füglich nicht gezogen werden können. Ebensowenig lasse sich aus der weiteren Feststellung, der Angeklagte habe vor Antritt der Fahrt die Rückseite des Mopeds angeschaut, ableiten, daß für ihn zu einer solchen Besichtigung des Fahrzeugs kein Anlaß bestanden hätte, wenn er von A über eine Rückgabe der (zuvor abgenommenen) Kennzeichentafel informiert worden wäre.

Rechtliche Beurteilung

Damit wird jedoch nicht der angerufene Nichtigkeitsgrund dargetan, sondern nur unzulässig und demnach unbeachtlich die im Nichtigkeitsverfahren unanfechtbare Beweiswürdigung des Schöffengerichts bekämpft. Das Erstgericht konnte nämlich aus den angeführten Prämissen ohne Verstoß gegen die Denkgesetze eine Kenntnis des Beschwerdeführers von der Fälschung herleiten und darüber hinaus als weiteres Indiz dafür auch noch werten (was der Beschwerdeführer mit Stillschweigen übergeht), daß das Kennzeichen zwar nicht im Fließverkehr, wohl aber am stehenden Fahrzeug leicht als gefälscht erkennbar war (S. 52). Auch aus der Tatsache, daß das Moped beim Betrieb durch den Beschwerdeführer eine höhere Geschwindigkeit erreichte, als sie für Fahrzeuge dieser Art zulässig ist, konnte das Erstgericht logisch einwandfrei folgern, daß der Beschwerdeführer, der wußte, daß dem Fahrzeughalter A kurz zuvor das Kennzeichen wegen Schnellfahrens abgenommen worden war, nicht annehmen konnte, daß ohne entsprechende, die erreichbare Höchstgeschwindigkeit auf ein zulässiges Maß reduzierende Modifikation des Fahrzeugs die Tafel von der Behörde wieder herausgegeben worden sei.

Aber auch der Vorwurf der Unvollständigkeit der Urteilsbegründung zum Schuldspruch wegen des Vergehens nach den §§ 223 Abs 2, 224 StGB. hält einer Überprüfung nicht stand, weil diese deutlich erkennen läßt, welche für die subjektive und die objektive Tatseite entscheidenden Tatsachen der Schöffensenat als erwiesen angenommen hat und welche Gründe hiefür maßgebend waren.

Aus dem Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z. 9

lit a StPO. rügt der Beschwerdeführer, daß das Erstgericht Feststellungen über die mit 22,00 Uhr anzunehmende Tatzeit unterlassen habe; ansonsten wäre es nämlich zur Überzeugung gelangt, daß die Überprüfung des Kennzeichens zu dieser Nachtzeit eine Fälschung nicht erkennen ließ, es daher an dem nach §§ 223, 224 StGB. notwendigen Vorsatz zur Verwendung einer gefälschten Urkunde gebrach.

Damit wird allerdings nicht der angerufene Nichtigkeitsgrund geltend gemacht, sondern erneut nur unzulässig und damit auch unbeachtlich die Beweiswürdigung des Schöffengerichts bekämpft. Daß aber die vom Beschwerdeführer vermißte Feststellung der genauen Tatzeit materiellrechtliche Konsequenzen für die Entscheidung der Strafsache gehabt hätte, wird weder behauptet, noch träfe dies zu. Mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers, er habe das ihm angelastete Vergehen der versuchten Täuschung nach den §§ 15, 108 StGB. mangels Kenntnis des Sachverhalts gar nicht begehen können, wird die Rechtsrüge, weil nicht vom urteilsmäßig festgestellten Sachverhalt (S. 52) ausgehend, nicht prozeßordnungsgemäß ausgeführt; darauf ist nicht einzugehen.

In Anrufung des Nichtigkeitsgrundes des § 281 Abs 1 Z. 9 lit b StPO. reklamiert der Beschwerdeführer schließlich eine Beurteilung seines Verhaltens nach dem § 42 Abs 1 StGB., was seinen Freispruch nach dem § 259 Z. 4 StPO. zur Folge hätte. Unbeschadet der im folgenden zu begründenden Maßnahme gemäß § 290 Abs 1 StPO. und der sich daraus ergebenden Strafneubemessung sei bereits hier darauf verwiesen, daß § 224 StGB. einen bis zu zwei Jahren Freiheitsstrafe reichenden Strafrahmen vorsieht, die Bestimmung des § 42 StGB. aber nur dann anwendbar ist, wenn - neben anderen Voraussetzungen - eine von Amts wegen zu verfolgende Tat mit Geldstrafe, mit nicht mehr als einjähriger Freiheitsstrafe oder mit einer solchen Freiheits- und Geldstrafe bedroht ist. Daran ändert auch nichts, daß nach § 11 Z. 1 JGG. das Höchstmaß der zeitlichen Freiheitsstrafe für den zur Tatzeit noch jugendlichen Beschwerdeführer auf die Hälfte - hier also auf ein Jahr - herabgesetzt ist. Nach § 11 Z. 2 JGG.

ist nämlich bei der Prüfung, ob die Voraussetzungen für die Anwendung (u.a.) des § 42 StGB. vorliegen, nicht von den nach § 11 Z. 1 JGG. verkürzten, sondern von den ursprünglichen Strafdrohungen auszugehen.

Aus Anlaß der Nichtigkeitsbeschwerde konnte sich der Oberste Gerichtshof jedoch davon überzeugen, daß das Ersturteil zum Nachteil des Angeklagten Reinhard B mit einer von diesem nicht gerügten materiellen Nichtigkeit gemäß § 281 Abs 1 Z. 9 lit a StPO. insofern behaftet ist, als es ihm in Tateinheit der Vergehen der versuchten Täuschung nach den §§ 15, 108 StGB. und der Fälschung besonders geschützter Urkunden nach den §§ 223 Abs 2, 224 StGB. schuldig erkannte. Dieselbe Nichtigkeit unterlief auch zum Nachteil des Mitangeklagten Gerhard A, der die Nichtigkeitsbeschwerde nicht ergriffen hat (§ 290 Abs 1 StPO.).

Das Vergehen der Urkundenfälschung nach dem § 223 Abs 2 StGB. begeht, wer eine falsche oder verfälschte Urkunde im Rechtsverkehr zum Beweis eines Rechts, eines Rechtsverhältnisses oder einer Tatsache gebraucht, wobei unter Gebrauch im Rechtsverkehr jede mit Rücksicht auf den Inhalt der Urkunde rechtserhebliche Verwendung derselben zu verstehen ist, ein Gebrauch also, durch den der zu Täuschende zu einem rechtlich erheblichen Verhalten bestimmt oder durch das eine rechtlich erhebliche Maßnahme vereitelt werden soll (RiZ. 1977 Nr. 90). Darnach impliziert der Gebrauch eines Falsifikats - von seltenen Ausnahmsfällen abgesehen - regelmäßig die Täuschung über Tatsachen mit einem daraus resultierenden Schaden an irgendwelchen Rechten.

Eine abstrakte, von den konkreten Umständen der Deliktsverwirklichung losgeläste Betrachtungsweise läßt also erkennen, daß die ansonst erst in absichtlicher Schadenszufügung strafbare Täuschung über Tatsachen (§ 108 Abs 1 StGB.) schon in dem eine solche Täuschung, und zwar auch zwecks Schadenszufügung, generell indizierenden (wenn auch allenfalls nur bedingt vorsätzlichen) Gebrauch falscher und verfälschter Urkunden im Rechtsverkehr zum Beweis eines Rechts, eines Rechtsverhältnisses oder einer Tatsache pönalisiert wird (§ 223 Abs 2 StGB.). Folgerichtig kann neben dem § 223 Abs 2 StGB. der lediglich subsidiäre Auffangtatbestand des § 108 Abs 1

StGB., der Angriffe auf die Selbstbestimmung des Willens ('Freiheit der Willensentscheidung') kriminalisieren soll und darum in den Abschnitt über die strafbaren Handlungen gegen die Freiheit eingereicht wurde (EBRV. 1971 S. 239), tateinheitlich nicht verwirklicht werden (siehe Kienapfel, Grundriß I RN. 860; derselbe in RiZ. 1980 S. 66). In diesem Zusammenhang ist darauf zu verweisen, daß der Oberste Gerichtshof aus gleichartigen Erwägungen die Möglichkeit echter Idealkonkurrenz von Täuschung (§ 108 StGB.) und Vortäuschung einer strafbaren Handlung (§ 298 StGB.) verwirft (LSK. 1977/148), obwohl auch im § 298 StGB. ein Schädigungsvorsatz nicht ausdrücklich verlangt wird.

Sonach kann der Oberste Gerichtshof an der in seiner Entscheidung

vom 6.November 1975, SSt. XLVI/62 = JBl 1976

S. 494 = ZVR. 1976 Nr. 55 = EvBl 1976 Nr. 163, ausgesprochenen, die

Möglichkeit der Tateinheit der Delikte nach den §§ 108 und 223 StGB.

bejahenden Meinung nicht festhalten. Besonders strafwürdigen Fällen von Täuschung (und Schadenszufügung bzw. Gefährdung) durch Verwenden gefälschter Urkunden kann, soweit nicht ohnehin §§ 146, 147 Abs 1 Z. 1 StGB. eingreifen, mittels Ausschäpfung der Strafrahmen der §§ 223, 224 StGB. Rechnung getragen werden.

Die Angeklagten wären daher richtigerweise nur des Vergehens der Fälschung besonders geschützter Urkunden nach den §§ 223, Abs 2, 224 StGB. schuldig zu erkennen gewesen. Ein färmlicher Freispruch von der Anklage wegen Vergehens der versuchten Täuschung nach den §§ 15, 108

StGB. hat bei der von Anklage und Erstgericht irrig angenommenen Idealkonkurrenz zu unterbleiben.

In erforderlicher Neubemessung der Strafen, die nach dem § 224 StGB. in Anwendung des § 11 JGG. zu verhängen waren, konnten als erschwerend bei B sein Vorleben (siehe 5 Vr 1854/78 des Jugendgerichtshofs Wien), bei A die intensivere Tatbeteiligung, als mildernd bei B die geringfügige Art der strafbaren Mitwirkung, bei A das Geständnis angenommen werden.

Bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 37 Abs 1 StGB. erachtete der Oberste Gerichtshof Geldstrafen, und zwar bei Gerhard

A von 26 Tagessätzen, bei Reinhard B von 18 Tagessätzen, für angemessen; die Ersatzfreiheitsstrafen waren gemäß § 19 Abs 3,

2. Satz, StGB.

mit 13 bzw. 9 Tagen festzusetzen. Auf Grund der vom Erstgericht zutreffend angenommenen persönlichen Verhältnisse der Angeklagten und ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit wurde der Tagessatz in Übereinstimmung mit dem Ersturteil bei Gerhard A mit 60 S, bei Reinhard B mit 80 S festgesetzt.

Mit seiner Berufung war der Angeklagte Reinhard B auf diese Entscheidung zu verweisen.

Die das Rechtsmittelverfahren betreffende Kostenentscheidung beruht auf der bezogenen Gesetzesstelle.

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