OGH 12Os61/80

OGH12Os61/8012.6.1980

Der Oberste Gerichtshof hat am 12. Juni 1980 unter dem Vorsitz des Hofrates des Obersten Gerichtshofes Dr.Kral in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Keller, Dr. Kießwetter, Dr. Steininger und Dr. Lachner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Mohr als Schriftführer in der Strafsache gegen Siegfried A wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs. 1, 143

2. Fall StGB. über die vom Angeklagten gegen das Urteil des Geschwornengerichtes beim Landesgericht für Strafsachen Wien vom 7. März 1980, GZ. 20 p Vr 10473/79-30, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Wolfgang Albert und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Nurscher, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird Folge gegeben und die Freiheitsstrafe auf fünf Jahre herabgesetzt.

Gemäß § 390 a StPO. fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 22.Jänner 1954 geborene (zuletzt beschäftigungslose) Siegfried A auf Grund des Wahrspruchs der Geschwornen des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs. 1, 143 zweiter Fall StGB.

schuldig erkannt, weil er am 27. November 1979 in Wien dadurch, daß er Johann B mit der Faust einen Stoß versetzte, mit einem Fixiermesser nach ihm stach und seine Brieftasche mit mindestens 5.000 S Bargeld, je einem Warengutschein des Kaufhauses C über 1.000 S und 500 S sowie sieben Straßenbahnvorverkaufsfahrscheinen an sich nahm, dem Johann B mit Gewalt gegen seine Person unter Verwendung einer Waffe fremde bewegliche Sachen mit dem Vorsatz weggenommen hat, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern. Die Geschwornen hatten die an sie gestellte (anklagekonforme) Hauptfrage wegen schweren Raubes nach §§ 142 Abs.1, 143 zweiter Fall StGB. (stimmeneinhellig) bejaht und infolgedessen die weiters an sie gestellte Eventualfrage in Richtung des Verbrechens des räuberischen Diebstahls nach § 131 StGB unbeantwortet gelassen.

Rechtliche Beurteilung

Dieses Urteil bekämpft der Angeklagte mit einer auf § 345 Abs. 1 Z. 6 und 8 StPO. gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, der keine Berechtigung zukommt.

In Ausführung des erstbezeichneten Nichtigkeitsgrundes behauptet der Beschwerdeführer eine Verletzung der Vorschriften über die Fragestellung, weil der Schwurgerichtshof im gegebenen Fall verpflichtet gewesen wäre, weitere Hauptfragen und insbesondere Eventualfragen zu stellen. Denn die gestellte (und von den Geschwornen bejahte) Hauptfrage (in Richtung schweren Raubes) gehe davon aus, daß der Angeklagte seinem Opfer mit der Faust einen Stoß versetzte und mit einem Fixiermesser nach ihm gestochen hat, um ihm sodann die Brieftasche samt Inhalt wegnehmen zu können, während die gestellte Eventualfrage von einem umgekehrten Geschehensablauf ausgehe, wonach der Angeklagte zunächst seinem Opfer die Brieftasche weggenommen und sodann, auf frischer Tat ertappt, auf B geschlagen und gestoßen beziehungsweise eingestochen hat, um sich im Besitz der Beute zu erhalten. Dabei werde aber jener Geschehensablauf nicht berücksichtigt, den der Beschwerdeführer schon in seiner polizeilichen Vernehmung und später in der Hauptverhandlung behauptet habe und der auch durch die Darstellung des Geschädigten unterstützt werde, wonach nämlich der Beschwerdeführer dem B zunächst einen Stoß versetzt und ihn dadurch auf das Bett geworfen, sodann die Brieftasche an sich genommen und erst darnach, nachdem er bereits im Besitz der Brieftasche gewesen sei, mit dem Messer auf B eingestochen habe. Rechtlich sei bei diesem Ablauf des Geschehens der Raub bereits vor dem Messerangriff vollendet gewesen, wobei dieser Raub mithin ohne Verwendung einer Waffe verübt worden sei, weshalb der nachfolgende Messerangriff gesondert (neben dem Verbrechen des Raubes nach § 142 Abs. 1 StGB.) als (vorsätzlich oder fahrlässig begangenes) Körperverletzungsdelikt anzulasten wäre. Angesichts der einen solchen Ablauf des Geschehens indizierenden Verfahrensergebnisse hätte daher den Geschwornen durch entsprechende weitere Fragen die Möglichkeit geboten werden sollen, einen solchen Tathergang anzunehmen.

Das in Rede stehende Beschwerdevorbringen zielt der Sache nach darauf ab, daß die Geschwornen entweder die an sie gerichtete Hauptfrage in Richtung des (schweren) Raubes mit der Einschränkung hätten bejahen sollen, daß der Raub ohne Verwendung einer Waffe verübt wurde, oder daß ihnen von vornherein in Ansehung der Qualifikation nach § 143 zweiter Fall StGB. eine Zusatzfrage im Sinne des § 316 StPO. hätte gestellt werden sollen, wobei für den Fall einer einschränkenden Bejahung der Hauptfrage oder der Verneinung der (uneigentlichen) Zusatzfrage Eventualfragen in Richtung vorsätzlicher oder fahrlässiger Körperverletzung durch Einstechen mit dem Messer gegen Johann B zu stellen gewesen wären. Entgegen dem Beschwerdevorbringen war indessen eine solche Sachverhaltskonstellation, wie sie die Beschwerde behauptet, nach den Verfahrensergebnissen nicht indiziert, und zwar weder nach der Verantwortung des Beschwerdeführers noch nach der Darstellung des Johann B. Denn der Beschwerdeführer hatte einen Raubvorsatz als solchen in Abrede gestellt und behauptet, den Entschluß zur Wegnahme der Geldbörse erst gefaßt zu haben, nachdem er (vorerst) dem Johann B nur aus Verärgerung über die Verweigerung eines Kredites einen Stoß versetzt hatte (S. 162 d.A.), wobei der Beschwerdeführer nicht in Abrede stellte, bei dem anschließenden 'Freimachen' von B, nachdem er dessen Geldbörse an sich genommen hatte (S. 165 d.A.), das Messer in der Hand gehabt zu haben.

Ausgehend von dieser Tatschilderung, wonach der Stoß gegen den Körper des B ohne Raubvorsatz versetzt wurde und der Messerangriff erst erfolgte, nachdem der Beschwerdeführer die Geldbörse des B weggenommen hatte, war zwar eine Eventualfrage nach räuberischem Diebstahl indiziert, nicht aber eine Tatbeurteilung als (einfacher) Raub mit einem anschließend gesondert geführten Messerangriff gegen das Opfer. Für eine solche Tatbeurteilung boten aber auch die Bekundungen des Johann B keine hinreichenden und konkreten Anhaltspunkte, weshalb die behaupteten Mängel der Fragestellung nicht vorliegen.

Soweit der Beschwerdeführer aber eine Nichtigkeit im Sinne der Z. 8 des § 345 Abs. 1 StPO. behauptet, weil die den Geschwornen erteilte Rechtsbelehrung keine Belehrung dahin enthalte, daß nach einem vollendeten Raub eine Körperverletzung vorsätzlich oder fahrlässig vorgenommen werden könne, die dem Angeklagten gesondert neben dem Raub anzulasten sei, womit der Beschwerdeführer auf seine Ausführungen zum Nichtigkeitsgrund nach § 345 Abs. 1 Z. 6 StPO. zurückgreift und eine einer Unrichtigkeit gleichkommende Unvollständigkeit der Rechtsbelehrung releviert, so läßt er außeracht, daß sich die Rechtsbelehrung nur auf die gestellten Fragen zu beziehen hat und darin nur die in den gestellten Fragen aufscheinenden Rechtsbegriffe zu erläutern sind, was vorliegend in hinreichendem Maße geschehen ist; Ausführungen in Ansehung nicht gestellter Fragen sind hingegen in die Rechtsbelehrung nicht aufzunehmen.

Somit vermag der Beschwerdeführer auch eine Nichtigkeit im Sinne der Z. 8 des § 345 Abs. 1 StPO. nicht aufzuzeigen.

Die zur Gänze unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde war demnach zu verwerfen, wobei auf das Vorbringen des Angeklagten in der von ihm selbst verfaßten Ausführung der Nichtigkeitsbeschwerde nicht einzugehen war, weil es nur eine einzige Ausführung dieses Rechtsmittels gibt und diese vorliegend rechtzeitig vom Verteidiger des Angeklagten eingebracht wurde.

Das Geschwornengericht verurteilte den Angeklagten nach dem ersten Strafsatz des § 143 StGB. zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 7 (sieben) Jahren, wobei es als erschwerend die einschlägigen Vorstrafen, den raschen Rückfall und den Umstand annahm, daß das Opfer körperbehindert ist, während es als mildernd die Selbststellung des Angeklagten bei der Polizei und das im Zusammenhang damit abgelegte Geständnis wertete.

Die Berufung des Angeklagten, mit welcher dieser eine Reduzierung des Strafmaßes, allenfalls unter Anwendung der außerordentlichen Strafmilderung nach § 41 StGB. anstrebt, ist begründet. Soweit der Berufungswerber darauf verweist, daß er zur Tatzeit selbst körperbehindert gewesen sei, weil er am linken Fuß einen Gipsverband getragen habe, daß er weiters noch keinen Raub begangen habe und die Tat in alkoholisiertem Zustand verübt worden sei, so vermag er damit keine (weiteren) Milderungsumstände aufzuzeigen, zumal ihn der Gipsverband am Fuß an der Tatbegehung in keiner Weise behindert hat, seine Vorstrafen wegen Eigentums- und Gewaltdelikten durchaus einschlägiger und sohin rückfallsbegründender Natur sind und die Alkoholbeeinträchtigung mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 35 StGB. nicht mildernd sein kann. Zu den vom Erstgericht somit zutreffend festgestellten Strafzumessungsgründen kommt allerdings als zusätzlicher mildernder Umstand die psychopathische Veranlagung des Angeklagten (vgl. S. 155 d.A.) hinzu.

Bei Würdigung der Strafzumessungsgründe kommt indessen vor allem der Selbststellung des Angeklagten besonderes Gewicht zu; angesichts der solcherart besonderen Lagerung des Falles entspricht die gesetzliche Mindeststrafe dem Schuldund Unrechtsgehalt der Straftat, aber auch der Täterpersönlichkeit des Angeklagten, weshalb die Strafe auf dieses Ausmaß zu reduzieren war. Die Anwendung der außerordentlichen Strafmilderung kam allerdings nicht in Betracht.

Es war somit spruchgemäß zu erkennen.

Die Kostenentscheidung beruht auf der bezogenen Gesetzesstelle.

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