OGH 13Os51/80

OGH13Os51/8012.6.1980

Der Oberste Gerichtshof hat am 12.Juni 1980 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Müller, Dr. Horak, Dr. Schneider und Dr. Hörburger als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Baumgartner als Schriftführers in der Strafsache gegen Helene A und andere wegen des Vergehens der Verleitung zur Pflichtwidrigkeit nach dem § 307 Z. 1 StGB. und anderer strafbarer Handlungen über die von den Angeklagten Peter B und Roland C gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengerichts vom 18.Jänner 1980, GZ. 6 e Vr 9409/78-56, erhobenen Nichtigkeitsbeschwerden und Berufungen nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrags des Berichterstatters, Hofrats des Obersten Gerichtshofs Dr. Müller, der Ausführungen der Verteidiger Dr. Luksch und Dr. Gahleithner und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalts Dr. Tschulik, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden verworfen.

Den Berufungen wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO. fallen den Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden schuldig erkannt:

1. die damalige Kaffeesiederin und nunmehrige Angestellte Helene A der Vergehen der Verleitung zur Pflichtwidrigkeit nach dem § 307 Z. 1 StGB. (Punkt I. 2.), des schweren Betrugs nach den §§ 146, 147 Abs. 2 StGB. (Punkt II. 1.) und nach dem § 114 ASVG. (Punkt II. 2.),

2. der Finanzbeamte Peter B des Vergehens der Geschenkannahme durch Beamte nach dem § 304 Abs. 1 StGB. (Punkt I. 1.) und 3. der Angestellte Roland C der Vergehen der Geschenkannahme durch Beamte und der Verleitung zur Pflichtwidrigkeit (jeweils) als Beteiligter nach den §§ 12, 304 Abs. 1, 307 Z. 1 StGB. (Punkt I. 3.). Nach dem Inhalt der zu Punkt I des Urteilssatzes ergangenen Schuldsprüche forderte Peter B als Kontrollor des Finanzamts für den 2., 20., 21 und 22.Bezirk im September 1978 im Rahmen einer im Kaffeehausbetrieb der Helene A durchgeführten steuerlichen Betriebsprüfung für die Herabsetzung des von ihm auf Grund der Geschäftsunterlagen geschätzten steuerlichen Nachforderungsbetrags von etwa 600.000 S auf zirka 100.000 S, mithin für die pflichtwidrige Vornahme eines Amtsgeschäfts, von Helene A, die ihm ihrerseits zu diesem Zweck mindestens 30.000 S anbot, einen Betrag von 60.000 S. Dem Angeklagten Roland C wird zur Last gelegt, er habe einerseits Peter B dazu bestimmt, von Helene A für die Herabsetzung des Nachforderungsbetrags 60.000 S zu verlangen, und andererseits Helene A wiederholt aufgefordert, sie solle 60.000 S an Peter B für die versprochene Herabsetzung der Steuernachforderung bezahlen. Während das Urteil seitens der Helene A unangefochten blieb, bekämpfen es die Angeklagten Peter B und Roland C mit Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung.

Rechtliche Beurteilung

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten B:

Mit Beziehung auf den Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs. 1 Z. 5 StPO. behauptet dieser Beschwerdeführer einen Widerspruch des Urteils im Ausspruch über entscheidende Tatsachen, weil in den Urteilsgründen nur davon die Rede sei, er habe sich für die pflichtwidrige Durchführung der Betriebsprüfung einen Vermögensvorteil versprechen lassen, während er nach dem Inhalt des Urteilsspruchs einen solchen gefordert haben soll; er habe sich stets dahin verantwortet, daß er das an ihn herangetragene Ansinnen der A zurückgewiesen habe. Außerdem wird geltend gemacht, das Erstgericht habe nicht zureichend begründet, warum es die Angaben der Inhaberin eines Prostituiertencafes - der Angeklagten Helene A - für glaubwürdiger erachtete als seine (gleichbleibende) Verantwortung.

Die Mängelrüge versagt.

Zunächst kann die vorliegende Behauptung eines Widerspruchs zwischen dem Urteilssatz und Entscheidungsgründen schon begrifflich nicht nach dem § 281 Abs. 1 Z. 5 StPO., sondern nur als materiellrechtliche Rüge beurteilt werden.

Wie aber die Beschwerde selbst einräumt, ist es an sich rechtlich unerheblich, ob der Angeklagte B für die pflichtwidrige Vornahme eines Amtsgeschäfts von Helene A einen Vermögensvorteil forderte, annahm oder sich versprechen ließ, weil es sich hiebei um völlig gleichwertige, beliebig vertauschbare Begehungsformen der Geschenkannahme durch Beamte nach § 304 Abs. 1 StGB. handelt (alternativer Mischtatbestand). Abgesehen davon liegt ein echter Widerspruch zwischen Urteilsspruch und Urteilsgründen nicht vor; denn nach den Urteilskonstatierungen teilte der Angeklagte B der Mitangeklagten A bei deren erster Vorsprache im Finanzamt mit, daß die Steuerforderung ungefähr 600.000 S betragen würde, daß sich diese Summe aber wesentlich reduzieren ließe, wenn sie an ihn 60.000 S bezahlen würde, und beharrte, als A einwendete, dieser Betrag wäre für sie zu hoch, auf der geforderten Summe (vgl. S. 363 f. d.A.). Das festgestellte Verhalten des Angeklagten B erschöpfte sich demnach nicht in der Annahme eines von einem der Mitangeklagten gemachten Angebots eines Vermögensvorteils, sondern bestand (auch inhaltlich der Urteilsgründe) primär in einem aktiven Fordern eines bestimmten - gegenüber dem Anbot höheren - Geldbetrags. Im übrigen ist den bezüglichen Beschwerdeausführungen noch folgendes zu erwidern: In den Urteilsgründen wird ausführlich dargelegt, auf Grund welcher Erwägungen den Angaben der Angeklagten Helene A - trotz gewisser Widersprüche im Detail - Glauben geschenkt, die leugnende Verantwortung des Angeklagten Peter B (ebenso wie die des Angeklagten Roland C) hingegen als widerlegt angesehen wurde. Hiebei legte das Erstgericht auch dar, warum es (unter Verwertung des in der Hauptverhandlung gewonnenen persönlichen Eindrucks) eine bewußte Falschbezichtigung der Helene A - etwa aus dem Motiv der Rache - ausschloß und ihrer Darstellung innere Glaubwürdigkeit beimaß, wogegen es die Verantwortung bzw. das Verhalten des Angeklagten B - insbesondere im Hinblick auf das ursprüngliche Bestreiten eines Bestechungsangebots durch C anläßlich seiner Vernehmung durch die vorgesetzte Dienstbehörde und das folgende (bloß) andeutungsweise Zugeständnis solcher Gespräche, sowie auf sein Zusammentreffen mit Roland C am 12.März 1979

(nach Anzeigeerstattung) - als widersprüchlich und nur unter der Voraussetzung, daß man den Angaben der A folge, für logisch erklärbar erachtete. Ferner bejahte das Erstgericht unter Berücksichtigung des wesentlichen Inhalts des bezüglichen Betriebsprüfungsberichts mit logisch einwandfreier und durchaus lebensnaher Begründung die in der Beschwerde in Zweifel gezogene Manipulationsmöglichkeit in Ansehung der Ergebnisse der Betriebsprüfung durch den Angeklagten B. Soweit der Beschwerdeführer demgegenüber die Argumentation des Gerichts für nicht genügend stichhältig erachtet und vermeint, dieses hätte aus den Verfahrensergebnissen andere, für ihn günstigere Schlußfolgerungen ziehen und seiner Verantwortung als 'der eines Staatsbeamten' mehr Glauben schenken müssen, als den Angaben der mit dem Betrieb eines 'Prostituiertenlokals' befaßt gewesenen Mitangeklagten A, erschöpft sich sein Vorbringen in einem im Nichtigkeitsverfahren unzulässigen und daher unbeachtlichen Angriff auf die erstrichterliche Beweiswürdigung, der formale Begründungsmängel in der Bedeutung der Z. 5 des § 281 Abs. 1 StPO. nicht anhaften.

Der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Peter B war daher ein Erfolg zu versagen.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten C:

Der Angeklagte Roland C wendet sich aus dem Nichtigkeitsgrund der Z. 10 des § 281 Abs. 1 StPO. gegen die Beurteilung seiner Tat auch als Verleitung zur Pflichtwidrigkeit nach den §§ 12, 307 Z. 1 StGB., weil durch die Unterstellung unter den Tatbestand der Geschenkannahme durch Beamte (in der Erscheinungsform der Anstiftung) der Unrechtsgehalt seines Tatbeitrags in seiner Gesamtheit hinreichend abgegolten sei.

Damit ist der Beschwerdeführer nicht im Recht. Seine Argumentation trifft nur den Fall, in welchem jemand einen Beamten durch Bestechung zu einem Amtsmißbrauch im Sinn des § 302 Abs. 1 StGB. anstiftet bzw. anstiften will. Bei einem solchen Tatverhalten liegt ungeachtet des Fehlens einer ausdrücklichen Subsidiaritätsklausel in den §§ 304

und 307 Z. 1 StGB. bloße Gesetzeskonkurrenz zu Gunsten der strengeren Bestimmung des § 302 (§ 12) StGB. vor, welche die Fälle des Amtsmißbrauchs mit und ohne Bestechung erfaßt, wobei die Tatsache der Geschenkannahme lediglich als erschwerend zu werten ist

(SSt. 47/9 = LSK.

1976/115, SSt. 47/30 = LSK. 1976/238; Leukauf-Steininger, Kommentar

zum StGB.2, RN. 38 zu § 302 StGB., RN. 15 zu § 304 StGB. und RN. 8 zu § 307 StGB.). Vorliegenden Falls wurde jedoch weder die Tat des Angeklagten B dem Mißbrauch der Amtsgewalt unterstellt noch das Verhalten des Angeklagten C als versuchte Anstiftung hiezu beurteilt, zumal auch nicht alle für eine Beteiligung hieran erforderlichen subjektiven Tatbestandsvoraussetzungen festgestellt wurden (vgl. LSK. 1977/382).

Anders ist das Verhältnis der Tatbestände der §§ 304 Abs. 1 und 307 Z. 1 StGB. zueinander. Wohl verantwortet der Geschenkgeber, der einen Beamten durch Anbieten, Versprechen oder Gewähren eines Vermögensvorteils zu einer Pflichtwidrigkeit verleiten will, die nicht dem § 302 Abs. 1 StGB. zu unterstellen ist, nur den Tatbestand der Verleitung zu Pflichtwidrigkeiten und nicht auch Geschenkannahme eines Beamten als Anstifter (§ 12 StGB.), weil § 307 Z. 1 StGB. als Gegenstück zu § 304 Abs. 1 StGB.

speziell konstruiert ist. Bezieht sich die Tathandlung auf eine lediglich nach § 304 Abs. 2 StGB. strafbare Handlung eines Beamten, so bleibt der Geschenkgeber straflos (verbo 'pflichtwidrig' im § 307 Z. 1 StGB.). Die Strafbarkeit des Geschenkgebers nur wegen des geringer strafbedrohten Delikts nach dem § 307 Z. 1 StGB. und dessen Straflosigkeit in bezug auf die Geschenkannahme eines Beamten nach § 304 Abs. 2 StGB. verbietet aber keineswegs die gesonderte Bestrafung einer dritten, vom Geschenkgeber verschiedenen Person wegen doloser Beteiligung an einer Geschenkannahme durch Beamte (vgl. in diesem Sinn schon KH. 2561), weil das Gesetz insoweit eine Ausnahme von den §§ 12 bis 14 StGB. aus dem Grund einer (sogenannten) notwendigen Teilnahme nicht vorsieht.

Der Angeklagte C wird nicht dafür verantwortlich gemacht, daß er in seinem Interesse die pflichtwidrige Amtsausübung eines Beamten durch Anbieten eines Geldgeschenks zu erlangen suchte. Ihm fällt vielmehr zur Last, daß er einerseits beim Angeklagten B den Entschluß hervorrief, von A einen Vermögensvorteil zu fordern, andererseits - durch gesonderte Tathandlungen - die Mitangeklagte A veranlaßte, von sich aus dem Angeklagten B einen Vermögensvorteil anzubieten und sie wiederholt drängte, sich das hiefür erforderliche Geld zu beschaffen. Das Unrecht dieses gesamten (auf eine pflichtwidrige Amtsausübung und Verleitung hiezu gerichteten) Tatverhaltens ist somit nicht durch dessen Unterstellung bloß unter einen dieser Tatbestände voll erfaßt.

Der Angeklagte C verwirklichte vielmehr sowohl den Tatbestand der (durch A als unmittelbare Täterin begangenen) Verleitung eines Beamten zu Pflichtwidrigkeiten, als auch - in echter ungleichartiger Realkonkurrenz - den Tatbestand der (von B als Haupttäter begangenen) Geschenkannahme durch Beamte nach dem § 304 Abs. 1 StGB. in der Erscheinungsform der Anstiftung, zumal die Beamteneigenschaft des Haupttäters beim letztgenannten Delikt das Unrecht der Tat betrifft (§ 14 Abs. 1 StGB.).

Da dem Urteil der geltend gemachte Subsumtionsirrtum nicht anhaftet, war auch die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten C zu verwerfen.

Zu den Berufungen:

Das Erstgericht verhängte nach dem § 304 Abs. 1 StGB. in Anwendung des § 37 StGB. über Peter B und Roland C - über ihn auch unter Bedachtnahme auf § 28

StGB. - Geldstrafen von je dreihundert Tagessätzen, für den Fall ihrer Uneinbringlichkeit Ersatzfreiheitsstrafen von je einhundertfünfzig Tagen, wozu es den Tagessatz bei Peter B mit 90 S, bei Roland C mit 200 S bemaß. Es erachtete bei C das Zusammentreffen zweier Vergehen, bei B keinen Umstand als erschwerend; als mildernd sah es bei B dessen Unbescholtenheit, bei C hingegen keinen Umstand an.

Mit ihren Berufungen streben die genannten Angeklagten eine Herabsetzung der Geldstrafen - der Angeklagte C ausdrücklich der Anzahl der Tagessätze und der Bemessung des Tagessatzes nach - an; letztgenannter begehrt überdies die Gewährung der bedingten Strafnachsicht.

Den Berufungen kommt keine Berechtigung zu.

Weder eine 'wahrheitsgemäße Angabe einer Tatsache' durch den nicht geständigen Angeklagten B, noch ein 'als einheitliches deliktisches Geschehen' zu wertendes Verhalten des immerhin nach zwei Seiten hin kriminell tätig gewesenen Angeklagten C konnten als mildernd in Anschlag gebracht werden. Die Anzahl der Tagessätze ist - auch in der Gleichbehandlung der beiden Berufungswerber -

durchaus berechtigt, wozu auf die diesbezüglichen Ausführungen des Erstgerichts verwiesen wird (S. 396). Da dieses außerdem die damals aktenkundigen Vorstrafen CS nicht als erschwerend wertete (S. 395), sie vielmehr als zurückliegend bezeichnete (S. 396), kann die nach nunmehr eingeholter Strafregisterauskunft gegebene Unbescholtenheit CS als zusätzlicher Milderungsgrund nicht entscheidendes Gewicht gewinnen.

Zufolge § 19 Abs. 2 StGB. ist der Tagessatz nach den persönlichen Verhältnissen und der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Rechtsbrechers im Zeitpunkt des Urteils erster Instanz zu bemessen. Nach den erstgerichtlichen Feststellungen bezieht der Angeklagte B als Kontrollor des Finanzamts ein monatliches Einkommen von ca. 9.000 S, besitzt ein Grundstück im Wert von ca. 100.000 S, einen mit ca. 20.000 S bewerteten Personenkraftwagen und hat für seine im Haushalt tätige Gattin und zwei minderjährige Kinder zu sorgen. Der Angeklagte C hingegen verdient danach als Buchhalter ca. 10.000 S monatlich (netto), besitzt eine Eigentumswohnung im Einheitswert von 286.000 S und lebt mit seiner monatlich 5.130 S verdienenden Ehegattin (S. 358).

Aus dem Vergleich der wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnisse der beiden Angeklagten geht klar hervor, daß B mehrere Sorgepflichten treffen, C aber nicht, sodaß entgegen den Berufungsausführungen des letzteren sehr wohl der sachliche Grund für die unterschiedliche Festsetzung der Höhe der Tagessätze erkennbar ist. Da sohin einerseits die wirtschaftliche Belastung des Angeklagten B ausreichende Berücksichtigung gefunden hat und andererseits der Strafcharakter einer Geldstrafe eine empfindliche Kürzung der Einkünfte gebietet, die den Angeklagten C bei fehlenden Sorgepflichten nicht härter als den Angeklagten B trifft, dessen Einkommen für vier Personen reichen muß, war beiden Berufungen, auch soweit sie die Bemessung des Tagessatzes mit einem geringen Betrag anstreben, kein Erfolg beschieden (S. 397).

Das Erstgericht hat schließlich in der mangelnden Schuldeinsicht und den generalpräventiven Erfordernissen die Gründe dargelegt, die gegen die Gewährung der bedingten Strafnachsicht sprechen (S. 396, 397), sodaß auch der die Anwendung des § 43 StGB. begehrenden Berufung des Angeklagten C nicht Folge zu geben war. Die Kostenentscheidung beruht auf der bezogenen Gesetzesstelle.

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