OGH 10Os57/80

OGH10Os57/8020.5.1980

Der Oberste Gerichtshof hat am 20. Mai 1980 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Racek in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini, Dr. Friedrich, Dr. Hörburger und Dr. Lachner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Bart als Schriftführer in der Strafsache gegen Alois A wegen des Vergehens des teils vollendeten, teils versuchten Betruges nach §§ 146, 15 StGB. über die von der Generalprokuratur gegen das Urteil des Kreisgerichtes Korneuburg als Berufungsgericht vom 17. Jänner 1980, AZ. 9 a Bl 126/79 (U 232/79-16 des Bezirksgerichtes Laa a.d.Thaya), erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini, und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Strasser, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Das Urteil des Kreisgerichtes Korneuburg als Berufungsgericht vom 17. Jänner 1980, AZ. 9 a Bl 126/79 (U 232/79-16 des Bezirksgerichtes Laa an der Thaya), verletzt das Gesetz in der Bestimmung des § 313 StGB. (in Verbindung mit §§ 8 Abs. 3, 9 Abs. 1 Z. 1 und 10 Z. 2 StPO.).

Text

Gründe:

Die Staatsanwaltschaft Korneuburg beantragte am 19. Juni 1979 beim Bezirksgericht Laa an der Thaya die Bestrafung des am 26. Mai 1929 geborenen Postvorstandes Alois A wegen des Vergehens des teils vollendeten, teils versuchten Betruges nach §§ 146 und 15 StGB. (S. 2 a).

Er ist auf Grund des Ergebnisses der Erhebungen der Gendarmerie und der Post- und Telegraphendirektion für Wien, Niederösterreich und das Burgenland verdächtig, als Postamtsvorstand bei Besorgung der Geschäfte der Österreichischen Postsparkasse durch Übertragung eines - durch ihn überdies zunächst nicht ordnungsgemäß verrechneten - Postsparguthabens von 110.400 S vom Privatsparbuch (Überbringersparbuch) Nr. 21.133.107 auf das von ihm ohne Zustimmung des Kontoinhabers neu eröffnete (derartige) Postsparbuch Nr. 21.133.114

und damit im Wege des Vortäuschens einer weiteren Spareinlage sowie durch die deshalb rechtswidrige Beanspruchung der ihm für eine neue Einlage gebührenden Werbeprämie Organwalter der Postsparkasse zur Auszahlung einer solchen Prämie von 50 S sowie die Post- und Telegraphendirektion für Wien, Niederösterreich und das Burgenland zur Auszahlung einer Geldverkehrszulage von rund 11 S verleitet, ferner die vorher bezeichneten Organe außerdem zur Auszahlung einer weiteren Werbeprämie von 59 S zu verleiten versucht zu haben, wodurch der Postsparkasse und der Republik Österreich als Dienstgeberin des Beschuldigten jeweils ein Schade in der Höhe der genannten Beträge entstand bzw. entstehen sollte.

Überdies legt die Staatsanwaltschaft dem Angeklagten im gegebenen Zusammenhang den durch verspätete Abrechnung des Sparguthabens dem Kontoinhaber entstandenen Zinsenverlust für vier Tage in der Höhe von 73,60 S als zusätzlichen Betrugsschaden zur Last. Mit dem Urteil vom 8. November 1979, GZ. U 232/79-13, sprach das Bezirksgericht Laa an der Thaya (gemäß §§ 261, 447 StPO.) seine Unzuständigkeit mit der Begründung aus, daß der Angeklagte die ihm angelasteten Taten im Sinne des § 313 StGB. als Beamter unter Ausnützung einer ihm durch seine Amtstätigkeit gebotenen Gelegenheit begangen habe, weshalb zufolge der somit veränderten Strafdrohungen des § 146 StGB. gemäß §§ 8 Abs. 3, 10 Z. 2 (9 Abs. 1 Z. 1) StPO.

die Hauptverhandlung und die Urteilsfällung in die Kompetenz des Gerichtshofes erster Instanz fallen.

Der von der Staatsanwaltschaft Korneuburg gegen dieses Unzuständigkeitsurteil aus dem Nichtigkeitsgrund des § 468 Abs. 1 Z. 4 (§ 281 Abs. 1 Z.6) StPO. erhobenen Nichtigkeitsberufung gab das Kreisgericht Korneuburg am 17. Jänner 1980, AZ. 9 a Bl 126/79 (ON. 16 der erstgerichtlichen Akten) dahin Folge, daß das angefochtene Urteil aufgehoben und die Strafsache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen wurde.

Rechtliche Beurteilung

Das Urteil des Berufungsgerichtes steht mit dem Gesetz nicht im Einklang.

Gemäß § 2 Abs. 1 des Postsparkassengesetzes 1969

(BGBl. 458/1969) hat der Bund für Rechnung der Österreichischen Postsparkasse (welcher gemäß § 1 Abs. 1 leg. cit. eigene Rechtspersönlichkeit zukommt) durch seine Postämter im Postscheck- und Postsparverkehr Einzahlungen entgegenzunehmen und Auszahlungen zu leisten.

Damit ist aber klargestellt, daß es sich (auch) bei diesen von den Postämtern (für Rechnung der Österreichischen Postsparkasse) besorgten Agenden um solche der privatwirtschaftlichen Bundesverwaltung handelt. Deshalb sind die mit solchen Aufgaben betrauten Organwalter der Post, entgegen der Auffassung des Berufungsgerichtes, auch insofern Beamte (der Post) im Sinne des § 74 Z. 4 StGB.

Nicht von Belang ist, daß die Besorgung der Geschäfte der Österreichischen Postsparkasse durch den Bund in die Privatwirtschaftsverwaltung fällt (vgl. auch die vom Berufungsgericht, indes sinnwidrig, zitierte Entscheidung des Oberlandesgerichtes Wien 16 Bs 189/77 = RN 18, Schluß, zu § 302 StGB. bei Leukauf-Steininger2). Denn die Beamteneigenschaft hängt nicht davon ab, ob der betreffende Organwalter in der Hoheits- oder Privatwirtschaftsverwaltung tätig ist. Lediglich bei Führung wirtschaftlicher Geschäfte der öffentlichen Hand im Rahmen sogenannter selbständiger Wirtschaftskörper liegt staatliche Verwaltung (im engeren Sinn) nicht vor (Leukauf-Steininger2 RN 13, 14

zu § 74 StGB.). Zu diesen Wirtschaftskörpern gehört jedoch die Post- und Telegraphenverwaltung nicht.

Mit Strafe bedrohte vorsätzliche Handlungen von Organwaltern der Post im Rahmen des (der Privatwirtschaftsverwaltung des Bundes zugehörigen) Postscheck- und Postsparverkehrs, wie sie auch vorliegend dem Angeklagten angelastet werden, fallen daher unter jene Straftaten, bei welchen - weil von Beamten unter Ausnützung der ihnen durch ihre Amtstätigkeit gebotenen Gelegenheit begangen - gemäß § 313

StGB. das Höchstmaß der angedrohten Freiheits- oder Geldstrafe um die Hälfte überschritten werden kann (vgl. auch Leukauf-Steininger2 RN 10 zu § 313 StGB.).

Lediglich der Vollständigkeit halber sei erwähnt, daß die Gewährung der sogenannten Geldverkehrszulage an den Angeklagten als Nebengebühr zu seinem Gehalt als Beamter der Post- und Telegraphenverwaltung erfolgt (S. 2, 45 f.) und somit gar nicht zu den Agenden der Postsparkasse gehört, sondern an sich schon in den Bereich der Bundesverwaltung fällt.

Somit erweist sich die Verneinung der Voraussetzungen des § 313 StGB. durch das Berufungsgericht als rechtsirrig.

Hingegen hat das Erstgericht im Hinblick auf die durch § 313 StGB. eröffnete Möglichkeit der Strafschärfung mittels Überschreitung des Höchstmaßes der für das Vergehen des Betruges nach § 146 StGB. durch diese Gesetzesstelle angedrohten Strafe seine Unzuständigkeit zutreffend ausgesprochen.

Das über die begründete Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes ergehende vorliegende Erkenntnis hatte sich auf Feststellung der unterlaufenen Gesetzesverletzung zu beschränken, weil die gesetzlichen Voraussetzungen, der Entscheidung konkrete Wirkung im Sinne des letzten Satzes des § 292 StPO. zuzuerkennen, nicht gegeben sind.

Das Bezirksgericht Laa an der Thaya wird jedoch die gegenständliche Strafsache gemäß § 56 StPO. dem Kreisgericht Korneuburg zur Einbeziehung in das - wie sich der Oberste Gerichtshof durch Beischaffung und Einsichtnahme in die Akten überzeugt hat - dort zum Aktenzeichen 13 b Vr 176/80

gegen Alois A anhängige Strafverfahren wegen Verdachtes des Verbrechens nach § 302 Abs. 1 StGB. abzutreten haben. Sollte es bei jenem Kreisgericht letztlich etwa nur zu einem Schuldspruch bloß wegen einer oder mehrerer Straftaten aus dem bezeichneten Verfahren des Bezirksgerichtes Laa an der Thaya kommen, so wird im Hinblick auf das Verbot der reformatio in peius (§ 290 Abs. 2 StPO.) bei der Festsetzung der Strafe § 313 StGB. nicht Platz greifen können.

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