OGH 11Os55/80

OGH11Os55/8014.5.1980

Der Oberste Gerichtshof hat am 14.Mai 1980 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska, in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, Dr. Walenta, Dr. Schneider und Dr. Reisenleitner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Hochleithner als Schriftführers in der Strafsache gegen Manfred A wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach den §§ 142 Abs. 1, 143 StGB. und anderer strafbarer Handlungen über die vom Angeklagten gegen das Urteil des Geschwornengerichtes beim Landesgericht Innsbruck vom 14.Februar 1980, GZ. 20 Vr 3.462/79-29, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters Hofrates des Obersten Gerichtshofes Dr. Reisenleitner, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Mold und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwaltes Dr. Strasser, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß dem § 390 a StPO. fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 24.Jänner 1960 geborene beschäftigungslose Manfred A auf Grund des Wahrspruches der Geschwornen des Verbrechens des schweren Raubes nach den §§ 142 Abs. 1, 143 StGB., des Vergehens der dauernden Sachentziehung nach dem § 135 Abs. 1

StGB., des Vergehens der gefährlichen Drohung nach dem § 107 Abs. 1 StGB. und des Vergehens des unbefugten Gebrauches von Fahrzeugen nach dem § 136 Abs. 1 und 3 StGB. schuldig erkannt. Ihm liegt zur Last, A/ am 25.Jänner 1979 in Gesellschaft des gesondert verfolgten Michael B als Beteiligter (§ 12 StGB.) den Otto C mit Gewalt gegen seine Person, nämlich dadurch, daß beide ihm Schläge und Fußtritte versetzten, fremde bewegliche Sachen, und zwar eine Holzschatulle und einen elektrischen Rasierapparat mit dem Vorsatz weggenommen zu haben, sich oder einen Dritten durch die Sachzueignung unrechtmäßig zu bereichern, B/ am 25.Jänner 1979 im bewußten und gemeinsamen Zusammenwirken mit dem gesondert verfolgten Michael B als Mittäter den Otto C dadurch geschädigt zu haben, daß sie fremde bewegliche Sachen in einem 5.000 S nicht übersteigenden Wert, nämlich eine Aktentasche, beinhaltend Toiletteartikel, eine Schuh- und eine Kleiderbürste sowie eine Augenprothese im Wert von zusammen etwa 2.000 S aus seinem Gewahrsam dauernd entzogen, ohne die Sachen sich oder einem Dritten zuzueignen, C/ am 3.Oktober 1979 den Otto C durch die Äußerung: 'Das hast du gut gemacht, wegen dir bekomme ich jetzt fünf Jahre', 'komm heraus vor das Lokal, dann schlagen wir dich zusammen' gefährlich bedroht zu haben, um ihn in Furcht und Unruhe zu versetzen, und D/ am 4.Oktober 1979 im bewußten und gemeinsamen Zusammenwirken mit den gesondert verfolgten Daniel D und Martin E als Mittäter ein Fahrzeug, das zum Antrieb mit Maschinenkraft eingerichtet ist, nämlich den PKW. Marke Jaguar mit dem behördlichen Kennzeichen T 81.111

ohne Einwilligung des Berechtigten Anton F in Gebrauch genommen zu haben, wobei der durch die Tat verursachte Schaden 5.000 S überstieg.

Der Angeklagte bekämpft das erstgerichtliche Urteil mit Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung.

In seiner Nichtigkeitsbeschwerde macht er den Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs. 1 Z. 4 StPO. (richtig: § 345 Abs. 1 Z. 5 StPO.) geltend, den er dadurch verwirklicht sieht, daß sein Antrag auf Vernehmung der Zeugin Gabi G abgewiesen wurde, die - nach dem Vorbringen in der Beschwerde - 'möglicherweise' nähere Angaben über den Alkoholkonsum des Angeklagten (vor den am 25.Jänner 1979 begangenen Tathandlungen) hätte machen können.

Rechtliche Beurteilung

Der Beschwerde kommt keine Berechtigung zu.

Der Schwurgerichtshof begründete die Abweisung des Beweisantrages vornehmlich mit dem Hinweis auf das - nach dem Beweisantrag erstattete - Gutachten des gerichtsmedizinischen Sachverständigen Univ.Prof. Dr. Heinz H;

es komme - so führt der Beschluß weiters aus - für die Frage der Volltrunkenheit auf die genauen Mengen des genossenen Alkohols ebensowenig an wie auf den Eindruck, den Zeugen vom Alkoholisierungsgrad des Angeklagten gewinnen konnten. Die Abweisung des Beweisantrages war im Ergebnis zutreffend. Der Sachverständige Dr. H führte nämlich insbesondere unter Hinweis auf die bis ins Detail gehende Erinnerung des Angeklagten an das Tatgeschehen (siehe hiezu S. 30 ff. in ON. 13, S. 74 a in ON. 13, S. 148 ff. d.A.) aus, daß der Beschwerdeführer - ebenso wie der Mittäter Michael B - zur Tatzeit leicht bis mittelgradig alkoholisiert war und die Annahme einer vollen Berauschung mit Sicherheit auszuschließen ist (S. 162, 163 d.A. in Verbindung mit S. 103 bis 105 d.A.), wobei der Sachverständige inhaltlich seines Gutachtens ohnedies bereits in Rechnung stellte, daß der Angeklagte möglicherweise etwas mehr Alkohol zu sich genommen haben könnte als sein Zechkumpan B. Angesichts dieses durch die Verfahrensergebnisse, wie etwa durch die Aussage des Mittäters B (S. 156 d.A.) und vor allem auch durch die eigene Verantwortung des Angeklagten, wonach er keineswegs volltrunken gewesen sei (S. 74 a in ON. 13 und 150 d.A.), voll gedeckten Gutachtens des Sachverständigen erschien es in der Tat entbehrlich, eine weitere Zeugin zu vernehmen, die den Angeklagten - auch nach dessen Vorbringen - gar nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Tatgeschehen beobachtet hatte, sondern nur anläßlich eines vorausgehenden Besuches eines Gastlokals. In der Nichtigkeitsbeschwerde wird im übrigen mit der Ausführung, die beantragte Zeugin könne 'möglicherweise' nähere Angaben über den Alkoholkonsum des Beschwerdeführers machen, der Sache nach eingeräumt, daß es sich bei der Benennung dieser Zeugin um einen Erkundungsbeweis handelte. Zur Aufnahme eines solchen ist das Gericht jedoch nicht verhalten.

Nur am Rande sei in diesem Zusammenhang darauf verwiesen, daß auch im Schlußvortrag der Verteidigung konzediert worden war, eine Volltrunkenheit des Beschwerdeführers könne sicher nicht angenommen werden (S. 165 d.A.).

Für den Schwurgerichtshof lag jedenfalls bei gewissenhafter Würdigung der im vorliegenden Verfahren nach dem Sachverständigengutachten gegebenen Sachlage keine Veranlassung vor, eine Vertagung der Hauptverhandlung zur Vornahme der begehrten weiteren Beweisaufnahmen zu beschließen (vgl. SSt. 28/4 u.a.). Der Nichtigkeitsbeschwerde war somit ein Erfolg zu versagen. Im Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung wurde - der Sache nach als Anregung zu einem Vorgehen nach den §§ 290 Abs. 1, 344 StPO. - vorgebracht, die dem Angeklagten angelastete dauernde Sachentziehung (Punkt B des Urteilsspruches) sei durch den Raub konsumiert. Dem muß jedoch entgegengehalten werden, daß der Wahrspruch der Geschwornen schon deshalb keinen Rechtsirrtum erkennen läßt, weil sich die Tathandlung jeweils auf verschiedene Deliktsobjekte bezieht und es denkmöglich ist, daß in Bezug auf die Wegnahme einzelner Sachen Bereicherungstendenz bestand, in Bezug auf andere Sachen jedoch nicht. Eine Bekämpfung der von den Geschwornen vorgenommenen Beweiswürdigung - wie sie der bezogene Einwand der Verteidigung in Wahrheit zum Ausdruck bringt - ist aber unzulässig. Das Geschwornengericht verurteilte den Angeklagten nach dem ersten Strafsatz des § 143 StGB. unter Bedachtnahme auf § 28 StGB. zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von sechs Jahren. Es wertete bei der Strafbemessung als erschwerend die einschlägigen, gegen die Integrität anderer Menschen oder ihr Eigentum gerichteten Vorstraftaten, einen raschen Rückfall, das Zusammentreffen eines Verbrechens mit mehreren Vergehen, eine erhebliche Verletzung des Otto C und den Umstand, daß die Initiative zu den Tätlichkeiten gegen C vom Angeklagten ausging, als mildernd das Alter des Angeklagten unter 21 Jahren, eine durch Alkoholgenuß hervorgerufene Enthemmung zum Zeitpunkt der am 25.Jänner 1979 begangenen Tathandlungen, die Erziehungsmängel und die Milieuschädigung des Angeklagten, sein zur Wahrheitsfindung beitragendes Geständnis und eine teilweise Schadensgutmachung.

Das Erstgericht lehnte die Möglichkeit einer außerordentlichen Strafmilderung bei diesen Strafzumessungsgründen ausdrücklich ab und hielt eine nahe der Untergrenze des gesetzlichen Strafrahmens liegende Freiheitsstrafe dem Schuldgehalt der Tat und der Täterpersönlichkeit angemessen.

Der Angeklagte strebt mit der Berufung die Herabsetzung des Strafausmaßes (unter Anwendung des § 41 StGB.) an.

Der Berufung kommt keine Berechtigung zu.

Vom Milderungsgrund einer besonders verlockenden Gelegenheit kann dann nicht gesprochen werden, wenn, wie vorliegend, die Täter dem Raubopfer, das ihnen vor der Tat sogar auszuweichen trachtete, versteckt auflauern.

Eine Alkoholisierung kommt hier ebenfalls nicht als mildernd in Betracht: Auch die am 12.August 1978 begangene zum AZ. 23 Vr 3.447/78 des Landesgerichtes Innsbruck abgeurteilte strafbare Handlung beging der Angeklagte unter erheblichem Alkoholeinfluß; er wußte somit, wozu er in diesem Zustand neigt. Eine durch neuerlichen Alkoholgenuß möglicherweise hervorgerufene Herabsetzung der Zurechnungsfähigkeit ist demnach nicht mildernd (§ 35 StGB.). Von einem abnormen Geisteszustand, der als mildernd in Anspruch genommen wird, kann nach dem eingeholten Sachverständigengutachten keine Rede sein. Wenngleich Zeichen einer Verwahrlosung, einer Milieuschädigung und eines Alkoholmißbrauches vorhanden sind (S. 162 d. A.), so handelt es sich doch beim Angeklagten insgesamt um eine normal intelligente, geistesgesunde, zurechnungsfähige Persönlichkeit (S. 101 und 162 d.A.).

Dagegen ist über die vom Erstgericht angenommenen Strafzumessungsgründe hinaus noch zu beachten, daß der Angeklagte die unter den Punkten C und D des erstgerichtlichen Urteils umschriebenen strafbaren Handlungen beging, während gegen ihn das Verfahren wegen des Verbrechens des Raubes lief (und er nach kurzer Verwahrungshaft auf freiem Fuß belassen worden war), und die unter den Punkten A und B des erstgerichtlichen Urteils genannten Tathandlungen einen Tag vor der im Verfahren AZ. 23 Vr 1.739/78 des Landesgerichtes Innsbruck für den 26.Jänner 1979 angesetzten Hauptverhandlung verübte, alles Umstände, die in besonderem Maß eine weitgehende Unbeeinflußbarkeit des Angeklagten dartun. Der Vergleich mit der über den jugendlichen Mittäter Michael B verhängten Freiheitsstrafe ist im vorliegenden Fall nicht angebracht. Einerseits ist das Vorleben der beiden Mittäter unterschiedlich belastet, andererseits fällt dem Jugendlichen nicht die zu Punkt C des erstgerichtlichen Urteils umschriebene mehrere Monate nach dem Raub begangene gefährliche Bedrohung des Raubopfers zur Last, der erhebliche, als erschwerend ins Gewicht fallende Bedeutung zukommt.

In sorgfältiger Würdigung der für die Strafbemessung bedeutsamen Umstände ist im vorliegenden Fall eine außerordentliche Strafmilderung nicht am Platz. Die ohnedies nur verhältnismäßig gering über dem gesetzlichen Mindestmaß liegende Freiheitsstrafe entspricht vielmehr dem Unrechtsgehalt der Taten und der Täterpersönlichkeit des Berufungswerbers.

Auch der Berufung war somit ein Erfolg zu versagen. Die Kostenentscheidung fußt auf der im Spruch genannten Gesetzesstelle.

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