OGH 10Os43/80

OGH10Os43/8013.5.1980

Der Oberste Gerichtshof hat am 13.Mai 1980 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Racek in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini, Dr. Friedrich, Dr. Hörburger und Dr. Lachner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Bart als Schriftführer in der Strafsache gegen Anton A und andere wegen des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten schweren Raubes nach §§ 142 Abs. 1, 143 (erster Fall) und 15 StGB. sowie einer anderen strafbaren Handlung über die von den Angeklagten Anton A und Roger B gegen das Urteil des Geschwornengerichtes beim Landesgericht Innsbruck vom 29. Jänner 1980, GZ. 20 Vr 3519/79-35, erhobenen Nichtigkeitsbeschwerden und Berufungen sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Lachner, der Ausführungen der Verteidiger Dr. Mayer und Dr. Santer und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Strasser, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden verworfen.

Den Berufungen wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO. fallen den Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden der am 30.September 1961 geborene Malerlehrling Anton A und der am 22.Juni 1960 geborene Maurerlehrling Roger B - beide (zuletzt beschäftigungslose) deutsche Staatsangehörige -

außer einer anderen strafbaren Handlung des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten schweren Raubes nach §§ 142 Abs. 1, 143 (erster Fall) und 15 StGB. schulerkannt, weil sie in Innsbruck in Gesellschaft als Beteiligte den Nachgenannten mit Gewalt gegen ihre Person fremde bewegliche Sachen mit Bereicherungsvorsatz in dem einen Fall wegnahmen und im anderen Fall wegzunehmen versuchten, und zwar:

I.) am 12.Oktober 1979 der Mathilde C durch Entreißen der Handtasche, wodurch sie zum Sturz kam, einen Geldbetrag von 150 S; II.) am 11.Oktober 1979 indem sie sich bemühten, der Dr. Erika D die Handtasche mit 1.200 S Bargeld durch mehrfaches Zerren an dieser zu entreißen.

Dieser Schuldspruch beruht auf dem Wahrspruch der Geschwornen, welche jeweils stimmeneinhellig die hinsichtlich des Faktums I) der Anklageschrift (Raub an Mathilde C) anklagekonform an sie gerichteten Hauptfragen 1

(betreffend A) und 2 (betreffend B), sieben Geschworne allerdings mit der Einschränkung 'dadurch, daß der Genannten die Handtasche entrissen wurde und Frau C dadurch zu Boden fiel' und die zum Faktum II) der Anklageschrift (versuchter Raub an Dr. D) gestellten Hauptfragen 3 (betreffend A) und 4 (betreffend B) bejahten. Dieses Urteil bekämpfen die zwei Angeklagten ersichtlich nur in Ansehung der bezeichneten Schuldsprüche mit ihrer auf die Z. 5, 6 und 12 (A) bzw. auf die Z. 6, 8 und 9 (B) des § 345 Abs. 1 StPO. gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, wobei der Angeklagte A sachlich nur die Z. 6 der genannten Verfahrensvorschrift geltend macht. Mit Beziehung auf den zuletzt bezeichneten Nichtigkeitsgrund rügen beide Angeklagten zunächst die - zum Teil entgegen dem Antrag ihrer Verteidiger in der Hauptverhandlung (S. 259) - unterbliebene Stellung einer Eventualfrage wegen Diebstahls an die Geschwornen.

Rechtliche Beurteilung

Abgesehen davon, daß die Angeklagten in der Hauptverhandlung (S. 259) lediglich zu dem die Hauptfragen 1

und 2 betreffenden Anklagefaktum I) die Stellung einer Eventualfrage begehrten und auch hier nur einer solchen nach räuberischem Diebstahl, bot die von ihnen in den relevierten Fällen auch in der Hauptverhandlung aufrecht erhaltene geständige Verantwortung aus dem Vorverfahren, welche mit den Angaben der als Zeugen vernommenen Opfer über das gelungene bzw. versuchte gewaltsame Entreißen der Taschen im wesentlichen übereinstimmt und der zufolge die seitens der Angeklagten zugegebene Gewaltausübung zu Punkt I) der Anklage in einem heftigen Reissen an der am Arm hängenden Tasche, wodurch Mathilde C zu Boden stürzte und die Henkel der Tasche rissen (S. 20 b, 20 c verso, 22, 24 a, b und verso, 45, 47 ff., 67, 73, 253 bis

255) sowie zu Punkt II) in einem mehrfachen Zerren an der von der Zeugin Dr. Erika D mit aller Kraft festgehaltenen Tasche bestand, (S. 20 b und verso, 22, 24 a und verso, 59 f., 65 f., 78, 253 f., 256), keine Alternative für eine Fragestellung in Richtung eines (räuberischen oder gar einfachen) Diebstahls. Die bezügliche Verantwortung enthält keine Tatsachenbehauptungen, welche eine derartige Tatbeurteilung indizierten. Fraglich war nämlich nur, ob Mathilde C vom Angeklagten A auch einen (vorsätzlichen) Stoß erhalten hat, wie dies in den Hauptfragen 1 und 2 zum Ausdruck kam, oder ob sie allein durch das Entreißen der Tasche zu Boden gestürzt war (S. 20 c verso, 24 b verso, 48 f., 67, 73, 253 bis 255). Dies ist aber nicht nur rechtlich ohne Bedeutung, sondern die Geschwornen haben insoweit außerdem von der ihnen gebotenen Möglichkeit der bloß teilweisen Bejahung der Hauptfragen 1 und 2 mit Beifügung einer entsprechenden Beschränkung Gebrauch gemacht. Eben das wie überhaupt die grundsätzlichen Voraussetzungen des § 314

StPO. verkennt der Angeklagte A, wenn er die von den Geschwornen (stimmenmehrheitlich) zum Ausdruck gebrachte betreffende Einschränkung (der Bejahung der Hauptfrage 1

bzw. der Hauptfrage 2 in Ansehung des Angeklagten B auf das Entreißen der Handtasche und den dadurch bewirkten Sturz des Opfers) dahin zu deuten sucht, daß die Geschwornen diese Fragen weder mit ja noch mit nein beantwortet hätten und darum die Erfordernisse für eine Eventualfrage im obangeführten Sinn als erfüllt hält. Aus den angeführten Gründen liegt auch der durch den Beschwerdeführer B geltend gemachte Mangel des Wahrspruchs im Sinne des § 345 Abs. 1 Z. 9 StPO. (Undeutlichkeit und innerer Widerspruch) nicht vor. Die beiden erwähnten, nach den Verfahrensergebnissen möglichen, der Hauptfrage 1 (bzw. 2) zugrundeliegenden Varianten des Tatherganges wie auch die von der Hauptfrage 3 (bzw. 4) erfaßte Tatausführung stellen jede für sich eine dem Nötigungsbegriff des Raubtatbildes entsprechende Gewaltausübung dar. Denn nichts anderes als die Anwendung erheblicher physischer Kraft, die dazu bestimmt und geeignet war, den Widerstand der Opfer zu brechen, also deren widerstrebenden Willen gewaltsam auszuschalten oder auf diese Weise zu überwinden, kann in dem heftigen Entreißen der von Mathilde C am Arm getragenen Tasche, wodurch die Genannte sogar zum Sturz gebracht wurde, und im mehrfachen Zerren an der Handtasche, welche von Dr. D mit aller Kraft festgehalten wurde, erblickt werden (LSK. 1976/77 u. a.).

Es kommt daher im erstbezeichneten Fall nicht darauf an, ob sich die Schwere der Kraftanwendung auch in dem Abreißen der Henkel (von) der Tasche manifestiert hat, oder ob, wie die Beschwerde des Angeklagten A, allerdings ohne Vorhandensein jeglichen sachlichen Substrates in den Verfahrensergebnissen, mutmaßt, die Henkel allenfalls bereits 'brüchig' gewesen waren und 'vielleicht' ohne sonderliche Kraftanwendung gerissen sind. Das in diesem Zusammenhang vom genannten Beschwerdeführer sinngemäß bemängelte Unterbleiben einer Überprüfung der Beschaffenheit der Henkel könnte zudem nur mittels Verfahrensrüge (§ 345 Abs. 1 Z. 5 StPO.) unter der - vorliegend nicht einmal behaupteten - prozessualen Voraussetzung eines in der Hauptverhandlung gestellten Beweisantrages zum Tragen zu bringen versucht werden.

Für einen derart unversehens unternommenen Angriff auf die beiden Frauen, daß diese einen (auch den Angreifern bewußt werdenden Behauptungswillen erst gar nicht hätten bilden können, solcherart mithin keine (bei Dr. D nur versuchte) räuberische Nötigung, sondern lediglich eine (bloß) den Tatbestand des Diebstahles erfüllende Ausnützung eines Überraschungsmomentes ohne (beabsichtigte) Willensbeugung vorgelegen wäre (Leukauf-Steininger2 RN. 22 zu § 142 StGB.), ergibt sich aus den Verfahrensergebnissen zu den fraglichen Schuldspruchfakten jedenfalls kein Anhaltspunkt.

Wenn der Angeklagte B - sachlich die Z. 10 des § 345 Abs. 1 StPO. relevierend - das Unterbleiben der Einleitung eines Moniturverfahrens rügt, so übersieht er, daß dieser Nichtigkeitsgrund dessentwegen nur im Falle der Behauptung eines Mißverständnisses bei der Abstimmung durch zumindest einen Geschwornen (§ 332 Abs. 4 StPO.) Platz greift, was vorliegend nicht zutrifft und nicht geltend gemacht wird. Im Zusammenhang mit den anderen im § 332 Abs. 4 StPO. als Anlaß für einen Verbesserungsauftrag angeführten Gründen kann aus der Unterlassung eines solchen Auftrags nach der eindeutigen Vorschrift des § 345 Abs. 1 Z. 10 StPO. eine Nichtigkeit i.S. dieser Gesetzesstelle nicht abgeleitet, die - vom Beschwerdeführer insofern neuerlich ins Treffen geführte - (angebliche) Mangelhaftigkeit des Wahrspruchs daher ausschließlich über die Z. 9 des § 345 Abs. 1 StPO. zum Tragen zu bringen versucht werden (Gebert-Pallin-Pfeiffer-Mayerhofer, Strafverfahrensrecht III/3 Nr. 42 zu § 332 und Nr. 3 zu § 345 Abs. 1 Z. 10 StPO.).

Soweit dieser Beschwerdeführer schließlich eine (der Unrichtigkeit gleichkommende) Mangelhaftigkeit der Rechtsbelehrung (§ 345 Abs. 1 Z. 8 StPO.) mit dem Hinweis rügt, den Geschwornen hätte im Fall der Verneinung eines Stoßes gegen Mathilde C (Schuldspruch I = Hauptfrage 1

und 2) eine neuerliche Rechtsbelehrung zur Frage der Gewaltanwendung erteilt werden müssen, geht dieser Einwand fehl, weil in der schriftlichen Rechtsbelehrung auf den verfahrensgegenständlichen Sachverhalt überhaupt nicht eingegangen werden darf; die Zurückführung der in die Fragen aufgenommenen gesetzlichen Merkmale auf den ihnen zugrundeliegenden Sachverhalt ist vielmehr Sache der nach § 323 Abs. 2 StPO. abzuhaltenden Besprechung (a.a.O. III/3 Nr. 8 zu § 345 Abs. 1 Z. 8 StPO.).

Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher zu verwerfen. Das Geschwornengericht verurteilte die beiden Angeklagten für das bereits erwähnte Verbrechen des Raubes ((in 2 Fällen) sowie ferner für das Verbrechen des räuberischen Diebstahls nach §§ 127 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 1, 131 (erster Fall) StGB. - begangen dadurch, daß sie (gleichfalls) in Innsbruck in Gesellschaft als Beteiligte am 11. Oktober 1979 der Johanna E 370 S Bargeld und am 12.Oktober 1979 der Susanne F eine Geldtasche mit 120 S Bargeld jeweils mit Bereicherungsvorsatz wegnahmen, wobei sie beim zuletzt bezeichneten Diebstahl auf frischer Tat betreten, ihre Verfolger mit einer Hacke, einem Dolch und zwei Ketten bedrohten, um sich die weggenommene Sache zu erhalten - gemäß §§ 28, 41, 143 StGB. zu je zweieinhalb Jahren Freiheitsstrafe.

Dabei wertete es bei beiden Angeklagten als erschwerend das Zusammentreffen von zwei Verbrechen, die Wiederholung sowohl beim Raub als auch beim Diebstahl und die besondere Intensität der Tat durch ausdrücklich geplantes Vorgehen der Angeklagten, als mildernd hingegen das umfassende Geständnis, den geringen Schaden, eine Milieuschädigung infolge Erziehungsmängel, das Alter von unter 21 Jahren, den Umstand, daß es in einem Fall (Raub) beim Versuch blieb, und die Sicherstellung der Gegenstände, welche der Susanne F weggenommen worden waren, weiters bei Anton A seine geistige Primitivität und bei Roger B (noch) den bisherigen ordentlichen Lebenswandel sowie sein tätiges Bemühen um die Schadensgutmachung. Gegen diesen Strafausspruch richten sich die Berufungen der Angeklagten, welche eine Herabsetzung des Strafmaßes begehren, und die Berufung der Staatsanwaltschaft, die eine Erhöhung der Freiheitsstrafe beantragt.

Keiner der Berufungen kommt Berechtigung zu.

Das Erstgericht hat die Strafzumessungsgründe im wesentlichen richtig und vollständig festgestellt, zumal weder der Angeklagte A weitere Milderungsgründe noch die Anklagebehörde zusätzliche Erschwerungsgründe aufzuzeigen vermag, die eine Veränderung der Strafe rechtfertigen würden, und auch dem Angeklagten B die von ihm (noch) reklamierten Milderungsgründe der Z. 7 und 10 des § 34 StGB. nach Lage des Falles nicht zugebilligt werden können. Stellt man den Milderungsgründen, bei denen - außer dem bisherigen Lebenswandel - dem jugendlichen Alter der Angeklagten und dem Umstand, daß die Gewaltanwendung keine besonders intensive war, erhebliche Bedeutung zukommt, die im Rahmen der Erschwerungsgründe vor allem ins Gewicht fallende Tatverübung an älteren, zum Teil gebrechlichen Frauen gegenüber, so zeigt dies, daß das Erstgericht ein Strafmaß gefunden hat, das dem Schuld- wie Unrechtsgehalt der Straftaten und der Täterpersönlichkeit der Angeklagten entspricht. Dazu, die Strafhöhe nach oben oder nach unten zu korrigieren bestand daher keine Veranlassung.

Den (unbegründeten) Berufungen war somit gleichfalls ein Erfolg zu versagen.

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