OGH 11Os50/80

OGH11Os50/8030.4.1980

Der Oberste Gerichtshof hat am 30.April 1980 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska, in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, Dr. Walenta, Dr. Schneider und Dr. Reisenleitner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Hochleithner als Schriftführer in der Strafsache gegen Walter A wegen des Verbrechens des Mordes nach dem § 75 StGB über die von der Staatsanwaltschaft Linz gegen das Urteil des Geschwornengerichtes beim Landesgericht Linz vom 11.Dezember 1979, GZ 22 Vr 2.253/78-68, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Hilbert und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur Generalanwalt Dr. Tschulik zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 20.Mai 1956 geborene Hilfsarbeiter Walter A auf Grund des Wahrspruchs der Geschwornen, welche die (einzige) an sie wegen des Verbrechens des Mordes gerichtete Hauptfrage (mit 5 : 3 Stimmen) verneint hatten, von der Anklage, er habe am 20.November 1974 in Linz vorsätzlich sein von der gesondert verfolgten Ingrid B soeben geborenes außereheliches weibliches Kind durch einen Beilhieb gegen den Hals oder durch Unterlassung der erforderlichen Hilfeleistung getötet und hiedurch das Verbrechen des Mordes nach dem § 75 StGB begangen, gemäß dem § 259 Z 3 (336) StPO freigesprochen.

Diesen Freispruch bekämpft die Staatsanwaltschaft aus dem Nichtigkeitsgrund des § 345 Abs. 1 Z 8 StPO.

Sie bezeichnet die den Geschwornen erteilte Rechtsbelehrung - zusammenfassend - in einem entscheidenden Punkt als unvollständig, weil die Abgrenzung der Tatbestände des (Kindes-) Mordes und des Schwangerschaftsabbruchs nicht erläutert und nicht klargestellt worden sei, daß ein durch einen Schwangerschaftseingriff pränatal verletztes Kind - auch bei Tatbegehung durch Unterlassung der gebotenen Hilfeleistung - als taugliches Tatobjekt des § 75 StGB gelte.

Rechtliche Beurteilung

Die Beschwerde ist im Ergebnis unbegründet.

Der behauptete Fehler haftet der Rechtsbelehrung nicht an. Zutreffend wird darin dargelegt, daß einerseits Objekt einer vorsätzlichen Tötung jedes von einer Person weiblichen Geschlechts geborene Lebewesen ist, ohne daß es auf seine (weitere) Lebensfähigkeit ankommt (vgl. LSK 1978/110; SSt. 47/38), anderseits beim Mord der tatbestandsmäßige Erfolg nicht nur durch aktives Tun, sondern auch durch Unterlassen herbeigeführt werden kann, sofern zwischen dem Verhalten des Täters und dem Todeserfolg ein Kausalzusammenhang (im Sinn der Äquivalenztheorie) besteht und der Täter die Erfolgsabwendung unterläßt, obwohl er zufolge einer ihn besonders treffenden Verpflichtung - wie etwa der Beistandspflicht zwischen Eltern und Kindern - dazu verhalten wäre (vgl. S 425 ff. d. A.).

Richtig ist, daß in der Rechtsbelehrung ein ausdrücklicher Hinweis fehlt, auch eine durch einen Schwangerschaftseingriff pränatal geschädigte Frühgeburt könne Tatobjekt im Sinn des § 75 (und des § 79) StGB sein. Hiedurch konnten aber Mißdeutungen der Tatbestandsmerkmale des Mordes, die zu einem auf irriger Rechtsansicht beruhenden Freispruch führen mochten, nicht hervorgerufen werden, weil in der Rechtsbelehrung ohnedies allgemein klargestellt ist, daß es auf die Lebensfähigkeit eines Lebendgeborenen nicht ankommt.

Im übrigen war eine nähere Erörterung des Verhältnisses zwischen den Tatbeständen des Mordes und des Schwangerschaftsabbruchs schon deshalb nicht geboten, weil die Rechtsbelehrung nur auf die in gestellten Fragen vorkommenden Begriffe einzugehen hat, eine Eventualfrage in Richtung des § 96 StGB aber gar nicht gestellt wurde.

Aus der Niederschrift der Geschwornen (§ 331 Abs. 3 StPO) ergibt sich außerdem, daß die Geschwornen die ihnen erteilte Rechtsbelehrung auch tatsächlich nicht in der von der Staatsanwaltschaft behaupteten Richtung mißverstanden, weil die Mehrheit den Nachweis, daß das Kind des Angeklagten lebend und nicht bereits tot zur Welt kam, nicht als erbracht ansah (vgl. S 457 d. A.).

Der geltend gemachte Nichtigkeitsgrund der Z 8 des § 345 Abs. 1 StPO liegt sohin nicht vor, weshalb die Nichtigkeitsbeschwerde zu verwerfen war.

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