OGH 12Os150/79

OGH12Os150/7910.4.1980

Der Oberste Gerichtshof hat am 10.April 1980 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Breycha in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller, Dr. Kral, Dr. Steininger und Dr. Lachner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Sperker als Schriftführerin in der Strafsache gegen Walter A wegen des Verbrechens der Nötigung zum Beischlaf nach § 202 Abs. 1 StGB. über die vom Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Linz als Schöffengericht vom 23.Juli 1979, GZ. 22 Vr 2434/78-33, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Lachner, der Ausführungen des Verteidigers, Dr. Philip Metzler, und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Gehart, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO. fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 21.Dezember 1931 geborene kaufmännische Angestellte Walter A des Verbrechens der Nötigung zum Beischlaf nach § 202 Abs. 1 StGB. schuldig erkannt, weil er am 14.Dezember 1978 in Linz Hildegard C -durch Versetzen mehrerer Schläge in das Gesicht und durch die Drohung, sie werde noch etwas erleben, wenn sie sich nicht sofort ausziehe und sich ihm geschlechtlich hingebe, zum außerehelichen Beischlaf genötigt hat. Von dem weiteren, in Richtung des Vergehens der Freiheitsentziehung nach § 99 Abs 1 StGB lautenden Anklagevorwurf wurde er gemäß § 259 Z 3 StPO (rechtskräftig) freigesprochen.

Rechtliche Beurteilung

Der Angeklagte bekämpft das Urteil mit seiner auf die Z. 5 und 9 lit. a des § 281 Abs. 1 StPO. gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, der Berechtigung nicht zukommt.

In Ausführung des Nichtigkeitsgrundes nach § 281 Abs. 1 Z. 5 StPO. vertritt der Beschwerdeführer zunächst den Standpunkt, hier stehe (seine) 'Aussage gegen Aussage' (nämlich die der Zeugin C -) und er sei somit 'im Zweifel freizusprechen'. Indessen schließt die Strafprozeßordnung die für den Fall einander widersprechender Aussagen sinngemäß in der Beschwerde behauptete wie überhaupt jede gesetzliche Beweisregel grundsätzlich aus; darüber, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen sei, hat das Gericht vielmehr nach seiner freien, aus der gewissenhaften Prüfung aller für und wider vorgebrachten Beweismittel gewonnenen Überzeugung zu entscheiden (§ 258 Abs. 2 StPO.). Der sogenannte Zweifelsgrundsatz besagt in diesem Zusammenhang bloß, daß die Verurteilung eines Angeklagten ohne Überzeugung des Gerichtes von seiner Schuld, demnach bei jedem Zweifel an ihr, ausgeschlossen ist. Der Zweifelsgrundsatz sagt aber nichts darüber aus, wie das Gericht sich seine Überzeugung von der Schuld des Angeklagten zu verschaffen hat und unter welchen Voraussetzungen ein für die Schuldfrage entscheidender Umstand als erwiesen anzunehmen ist. Insoweit gelten eben die zitierten Bestimmungen des § 258 Abs. 2 StPO. über die freie Beweiswürdigung (RZ. 1965, 142 u.a.). Die erforderliche Überzeugung von der Richtigkeit einer Tatsache kann dem Gericht hiebei ohne weiteres durch die Aussage eines Zeugen vermittelt werden, die es für glaubwürdiger erachtet als die entgegenstehende Verantwortung des Angeklagten; der darin gelegene Akt der (freien) Beweiswürdigung ist - mängelfreie Begründung im Sinne der §§ 270 Abs. 2 Z. 5, 281 Abs. 1 Z. 5 StPO.

vorausgesetzt - im schöffengerichtlichen Verfahren einer Anfechtung entzogen (RZ. 1970, 16 u.a.).

Im wesentlichen (bloß) gegen die Beweiswürdigung des Schöffensenates

gerichtet und daher unbeachtlich sind demnach die folgenden

Beschwerdeausführungen, mit denen die Gründe bekämpft werden, aus

welchen das Gericht die Aussage des Zeugen Reinhard B, den

Angeklagten und Hildegard C -Ende August 1978 von einer

bestimmten Tankstelle an der Oberen Donaulände in Linz miteinander

in Richtung Römerbergtunnel weggehen gesehen zu haben, für

unglaubwürdig erachtete und ihr sohin die Eignung absprach, die von

der Zeugin C -widersprochene Behauptung eines damals in der

Unterkunft des Angeklagten zwischen beiden stattgefundenen Geschlechtsverkehrs auch nur am Rande zu stützen. Ein Verstoß gegen Denkgesetze oder zwingende Lebenserfahrungen ist dem Erstgericht bei seinen bezüglichen Erwägungen keineswegs unterlaufen. Gleichfalls ausschließlich eine Frage der Beweiswürdigung wirft der Beschwerdeführer auf, indem er der in den Urteilsgründen dargelegten Überzeugung des Schöffengerichtes, für ein wahrheitswidriges Verschweigen eines solchen (früheren) Geschlechtsverkehrs seitens der Zeugin C -sei kein Motiv ersichtlich, die schon logisch keine Erwiderung darauf darstellende und auch in sich unschlüssige Behauptung entgegensetzt, die Flucht der Zeugin in eine Nachbarwohnung nach den urteilsgegenständlichen Ereignissen indiziere ein Motiv für die fälschliche Anschuldigung, bei dieser Gelegenheit vom Angeklagten zum Beischlaf genötigt worden zu sein. Die weiters vorgebrachten Umstände, nämlich die lesbische Veranlagung der Zeugin, eine darauf Bezug nehmende Beschimpfung ihrer Person seitens des Angeklagten und eine den angeblichen früheren Geschlechtsverkehr betreffende Bemerkung der Zeugin bei der Gegenüberstellung mit dem Angeklagten in der Voruntersuchung, wurden ohne einen damit zusammenhängenden Begründungsmangel im angefochtenen Urteil erörtert.

Die Annahme, daß der Angeklagte die Zeugin C - mit der (später als Vorwand erwiesenen) Aufforderung in seine Wohnung lockte, dort eine ihrer Freundin gehörende Hose abzuholen, gründete das Schöffengericht keineswegs bloß auf die Aussage der genannten Zeugin, sondern auch und in erster Linie auf die insoweit noch übereinstimmende erste Rechtfertigung des Angeklagten gegenüber dem einschreitenden Polizeibeamten (S. 10). Der Vorwurf eines logisch unzulässigen Zirkelschlusses bei der Würdigung der zitierten Zeugenaussage trifft daher nicht zu; das bezügliche, in der Unterstellung, -C habe ihrerseits eine Ausrede gebraucht, um ihr Mitgehen in die Wohnung des Angeklagten zu rechtfertigen, gipfelnde Beschwerdevorbringen reduziert sich abermals auf einen unzulässigen und demnach unbeachtlichen Angriff gegen die schöffengerichtliche Beweiswürdigung. Keinerlei entscheidungswesentliche Bedeutung kommt dabei dem unter dem Gesichtspunkt einer vermeintlichen Aktenwidrigkeit relevierten Umstand zu, daß in der Urteilsbegründung davon die Rede ist, Hildegard -C sei durch das Verhalten des Angeklagten 'gezwungen' gewesen, den Vorraum der Wohnung zu betreten, um die ihr in einem Plastiksack entgegengehaltene Hose zu ergreifen; damit ist im Zusammenhang der Entscheidungsgründe offensichtlich nicht ein Zwang durch Gewalt gemeint, sondern ein Teilaspekt der als listig erkannten Vorbereitungshandlungen des Angeklagten aufgezeigt. In einer unzulässigen Bekämpfung der Beweiswürdigung erschöpfen sich auch die Beschwerdeausführungen zu den im Urteil mängelfrei abgeklärten Fragen, warum Hildegard -C nicht um Hilfe rief und weshalb sie die Drohung des Zuschlagens mit einer Bierflasche bei ihrer polizeilichen Einvernahme (noch) nicht erwähnte. Daß der Angeklagte eine frühere Unterkunft der Zeugin -C beschreiben konnte, steht deren Aussage vor Gericht, wonach er (lediglich) mit ihr nie dort gewesen sei (S. 153-154), in keiner Weise entgegen, sodaß diesem Umstand für die mängelfreie Begründung der wesentlichen Urteilsannahmen keinerlei Bedeutung zukommt.

Die Beschwerde vermag sohin keinen Begründungsmangel des angefochtenen Urteils im Sinn des § 281 Abs. 1 Z. 5 StPO. darzutun.

In der auf den Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs. 1 Z. 9 lit. a StPO. gestützten Rechtsrüge macht der Angeklagte gegen den rechtlichen Vorwurf der Nötigung zum Beischlaf mit Gewalt und durch gefährliche Drohung geltend, das im Urteil festgestellte Versetzen von vier Ohrfeigen, die keine äußeren Verletzungen zur Folge hatten, könne nicht als (gegen Hildegard -C ausgeübte) Gewalt beurteilt werden; da die Genannte nur weitere (solche) Ohrfeigen zu befürchten brauchte und die Drohung, eine Bierflasche auf den Kopf geschlagen zu bekommen, nicht ernst genommen haben konnte, mangle es auch an einer gefährlichen Drohung. Auch die Rechtsrüge versagt.

Sichtbare Merkmale und Verletzungsspuren sind keine Kriterien der im § 202 Abs. 1 StGB. erwähnten Gewalt (vgl. SSt. 46/68). Als Gewalt ist hier vielmehr - vor allem - die Anwendung überlegener physischer Kraft von einer gewissen Stärke zur Überwindung eines wirklichen oder erwarteten Widerstands zu verstehen, die sich unmittelbar oder mittelbar gegen das Opfer richtet und darauf abzielt, dieses zum außerehelichen Beischlaf zu bestimmen, ohne es geradezu widerstandsunfähig zu machen (Leukauf-Steininger2

RN. 6 zu § 202 StGB.); dazu kann schon das im vorliegenden Fall festgestellte Versetzen von kräftigen Schlägen ins Gesicht genügen (vgl. abermals SSt. 46/68). Die des weiteren festgestellten Drohungen des Angeklagten, Hildegard -C werde noch etwas erleben, wenn sie sich nicht sofort ausziehe und sich ihm geschlechtlich hingebe, und er werde ihr eine Bierflasche auf den Kopf schlagen, besaßen nach den im Urteil festgestellten Begleitumständen objektiv die Eignung, die Bedrohte nicht bloß weitere Mißhandlungen, sondern mit einer Verletzung am Körper verbundene tätliche Angriffe erwarten zu lassen.

In bezug auf die Androhung von Schlägen auf den Kopf mit einer Bierflasche ist aus der im Urteil durch den damaligen psychisch angegriffenen Zustand der Zeugin erklärten Nichterwähnung dieses Tatumstandes bei ihrer ersten Einvernahme nichts Gegenteiliges abzuleiten. Da schließlich eine Freiheitsentziehung als (weiteres) Mittel der Nötigung zum Beischlaf vorliegend schon nach den Urteilsannahmen ohnehin nicht in Betracht kommt, gehen die darauf Bezug nehmenden Rechtsausführungen der Beschwerde ins Leere. Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Das Schöffengericht verurteilte den Angeklagten nach § 202 Abs. 1 StGB. unter Bedachtnahme gemäß §§ 31, 40 StGB.

auf das rechtskräftige Urteil des Landesgerichtes Linz vom 16.Jänner 1979, GZ. 26 E Vr 2059/78-17, zu einer (Zusatz-) Freiheitsstrafe in der Dauer von zwei Jahren und viereinhalb Monaten.

Bei der Strafbemessung wertete es die einschlägigen (schweren) Vorstrafen und das Vorliegen der Voraussetzungen der Strafschärfung bei Rückfall nach § 39 StGB. als erschwerend; als mildernd nahm es hingegen keinen Umstand an.

Mit seiner Berufung strebt der Angeklagte eine Herabsetzung der Strafe an.

Der Berufung kommt keine Berechtigung zu.

Von einer besonders verlockenden Gelegenheit im Sinne des § 34 Z. 9 StGB. kann - entgegen der Auffassung des Berufungswerbers - angesichts der vom Schöffengericht mängelfrei festgestellten Umstände, unter denen er Hildegard -C in seine Wohnung lockte, nicht gesprochen werden. Der Hinweis des Angeklagten, daß die Tat keine Folgen nach sich gezogen habe, vermag eine Strafreduktion gleichfalls nicht zu rechtfertigen. Denn insoweit übersieht er, daß bei dem vorliegenden Delikt ein Schadenseintritt nicht gefordert ist, falls aber ein solcher Eintritt, dies als Erschwerungsgrund zu werten wäre.

Der vom Berufungswerber - offensichtlich unter Bezugnahme auf das Verfahren 22 Vr 1046/76 des Landesgerichtes Linz - unter Hinweis auf das Vorliegen einer sexualpathologischen Persönlichkeitskomponente ins Treffen geführten verminderten Zurechnungsfähigkeit, kann schon deshalb kein besonderes Gewicht beigemessen werden, da das Schöffengericht den raschen Rückfall als (weiteren) Erschwerungsgrund unberücksichtigt ließ, und es im übrigen zu beachten gilt, daß der Angeklagte, der bereits vier Verurteilungen wegen strafbarer Handlungen gegen die Sittlichkeit (zu Freiheitsstrafen im Gesamtausmaß von zehn Jahren) aufweist, trotz eines gegen ihn bereits anhängigen Strafverfahrens (zu AZ. 26 E Vr 2059/78 des Landesgerichtes Linz) und der Anhaltung in Untersuchungshaft (bis 8.November 1978) neuerdings straffällig wurde. Wird weiters berücksichtigt, daß der Berufungswerber mit jenem Urteil, auf das gemäß §§ 31, 40 StGB. Bedacht genommen wurde, wegen einer an einer Frauensperson (im Zuge sexueller Betätigung) begangenen Körperverletzung schuldig erkannt wurde, so entspricht die vom Schöffengericht über den Angeklagten verhängte Freiheitsstrafe für alle Straftaten, die gemeinsam hätten abgeurteilt werden können, durchaus dem Schuld und Unrechtsgehalt dieser Taten und der Täterpersönlichkeit des Angeklagten. Eine Herabsetzung der Zusatzstrafe kam somit nicht in Betracht. Es war daher spruchgemäß zu erkennen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.

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