OGH 12Os19/80

OGH12Os19/8027.3.1980

Der Oberste Gerichtshof hat am 27. März 1980

unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Breycha in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller, Dr. Kral, Dr. Steininger und Dr. Lachner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Sperker als Schriftführerin in der Strafsache gegen Jaques Lucien A wegen des Verbrechens der versuchten schweren Nötigung nach §§ 15, 105 Abs. 1, 106 Abs. 1 Z. 1 und 3 StGB. über die vom Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 10. Dezember 1979, GZ. 5 a Vr 5182/79-53, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller, der Ausführungen des Verteidigers, Rechtsanwalt Dr. Stern, und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Kodek, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird Folge gegeben und die Freiheitsstrafe auf 18 Monate herabgesetzt.

Gemäß § 390 a StPO. fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

G r ü n d e :

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 9.April 1947 geborene beschäftigungslose Jaques Lucien A des Verbrechens der versuchten schweren Nötigung nach §§ 15, 105 Abs. 1, 106 Abs. 1 Z. 1 und 3 StGB. schuldig erkannt, und nach § 106 Abs. 1 StGB. zu einer Freiheitsstrafe verurteilt.

Inhaltlich des Schuldspruches liegt ihm zur Last, am 13. Juni 1979 in Wien Margarethe B dadurch, daß er zu ihr sagte: 'Wenn Du nicht bei mir bleibst, bringe ich Dich um', sohin durch gefährliche Drohung mit dem Tod, zu Handlungen, die besonders wichtige Interessen der Genötigten verletzen sollten, nämlich zur weiteren Ausübung der Prostitution und Ablieferung von Einkünften hieraus an ihn, zu nötigen versucht (§ 15 StGB.) zu haben.

Diesen Schuldspruch - ein Teilfreispruch blieb unangefochten - bekämpft der Angeklagte mit einer auf die Z. 5 und 9 lit. a des § 281 Abs. 1 StPO. gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, den Strafausspruch ficht er mit Berufung an.

In seiner auf § 281 Abs. 1 Z. 5 StPO. gestützten Mängelrüge wirft der Beschwerdeführer dem angefochtenen Urteil einerseits Unvollständigkeit wegen fehlender Auseinandersetzung mit dem Inhalt der ihn entlastenden Aussage der Zeugin C, andererseits Widersprüchlichkeit vor, weil die Aussage der Zeugin B in Seite 8 des Urteils absolut unglaubwürdig bezeichnet, ihr in der vorangegangenen Seite aber volle Glaubwürdigkeit beigemessen werde.

Rechtliche Beurteilung

Letzteres Vorbringen trifft nicht zu, weil in der sehr ausführlichen, den Denkgesetzen und der Lebenserfahrung entsprechenden Beweiswürdigung des Erstgerichtes der Zeugin B weder in Seite 7 des Urteils noch an anderer Stelle volle Glaubwürdigkeit zugebilligt, sondern lediglich - und zwar mit einleuchtender Begründung - dargelegt wird, warum die ursprünglichen Angaben dieser Zeugin bei ihrer Anzeigeerstattung vor der Polizei für glaubwürdig und als Entscheidungsgrundlage geeignet gehalten wurden, während ihrer, diese Anzeige zu widerrufen und zu entkräften versuchenden Zeugenaussage vor Gericht jeder Glaube versagt wurde. Von einer Widersprüchlichkeit der Urteilsbegründung kann daher nicht gesprochen werden.

Richtig ist hingegen, daß das Erstgericht die Aussage der Zeugin Adelheid C mit Stillschweigen übergeht. Darin kann aber eine Nichtigkeit bewirkender Mangel der Urteilsbegründung nicht gefunden werden, da das Gericht nicht verpflichtet ist, in der in gedrängter Darstellung abzufassenden Urteilsbegründung sämtliche Verfahrensergebnisse zu erörtern, sondern sich nur mit jenen auseinanderzusetzen hat, denen entscheidungswesentliche Bedeutung zukommt. Eben dies trifft aber für die Aussage dieser Zeugin (S. 223 ff.) nicht zu, die keine unmittelbaren Wahrnehmungen vom Tatgeschehen hatte und lediglich ihre subjektive Meinung über den Charakter des Angeklagten und der Zeugin Margarethe B ausdrücken konnte. Eine Auseinandersetzung mit diesem Teil ihrer Aussage konnte daher unterbleiben, weil es sich hiebei nicht um entscheidungswesentliche Verfahrensergebnisse handelt. Was die weiteren Angaben der genannten Zeugin anlangt, B habe ihr gegenüber am Tag nach der polizeilichen Anzeigeerstattung erklärt, sie habe aus Zorn und Eifersucht unwahre Angaben gemacht (S. 227), so war die Nichterörterung dieser im vorliegenden Fall ebenfalls nicht von Bedeutung, stellen sie doch nur eine Bestätigung der gleichfalls die Richtigkeit ihrer polizeilichen Aussage bestreitenden Darstellung der Zeugin B dar, die nach dem Akteninhalt bereits am 20. Juni 1979 beim Untersuchungsrichter erschien, um ihre polizeiliche Anzeige vom 18. Juni 1979 zurückzuziehen (S. 8). Da diese Zeugin in der Hauptverhandlung dem Gericht unumwunden erklärte, eine falsche Anzeige erstattet zu haben, welchem Vorbringen mit mängelfreier Begründung der Glaube versagt wurde, bestand für das Gericht keine Notwendigkeit, sich auch noch mit dem Umstand auseinanderzusetzen, daß sie eine sinngemäß gleichlautende Erklärung auch einer anderen Prostituierten gegenüber, nämlich der mit ihr ein Appartement benützenden Zeugin C abgegeben haben soll.

Die behaupteten Mängel der Urteilsbegründung liegen sohin nicht vor. In seiner auf Z. 9 lit. a des § 281 Abs. 1 StPO.

gestützten Rechtsrüge bringt der Beschwerdeführer im wesentlichen vor, das angefochtene Urteil sei mit Feststellungsmängeln behaftet, weil es nicht alle für die Herstellung des nach § 106 Abs. 1 Z. 1 und 3 StGB. qualifizierten Tatbildes der Nötigung erforderlichen Tatsachen festgestellt habe. Insbesondere habe sich das Erstgericht nicht mit der Frage beschäftigt, ob die Bedrohte bei unbefangener Erwägung aller Umstände den wirklichen Eintritt des angedrohten Übels zu erwarten hatte und diesen - unter Auswägung aller subjektiven Umstände -

mit Berechtigung erwarten mußte, wobei er einerseits bemängelt, daß sein - von den Zeugen B und C in der Hauptverhandlung behaupteter - Charakter eines harmlosen, gutmütigen Menschen nicht festgestellt wurde, andererseits darauf verweist, daß die Bedrohte auf das Gericht einen robusten Eindruck machte.

Bei diesen Ausführungen übersieht der Beschwerdeführer, daß es für die Tauglichkeit der vorliegend als Mittel der Nötigung angewendeten gefährlichen Drohung im Sinne der Legaldefinition des § 74 Z. 5 StGB. keineswegs erforderlich ist, daß der Bedrohte tatsächlich in Furcht und Unruhe versetzt wurde. Es genügt vielmehr, daß die geäußerte Drohung objektiv unter Anlegung eines Durchschnittsmaßstabes geeignet war, begründete Besorgnisse einzuflößen (vgl. Leukauf-Steininger2 RN. 18 zu § 74 StGB.). Die Frage, ob die tatgegenständliche gefährliche Drohung diese objektive Beschaffenheit hatte, brauchte das Gericht im vorliegenden Fall deshalb keiner näheren Prüfung zu unterziehen, weil es in seinen mängelfrei getroffenen Feststellungen, insbesondere auch auf Grund der Schilderungen der als Zeugen vernommenen Polizeibeamten von der psychischen Verfassung der Margarethe B bei ihrer Anzeigeerstattung davon ausging, daß die Drohung tatsächlich bei der Genannten Besorgnisse erregte, die so weit gingen, daß sie ihre Wohnung verließ, einige Nächte in verschiedenen Hotels verbrachte und, nachdem sie vom Beschwerdeführer aufgefunden und auf offener Straße neuerlich zur Rede gestellt wurde (keineswegs wie es dieser in seinem Rechtsmittel darstellt, zufolge eines zufälligen Zusammentreffens mit einem Polizeibeamten) sich unter Polizeischutz stellte und die nächste Nacht in einem Polizeigebäude verbrachte.

Dieses festgestellte Verhalten der Zeugin B zeigt deutlich, daß sie trotz ihrer robusten Natur von Furcht vor einer Verwirklichung der Drohung des Beschwerdeführers mit Mord erfüllt war. Unter diesen Umständen bleibt nur die Frage zu prüfen, ob die beschriebene Reaktion der Bedrohten nicht etwa auf übergroße Ängstlichkeit zurückzuführen war oder ihre Besorgnisse (objektiv betrachtet) begründet waren.

Berücksichtigt man den Inhalt des in der Hauptverhandlung verlesenen (S. 228) und vom Urteil erkennbar verwerteten Vorstrafaktes AZ. 5 a Vr 7932/76 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien (das damals ergangene Urteil war übrigens der Zeugin B nach ihrer Aussage Seite 221 bekannt) und das sonstige Vorleben des Beschwerdeführers, so zeigt sich deutlich, daß auch diese Frage zu bejahen ist und die von den Drohungen des Angeklagten als eines mehrfach vorbestraften Gewalttäters ausgelöste, geradezu panikartige Reaktion der Bedrohten auch objektiv betrachtet durchaus verständlich, die angewendete gefährliche Drohung mit dem Umbringen, sohin mit Mord, daher zur Verwirklichung des inkriminierten Tatbildes der (versuchten) schweren Nötigung nach den §§ 15, 105, 106 Abs. 1 Z. 1 StGB. tauglich war, sodaß auch der Rechtsrüge keine Berechtigung zukommt. Nur der Vollständigkeit halber sei beigefügt, daß - was der Beschwerdeführer gar nicht bestreitet -

auch das Ziel der gegenständlichen Nötigung, nämlich die weitere Ausübung der Prostitution durch Margarethe B zugunsten des Angeklagten geeignet war, besonders wichtige Interessen der Genötigten zu verletzen, weil sie die Ausschaltung deren freier Bestimmung über ihre wirtschaftliche Gebarung bewirken sollte. Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Das Schöffengericht verurteilte den Angeklagten nach § 106 Abs. 1 StGB. zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von zwei Jahren; bei der Strafzumessung nahm es als erschwerend die einschlägigen Vorstrafen und den raschen Rückfall, als mildernd nur den Umstand an, daß es beim Versuch geblieben ist.

Die Berufung des Angeklagten, welche Strafminderung begehrt, ist im Ergebnis berechtigt.

Zwar hat das Erstgericht die vorliegenden Strafzumessungsgründe im wesentlichen richtig angeführt, jenen erschwerender Natur allerdings ein zu großes Gewicht beigemessen. Im Verhältnis zur Vorstraftat kann nicht verkannt werden, daß das Verschulden vorliegend geringer einzuschätzen ist, zumal das Verbrechen im Versuchstadium blieb und nur gegenüber einer Person begangen wurde. Selbst wenn man von der vom Erstgericht offenkundig bei der Strafbemessung Rechnung getragenen Gefährlichkeitsprognose ausgeht, so limitiert vorliegend die Schuld des Täters trotz erkennbarer Neigung zur Erzwingung der Prostitution und Ausnützung der dadurch erlangten Geldmittel für den eigenen Lebensunterhalt das Strafausmaß.

Insoweit erscheint es unter Abwägung aller Umstände gerechtfertigt, die Freiheitsstrafe wie im Spruche herabzusetzen ohne die vom Erstgericht insbesonders herangezogenen generalpräventiven Erwägungen zu verletzen, im übrigen aber den allgemeinen Bestimmungen für die Strafbemessung nach § 32 StGB. gerecht zu werden.

Es war daher spruchgemäß zu erkennen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390 a StPO.

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