OGH 11Os20/80

OGH11Os20/8026.3.1980

Der Oberste Gerichtshof hat am 26.März 1980 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska, in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, Dr. Walenta, Dr. Schneider und Dr. Reisenleitner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Hochleithner als Schriftführers in der Strafsache gegen Wolfgang A wegen des Verbrechens der Nötigung zum Beischlaf nach dem § 202 Abs. 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die vom Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Schöffengerichtes vom 9.November 1979, GZ 16 Vr 2.187/79-26, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrates des Obersten Gerichtshofes Dr. Walenta, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Cuscoleca und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwaltes Dr. Gehart, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, in den Schuldsprüchen II 2 und II 3, ferner in der rechtlichen Beurteilung der zu II angeführten Tathandlungen auch als das Vergehen der versuchten Nötigung zur Unzucht nach den §§ 15, 204 Abs. 1 StGB, im Strafausspruch sowie im Ausspruch über die Vorhaftanrechnung aufgehoben und I/ gemäß dem § 288 Abs. 2 Z 3 StPO in der Sache selbst erkannt:

Der Angeklagte Wolfgang A wird von der Anklage, er habe Anfang Juni 1979 in Salzburg dadurch, daß er Ingeborg B erfaßte, aufs Bett drückte und ihr Kleid nach oben schob, seinen Entschluß, sie mit Gewalt zur Unzucht zu nötigen und dabei ihren Geschlechtsteil zu betasten, durch eine der Ausführung unmittelbar vorangehende Handlung betätigt, gemäß dem § 259 Z 3 StPO freigesprochen, II/ im weiteren Umfang der Aufhebung die Sache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen. Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde verworfen. Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 18.August 1943 geborene Schauspieler Wolfgang A des - in zwei Fällen begangenen - Verbrechens der Nötigung zum Beischlaf nach dem § 202 Abs. 1 StGB sowie des - in drei Fällen begangenen - Vergehens der teils vollendeten, teils versuchten Nötigung zur Unzucht nach den §§ 204 Abs. 1, ferner 15 StGB schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe verurteilt.

Die Schuldsprüche bekämpft der Angeklagte mit Nichtigkeitsbeschwerde, den Strafausspruch mit Berufung. Den die Rechtsmittelschrift 'einleitenden, erläuternden Bemerkungen', mit denen der Angeklagte - ohne daraus eine Nichtigkeit des angefochtenen Urteils abzuleiten -

seine (volle) Zurechnungsfähigkeit zur Zeit der Taten unter Bezugnahme auf einen (erst) nach Urteilsfällung eingebrachten Psychiatrierungsantrag in Zweifel zieht, kann zufolge des im Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerde geltenden Neuerungsverbots keine Beachtung zuteil werden (Gebert-Pallin-Pfeiffer III/2 § 281 StPO/10).

Rechtliche Beurteilung

Aus dem Nichtigkeitsgrund nach § 281 Abs. 1 Z 5 StPO bekämpft der Beschwerdeführer die Schuldsprüche I 1 und 2

sowie II 1 und 3; diesem Vorbringen ist zunächst folgendes zu entgegnen:

Daß der zum Faktum I 1 im Urteilssatz enthaltene Ausspruch, der Angeklagte habe Christina C (außer mit Gewalt auch) durch gefährliche Drohung (unter anderem mehrmals) mit dem Umbringen zum außerehelichen Beischlaf genötigt, bei der Darstellung des als erwiesen angenommenen Sachverhalts in den Entscheidungsgründen nicht ausdrücklich wiederholt wird, stellt an sich keinen mit Nichtigkeit bedrohten Mangel des als Einheit von Spruch und Gründen zu verstehenden Urteils dar. Zureichende Gründe für die betreffende Konstatierung wurden aber vom Schöffengericht mit dem Hinweis auf die uneingeschränkt für beweiskräftig erachtete Zeugenaussage der Christina C angegeben, der die relevierte Drohung mit dem Umbringen zu entnehmen ist (S 139, 179, 180, 217).

Die Urteilsannahme zum Faktum I 2 einer (nötigenden) Gewaltanwendung des Angeklagten gegen Petra D dadurch, daß er sich auf sie stürzte, sie rücklings auf das Bett warf und ihr die Unterwäsche (laut Entscheidungsgründen: den Slip) vom Körper riß, findet - dem Beschwerdevorbringen zuwider - in den im Urteil keineswegs aktenwidrig wiedergegebenen Aussagen der genannten Zeugin beweismäßige Deckung (S 233 in Verbindung mit den verlesenen / S 235 / Aktenstellen S 18 und S 50). Dem festgestellten Herunterreißen des Slips steht die vom Beschwerdeführer dagegen eingewendete Tatsache, daß sich Petra D von ihm zuvor nackt photographieren ließ, in keiner Weise entgegen; wurden doch den Beweisergebnissen zufolge diese Aufnahmen in der Wohnung Bürgelsteinstraße gemacht, worauf sich der Angeklagte und Petra D in die Räume in der Johannes Filzer-Straße begaben und es erst dort zu der inkriminierten Tat kam. Daß der Angeklagte in deren Verlauf, wie das Erstgericht weiter feststellte, mit der Hand am Hals der Zeugin (so) 'tat, als ob er sie würgen würde', begründet keinen relevanten Widerspruch zum Urteilssatz, wonach er sie 'würgte'. Denn ihrem Sinn nach bedeutet die erwähnte Feststellung, daß die Zeugin einen echten Würgeakt als unmittelbar bevorstehend zu befürchten hatte; die solcherart konkludent in Erscheinung getretene gefährliche Drohung mit dem Würgen steht aber als Mittel der Nötigung zum Beischlaf im Sinn des § 202 Abs. 1 StGB einer (durch Würgen ausgeübten) Gewalt rechtlich gleich. Schließlich ist die Feststellung des (Deliktsvollendung bewirkenden) vollzogenen Beischlafs gleichfalls durch die Aussage der Zeugin Petra D gedeckt, deren aus dem Verhandlungsprotokoll ersichtliche Deposition, plötzlich sei es 'dazu' gekommen (S 223), in Verbindung mit ihren schon früher in den Akten niedergelegten Angaben (§ 271 Abs. 3 StPO), die in der Hauptverhandlung verlesen wurden (S 235), schlüssig im gedachten Sinn zu verstehen ist (vgl. abermals S 18 und S 50).

Auch die - gerade noch ausreichenden - Feststellungen zum Faktum II 1 sind - entgegen dem Beschwerdevorbringen - durch das Ergebnis des hiezu abgeführten Zeugenbeweises gedeckt: Der Angeklagte drückte darnach die neben ihm auf einem Sofa sitzende Brigitte E durch Anwendung körperlicher Gewalt auf das Sitzmöbel und berührte gegen ihren Willen - unter die von der Zeugin getragene Hose greifend - ihren Geschlechtsteil (S 56, 228, 229); daß es sodann, nachdem sich die Zeugin auf sein Verlangen (aus Angst vor ihm) entkleidet hatte, ihrer Aussage zufolge zu keiner (weiteren) derartigen Berührung mehr kam, ist nicht entscheidungswesentlich.

Im Recht ist der Angeklagte jedoch mit seinem zum Faktum II 3 vorgebrachten formellen Einwand, dem im Urteilssatz enthaltenen Ausspruch, wonach er Verena F mit beiden Händen an den Haaren und auf das Bett gezogen sowie ihr die Kleider vom Körper gerissen habe, fehle eine entsprechende Begründung. Denn tatsächlich ist den Gründen der angefochtenen Entscheidung weder ein Ziehen des genannten Mädchens an den Haaren noch ein Herunterreißen der Kleider zu entnehmen. In letzterer Hinsicht ist dort entgegen dem Wortlaut des Spruches sogar davon die Rede, daß Verena F, während der Angeklagte sie entkleidete, mithalf. Dies deckt sich auch mit der Aussage dieser Zeugin in der Hauptverhandlung (vgl. S 233 ff.). Läßt man ferner nicht unberücksichtigt, daß Verena F u.a. auch bekundete, 'brutal war der Angeklagte eigentlich nicht' (vgl. S 234), dann liegt auf der Hand, daß schon diese nach dem § 281 Abs. 1 Z 5 StPO Nichtigkeit bewirkenden Begründungsmängel zur objektiven Tatseite im Schuldspruchfaktum II 3 eine Teilaufhebung des Urteils und eine nochmalige Verhandlung in erster Instanz unvermeidlich machen, ohne daß es noch eines Eingehens auf die weiteren - unbegründeten - Einwände der Mängelrüge zu diesem Faktum bedarf. Auch die auf die Z 9 lit. b des § 281 Abs. 1 StPO gestützte Rechtsrüge ist teilweise berechtigt.

Sie versagt lediglich insoweit, als mit ihr Straflosigkeit wegen Rücktritts vom Versuch (§ 16 StGB) in bezug auf das Faktum II 1 geltend gemacht wird:

Nach den hiezu getroffenen Feststellungen, von denen bei Prüfung materiellrechtlicher Nichtigkeitsgründe auszugehen ist, gelang es dem Beschwerdeführer durch die Anwendung nötigender Gewalt den Geschlechtsteil der Brigitte E (unter der Kleidung: S 56, 229) zu betasten; da sohin zumindest der Beginn der unzüchtigen Handlung erreicht wurde, ist - wie vom Erstgericht zutreffend angenommen - Deliktsvollendung im Sinn des § 204 Abs. 1 StGB gegeben. Daß Brigitte E bei diesem Tatgeschehen noch bekleidet war und der Beschwerdeführer später, als sie sich auf sein Verlangen ausgezogen hatte, keine unzüchtige Berührung ihres Körpers mehr vornahm, vermag das nach dem Gesagten bereits vollendete Delikt nicht ungeschehen zu machen; ein Rücktritt vom Versuch kommt bei einem formell vollendeten Delikt begrifflich nicht mehr in Frage. Anders verhält es sich allerdings mit dem den Gegenstand des Schuldspruchs II 2 bildenden Versuch des Beschwerdeführers, Ingeborg B zur Unzucht zu nötigen.

Nach den Urteilsannahmen führte der vom Angeklagten unternommene Versuch, die Frau auf das Bett zu drücken und ihren Geschlechtsteil zu betasten, infolge ihrer Abwehr vorerst nicht zum angestrebten Ziel. Der Angeklagte erklärte danach, er werde Ingeborg B 'mit Gewalt' nehmen; gleichwohl 'ließ er (daraufhin) von ihr ab'. Daß er ihren Widerstand durch Anwendung von intensiverer Gewalt nicht noch hätte überwinden können, ist den Feststellungen nicht zu entnehmen; einer solchen Annahme stünde die Aussage der Zeugin B entgegen, wonach ihr der Angeklagte (im Fall weiterer Gegenwehr) kräftemäßig überlegen gewesen wäre und sie deshalb (mit Erfolg) versuchte, ihn durch Zureden zum Aufgeben seines Vorhabens zu bewegen (S 231/232). War aber dem Angeklagten, wie darnach angenommen werden muß, die Deliktsvollendung auch nach seiner durch die erwähnte Äußerung manifestierten Vorstellung noch möglich, so ist die Aufgabe der weiteren Tatausführung - entgegen der (insoweit) irrigen Rechtsansicht des Erstgerichts - als freiwillig zu beurteilen, auch wenn hiefür nicht ausschließlich innere Erwägungen maßgebend gewesen sein mögen, sondern - wie hier - ein Zureden oder Bitten des Opfers mitbestimmend war (vgl. ÖJZ-LSK 1975/

163 = EvBl. 1976/98). Dem Angeklagten kommt daher in Ansehung des auf versuchte Nötigung der Ingeborg B zur Unzucht lautenden Anklagevorwurfs der allgemeine Strafaufhebungsgrund des Rücktritts vom Versuch (§ 16 Abs. 1 StGB) zustatten. Ein sogenannter qualifizierter Versuch, das ist ein solcher, der bereits eine andere (vollendete oder versuchte) Straftat enthält, liegt nicht vor. Der an und für sich in einem Fall gewaltsamer Nötigung naheliegende Tatbestand der Freiheitsentziehung nach § 99 StGB ist nämlich mangels einer festgestellten (oder nach den Verfahrensergebnissen indizierten) solchen Einschränkung der Bewegungsfreiheit der angegriffenen Person, die nach Dauer, Schwere und Intensität des Angriffs qualitativ einem Gefangenhalten gleich- oder doch nahekommt (vgl. EvBl. 1976/172, 1977/223), nicht verwirklicht.

Der Nichtigkeitsbeschwerde war daher auch in Ansehung des mit Nichtigkeit nach dem § 281 Abs. 1 Z 9 lit. b StPO behafteten Schuldspruchs II 2 stattzugeben und auf sofortigen Freispruch des Beschwerdeführers von dem betreffenden Anklagepunkt zu erkennen. Im übrigen war wie im Spruch zu entscheiden.

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