OGH 11Os26/80

OGH11Os26/8019.3.1980

Der Oberste Gerichtshof hat am 19.März 1980 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska, in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, Dr. Walenta, Dr. Schneider und Dr. Reisenleitner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Hochleithner als Schriftführer in der Strafsache gegen Rene A wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach den §§ 142 Abs. 1, 143 letzter Fall StGB über die vom Angeklagten gegen das Urteil des Kreisgerichtes Wiener Neustadt als Jugendschöffengericht vom 10.Dezember 1979, GZ 9 Vr 764/79-37, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Gruböck und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur Generalanwalt Dr. Tschulik zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß dem § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 21.März 1964 geborene Sonderschüler Rene A des Verbrechens des schweren Raubes nach den §§ 142 Abs. 1, 143 (letzter Fall) StGB schuldig erkannt, weil er am 5. Mai 1979 in Möllersdorf in Gesellschaft des gesondert verfolgten Manfred B als Beteiligter (§ 12 StGB) dem Kurt C durch Versetzen von Faustschlägen und Fußtritten gegen den Körper, sohin mit Gewalt gegen eine Person, einen Bargeldbetrag von 970 S mit dem Vorsatz wegnahm, sich durch die Sachzueignung unrechtmäßig zu bereichern, wobei die Gewaltanwendung den Tod des Kurt C zur Folge hatte. Mit der gegen dieses Urteil erhobenen, auf die Nichtigkeitsgründe des § 281 Abs. 1 Z 5 und 10 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde wendet sich der Angeklagte (lediglich) gegen die Zurechnung der tödlichen Folge und gegen die daraus resultierende Unterstellung seiner Tat unter den letzten (strafsatzerhöhenden) Anwendungsfall des § 143 StGB. Das Erstgericht habe - so meint der Beschwerdeführer - bei der Beurteilung der Vorhersehbarkeit der Todesfolge nicht auf die subjektiven (Täter-) Eigenschaften und Eigenarten Bedacht genommen und insbesondere den bei ihm bestehenden Mangel an abstraktem Denkvermögen, seine psychopathischen Mängel, seine ausgeprägte psychische Verwahrlosung und Schuldebilität, den Umstand, daß es sich um die erstmalige, für sein bisheriges Verhalten nicht typische Gewaltanwendung handelte, die durch das Scheitern des geplanten Vorhabens, sich der Barschaft des Kurt C ohne Gewaltausübung zu bemächtigen, veranlaßt worden sei, sowie seine erhebliche Alkoholbeeinträchtigung und die Verleitung durch den 20-jährigen Mittäter unberücksichtigt gelassen. Zudem sei die erstgerichtliche Annahme, daß durch die Mißhandlungen bei Kurt C (auch) im Bereich des Gehirns Quetschungen und nicht bloß Prellungen entstanden seien, im gerichtsmedizinischen Gutachten des Sachverständigen Dr. Ernst D nicht gedeckt. Schließlich stütze sich das Gericht zu Unrecht auf seine Angaben vor dem Untersuchungsrichter, denen zufolge er als Zweck der Mißhandlungen die Herbeiführung der Kampfunfähigkeit des Kurt C bezeichnet habe und ihm Auswirkungen und Folgen gleichgültig gewesen seien, weil mit dem Wort 'Kampfunfähigkeit' nur gemeint gewesen sei, eine Gegenwehr des Raubopfers zu verhindern.

Rechtliche Beurteilung

Der Argumentation des Beschwerdeführers kann nicht gefolgt werden. Übereinstimmend mit der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes und der Lehre (vgl. SSt. 47/1; LSK 1979/322

u. a.; Burgstaller im Wiener Kommentar zum StGB, RN 20 ff. zu § 7 StGB) ging das Erstgericht davon aus, daß es bei Beurteilung der Frage, ob der auf die tätergewollte Gewaltanwendung bei Verübung des Raubes zurückzuführende Todeseintritt von der Fahrlässigkeit des Angeklagten umfaßt war, auf die objektive und subjektive Vorhersehbarkeit dieser besonderen Folge der (vorsätzlich begangenen) Tat ankommt, zumal die zum Fahrlässigkeitsbegriff gehörige Sorgfaltswidrigkeit regelmäßig schon wegen der Art der Begehung des Grunddelikts (hier: wiederholte vorsätzliche Gewaltanwendung gegen die Person des Opfers) anzunehmen ist. Die bei Gewaltanwendung herbeigeführte Todesfolge kann dem Täter demnach strafrechtlich zugerechnet werden, wenn er in der Lage war, den Eintritt eines solchen Erfolges als mögliche Folge seines Verhaltens zu erkennen, wobei eine Erkennbarkeit des Verlaufes im allgemeinen genügt und es nicht erforderlich ist, daß alle Einzelheiten des Erfolgseintrittes voraussehbar sind. Grundsätzlich wird dem Täter ein qualifizierter Erfolg dann vorhersehbar und auch subjektiv zuzurechnen sein, wenn dieser (Erfolg) nach den Erfahrungen des täglichen Lebens eintreten konnte, also im Verhältnis zur Tathandlung nicht atypisch und mithin im Rahmen des vom Täter eingegangenen Gefahrenrisikos gelegen war.

Vorliegend stellte das Erstgericht in tatsächlicher Hinsicht fest, daß die zum Tod des Kurt C führenden Verletzungen die - im Hinblick auf Zahl und Stärke der Mißhandlungen nicht ungewöhnliche - Folge grober stumpfer Gewalteinwirkung, nämlich der dem Raubopfer von beiden Tätern zugefügten massiven und wuchtigen Fußtritte und Faustschläge gegen den Körper, vorwiegend gegen den Schädel waren (vgl. S 344 ff. d.A). Die - bei dieser Sachlage an sich nicht entscheidungswesentliche - Urteilsannahme, daß der Verletzte Quetschungen (auch) im Bereich der Schädeldecke erlitt, findet den Beschwerdeausführungen zuwider im Befund des gerichtsmedizinischen Sachverständigen Dr. Erwin D Deckung (vgl. S 289 in Verbindung mit S 334 d.A). Nach den weiteren - insoweit auf dem neuropsychiatrischen Gutachten des dem Verfahren gleichfalls beigezogenen Sachverständigen Univ.Dozent Dr. Pius E beruhenden - erstrichterlichen Konstatierungen weist der Beschwerdeführer eine durchschnittliche praktische Intelligenz und Kritikfähigkeit, jedoch weder eine organische Hirnschädigung noch eine organische Reifestörung oder einen schweren Begabungsmangel auf; es handelt sich bei ihm zufolge seiner fehlenden Eingliederungs- und Leistungsbereitschaft und seiner Gefühlskälte um einen asozialen Psychopathen (vgl. S 255 ff., 334, 340 f. d.A). Aus all dem konnte das Gericht aber denkrichtig und in rechtlicher Hinsicht zutreffend ableiten, daß es für den Angeklagten unter Berücksichtigung seines Intelligenzgrades, seiner psychischen Eigenart und seiner konkreten individuellen Verhältnisse wie für jeden Durchschnittsmenschen erkennbar war, daß seine (und des gesondert verfolgten Manfred B) Mißhandlungen bei Verübung des Raubes - von denen nach den Urteilsannahmen vorwiegend der Kopf des Opfers betroffen war - letztlich auch zum Tod des Raubopfers führende Verletzungen bewirken konnten.

Die vom Beschwerdeführer dagegen ins Treffen geführten Umstände vermögen demgegenüber (auch) die subjektive Zurechenbarkeit der eingetretenen Tatfolge nicht in Frage zu stellen, zumal es sich bei dem Eintritt des Todes des des Kurt C in Verbindung mit dem ihn auslösenden (vorsätzlichen und zielstrebigen) Verhalten der beiden Raubgenossen keineswegs um komplizierte Zusammenhänge handelt, die nur bei höherer Intelligenz und überlegtem Handeln zu erkennen gewesen wären (vgl. auch LSK 1979/321). Unerheblich ist im gegebenen Zusammenhang, ob der Angeklagte, wie das Erstgericht offenbar aus Angaben vor dem Untersuchungsrichter ableiten will, die Herbeiführung eines tödlichen Erfolges als Folge seiner Gewaltanwendung sogar für möglich hielt (§ 6 Abs. 2 StGB), weil für die strafrechtliche Zurechenbarkeit einer besonderen strafsatzerhöhenden Tatfolge schon unbewußte Fahrlässigkeit (§ 6 Abs. 1 StGB) genügt.

Das Erstgericht rechnete sohin dem Angeklagten den durch seine Tat (mit-)verursachten Tod des Kurt C rechtsrichtig als im Sinn des § 7 Abs. 2 StGB vorwerfbar zu.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Das Erstgericht verhängte über den Angeklagten nach dem höheren Strafsatz des § 143 StGB unter Anwendung des § 11 JGG und des § 41 Abs. 1 Z 3 StGB eine Freiheitsstrafe in der Dauer von vier Jahren. Es wertete bei der Strafbemessung als erschwerend keinen Umstand, als mildernd das Geständnis, die bisherige Unbescholtenheit und die vernachlässigte Erziehung des Angeklagten.

Mit seiner Berufung bekämpft der Angeklagte das Strafausmaß. Ihr kommt keine Berechtigung zu.

Das Erstgericht übersah den Umstand, daß der Raub in Gesellschaft verübt wurde, als erschwerend zu berücksichtigen, erfaßte im übrigen aber die Strafzumessungsgründe im wesentlichen richtig. Die vom Berufungswerber ins Treffen geführten weiteren Milderungsgründe liegen nicht vor:

Ein Mangel an abstraktem Denkvermögen ist für die Erkennbarkeit des Unrechts der vorliegenden Straftat bedeutungslos, zumal dem Angeklagten im neuropsychiatrischen Gutachten durchschnittliche praktische Intelligenz und durchschnittliche Kritikfähigkeit bescheinigt werden und es ihm nur an Bereitschaft fehlt, das eigene Verhalten zu steuern und zu bremsen (S 261 d.A). Ebensowenig kann dem Berufungswerber eine Verleitung durch den (älteren) Mittäter zugebilligt werden, weil festgestelltermaßen von ihm selbst die Initiative zur Begehung der Tat ausging (S 343 d. A).

Das vom Erstgericht gefundene Strafmaß entspricht somit dem Unrechtsgehalt der Tat und der Schwere der Schuld des Täters, weshalb auch der Berufung ein Erfolg zu versagen war. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.

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