OGH 9Os181/79

OGH9Os181/7918.3.1980

Der Oberste Gerichtshof hat am 18. März 1980 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Obauer und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Faseth, Dr. Horak, Dr. Schneider und Dr. Reisenleitner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Boltz als Schriftführerin in der Strafsache gegen Stanislav A wegen des Verbrechens des schweren Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127 Abs. 1, 128 Abs. 1 Z. 4, 129 Z. 1 StGB. über die vom Angeklagten gegen das Urteil des Kreisgerichtes St. Pölten als Schöffengericht vom 5. Oktober 1979, GZ. 17 Vr 568/79-36, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Faseth, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Katary und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Karollus, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO. fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Der am 12. Februar 1919 geborene beschäftigungslose Stanislav A wurde mit dem angefochtenen Urteil des Verbrechens des schweren Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127 Abs. 1, 128 Abs. 1 Z. 4, 129 Z. 1 StGB. schuldig erkannt und hiefür nach § 129 StGB. zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von dreieinhalb Jahren verurteilt. Überdies wurde gemäß § 23 Abs. 1 StGB. seine Unterbringung in einer Anstalt für gefährliche Rückfallstäter angeordnet.

Ihm liegt zur Last, in der Zeit vom 20. März bis zum 7. Mai 1979 in verschiedenen Orten Österreichs insgesamt 30 Einbruchs- oder Einsteigdiebstähle, darunter vier Einbrüche in Geschäftsräumlichkeiten, bei denen er Waren im Wert von u.a. 6.221 S und 10.353 S erbeutete (Punkte 27 und 28 des Schuldspruches), begangen und dabei Sachen im Wert von insgesamt annähernd 40.000 S gestohlen zu haben.

Mit seiner Nichtigkeitsbeschwerde bekämpft der Angeklagte Stanislav A unter Anrufung des Nichtigkeitsgrundes der Z. 11 des § 281 Abs. 1 StPO. nur die vom Erstgericht getroffene Anordnung seiner Unterbringung in einer Anstalt für gefährliche Rückfallstäter gemäß § 23 (Abs. 1) StGB. Er macht geltend, daß diese Bestimmung verfassungswidrig sei, weil die Einweisung in eine solche Anstalt den Bestimmungen des Artikels 5 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (MRK) widerspreche. Deswegen regt er auch an, der Oberste Gerichtshof möge im Sinne des Artikels 89 Abs. 2 B-VG. - gemeint wohl im Sinne des Artikels 140 Abs. 1 B-VG. - beim Verfassungsgerichtshof den Antrag auf Aufhebung des § 23 StGB. stellen.

Rechtliche Beurteilung

Der Beschwerde kommt keine Berechtigung zu.

Nichtigkeit nach § 281 Abs. 1 Z. 11 StPO. liegt vor, wenn der Gerichtshof seine Strafbefugnis, die Grenzen des gesetzlichen Strafsatzes, soweit dieser durch namentlich im Gesetz angeführte Erschwerungs- und Milderungsumstände begründet wird, die Grenzen für die Bemessung des Tagessatzes oder die Grenzen der ihm zustehenden Strafschärfung oder außerordentlichen Strafmilderung überschritten, bei der Festsetzung einer Ersatzfreiheitsstrafe gemäß § 19 Abs. 3 StGB. oder durch die Anrechnung oder Nichtanrechnung einer Vorhaft gegen § 38 StGB. verstoßen oder die Bestimmungen des § 293 Abs. 3 StPO. oder des § 359 Abs. 4 StPO. verletzt oder unrichtig angewendet hat. Als nichtig im Sinne des § 281 Abs. 1 Z. 11 StPO. kann das Urteil aber auch angefochten werden, wenn das Gericht durch seine Entscheidung über vorbeugende Maßnahmen seine Befugnisse überschritten hat (§ 435 Abs. 3 StPO.).

Keiner der angeführten Tatbestände ist vorliegend gegeben. Daß durch die Entscheidung materiellrechtliche Vorschriften des StGB. verletzt wurden, deren Beurteilung dem richterlichen Ermessen entzogen sind, wird in der Beschwerde gar nicht behauptet. Diese bestreitet vielmehr die Verfassungsmäßigkeit der Rechtsvorschriften, die der Entscheidung zugrunde liegen, und wendet sohin - dem Sinne nach - einen Fehler des Erstgerichtes bei der Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des von ihm richtig angewendeten Gesetzes ein. Zu einer solchen Prüfung ist aber gemäß Artikel 89 Abs. 1 B-VG. ein zur Entscheidung in erster Instanz berufenes Gericht nicht berechtigt, weshalb die unterlassene oder fehlerhafte Prüfung auf die Verfassungsmäßigkeit keine Nichtigkeit nach § 281 Abs. 1 Z. 11 StPO. bewirken kann.

Der Oberste Gerichtshof hingegen hat sich zu der vom Beschwerdeführer angeregten Maßnahme nicht veranlaßt gesehen, weil die in der Beschwerde nicht näher begründete, anscheinend auf das Wort 'Haft' im Art. 5 Abs. 1

lit. a MRK abstellende Rechtsmeinung einer Überprüfung nicht standhält.

Gemäß Art. 5 Abs. 1 lit. a MRK ist ein auf die gesetzlich vorgeschriebene Weise erfolgender Freiheitsentzug u.a. dann zulässig, wenn der Betreffende rechtmäßig nach Verurteilung durch ein zuständiges Gericht in Haft gehalten wird.

Der Zweck der im § 23 StGB. vorgesehenen Unterbringung eines Rechtsbrechers in einer Anstalt für gefährliche Rückfallstäter besteht (u.a.) in einer entsprechenden Sicherung der Allgemeinheit vor qualifiziert gefährlichen Rechtsbrechern (siehe dazu S. 6 des Berichtes des Justizausschusses, 959 der Beilagen zu den Sten.Prot.d.NR, XIII.GP., und S. 107 der Erläuterungen zur Regierungsvorlage, 30 der Beilagen zu den Sten.Prot.

d. NR., XIII. GP.). Die vom zuständigen Gericht angeordnete Unterbringung eines Rechtsbreches in einer solchen Anstalt stellt sohin ihrem Wesen nach eine als Sicherungsverwahrung zu beurteilende, von einem Strafgericht verfügte freiheitsentziehende Maßnahme dar (Foregger-Serini, StGB.2, 61 und Leukauf-Steininger, Kommentar zum Strafgesetzbuch2, 260-261), die vergleichsweise einer nach Verurteilung durch ein zuständiges Gericht zu vollziehenden 'Haft' im Sinne des Art. 5 Abs. 1 lit. a MRK entspricht (vgl. JBl. 1972, 486).

Im übrigen aber hat auch der Verfassungsgerichtshof in seiner - das Gesetz allerdings unter anderen Gesichtspunkten prüfenden - Entscheidung vom 21. Dezember 1979, G 116/78-15, bezüglich der Verfassungsmäßigkeit des Instituts der Unterbringung in einer Anstalt für gefährliche Rückfallstäter gemäß § 23 StGB. keine Bedenken geäußert.

Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Stanislav A war daher zu verwerfen.

Es kommt aber auch der Berufung des Angeklagten, die sich gegen die Richtigkeit der vom Erstgericht erstellten Gefährlichkeitsprognose wendet und die Gefahr in Abrede stellt, der Angeklagte werde auch in Hinkunft strafbare Handlungen mit schweren Folgen wegen eines bei ihm bestehenden Hanges oder deshalb begehen, weil er seinen Lebensunterhalt überwiegend durch solche Straftaten zu gewinnen pflegt, keine Berechtigung zu. Eine solche Gefahr hat nämlich das Erstgericht zutreffend auf Grund des Vorlebens des Angeklagten, seiner Haltschwäche und Bindungslosigkeit und auch wegen der bei ihm feststellbaren Eskalation der immer wieder 'mit geradezu fotografischer Treue' in rascher Abfolge begangenen Einbruchsdiebstähle angenommen, die das Ausmaß der Klein- und Mittelkriminalität übersteigen.

Darauf nämlich, daß der Angeklagte bei den meisten Einbrüchen nur verhältnismäßig geringe Beute machte, kommt es nicht an. Maßgeblich ist vielmehr die Gefährlichkeit der von ihm begangenen Einbruchsdiebstähle, gegen die kaum Vorsorge getroffen werden kann. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.

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