OGH 12Os8/80

OGH12Os8/8013.3.1980

Der Oberste Gerichtshof hat am 13. März 1980 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Breycha und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller, Dr. Steininger, Dr. Friedrich und Dr. Lachner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Sperker als Schriftführer in der Strafsache gegen Liviu A wegen des Verbrechens der Unzucht mit Unmündigen nach § 207 Abs. 1 StGB über die vom Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 28. September 1979, GZ. 1 a Vr 3241/79-21, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Steininger, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Gerö und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Melnizky, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der 51-jährige Liviu A des Verbrechens der Unzucht mit Unmündigen nach § 207 Abs. 1 StGB schuldig erkannt, weil er am 24. März 1979 in Wien die am 14. Mai 1975 geborene, sohin unmündige Brigitte B dadurch zur Unzucht mißbrauchte, daß er sein Glied von dem Kind berühren ließ und es anschließend veranlaßte, das Glied (zweimal) zu küssen. Liviu A bekämpft dieses Urteil mit einer auf § 281 Abs. 1 Z 4, 5 und 9 lit. a StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.

Einen Verfahrensmangel im Sinne des erstgenannten Nichtigkeitsgrundes erblickt der Beschwerdeführer in der Abweisung der von seinem Verteidiger in der Hauptverhandlung gestellten Beweisanträge auf zeugenschaftliche Vernehmung des 1. Doncin Christian C zum Beweis dafür, daß Petru (Peter) B (der Vater des Kindes) am 24. März 1979 in Anwesenheit seiner Tochter Brigitte und des Angeklagten in der Küche seiner Wohnung mehrmals in die Waschmuschel urinierte und 'daher für den Angeklagten keinerlei Grund zu einer übergroßen Vorsicht gegeben war', und 2. des Peter D zum Beweis dafür, daß der Angeklagte im Auto des Peter B kein Geständnis (im Sinne des nun gefällten Schuldspruches) abgelegt habe (s. S. 92 f und 106 d. A).

Rechtliche Beurteilung

Die Verfahrensrüge versagt.

Das erstangeführte Beweisthema war, wie das Erstgericht richtig erkannt hat, einschließlich der vom Beschwerdeführer relevierten Frage, ob für ihn Grund zu übergroßer Vorsicht bestand, nach Lage des Falles (Gewährenlassen des Kindes und Aufforderung zu weiterer Unzucht) ohne rechtliche Bedeutung und auch nicht geeignet, zur Aufklärung anderer bedeutsamer Umstände, wie etwa zur weiteren Klärung der Frage der Glaubwürdigkeit und Verläßlichkeit der Angaben der Brigitte B oder des Peter B in Ansehung der dem Angeklagten zum Vorwurf gemachten geschlechtlichen Mißbrauchshandlungen, entscheidend beizutragen.

Aber auch durch die Abweisung des zu 2. bezeichneten Antrages auf Vernehmung des Zeugen Peter D wurden Verteidigungsrechte nicht beeinträchtigt, weil das Erstgericht das angegebene Beweisthema ohnedies im Sinne der bezüglichen Beweisführung des Beschwerdeführers als geklärt erachtet hat (S. 93 d. A), wozu es schon im Hinblick auf den von Peter B angegebenen Inhalt der Erklärungen des Angeklagten im Auto berechtigt war (vgl. S. 87 d. A).

Die mit Beziehung auf den Nichtigkeitsgrund der Z 5 des § 281 Abs. 1 StPO vorgebrachten Ausführungen der Mängelrüge hinwiederum erweisen sich im wesentlichen bloß als eine im Nichtigkeitsverfahren unzulässige Anfechtung der - auf Grund einer Gesamtwürdigung der Verfahrensergebnisse (schlüssig) erfolgten - freien Beweiswürdigung des Schöffengerichtes (§ 258 Abs. 2 StPO), zeigen jedoch keine formalen Begründungsmängel in der Bedeutung des hier angezogenen Nichtigkeitsgrundes auf.

Der Beschwerdeführer verkennt im gegebenen Zusammenhang, daß neben den von ihm genannten Beweismitteln als weitere Entscheidungsgrundlage für die Feststellung des urteilsrelevanten Sachverhaltes auch die Zeugenaussage der Brigitte B - der einzigen Tatzeugin - diente (s. S. 99 d. A), deren Aussagefähigkeit und Aussageverläßlichkeit sowie deren volle Glaubwürdigkeit das Erstgericht, gestützt durch das Gutachten des psychiatrischen Sachverständigen Univ. Prof. Dr. Hans E (ON 6 und S. 88 ff. d. A), mit zureichender Begründung angenommen hat, und in deren Angaben, in Verbindung mit dem erwähnten Sachverständigengutachten und den Aussagen der (mittelbaren) Zeugen Peter B und Klara B (der Mutter des Kindes), die Tatsachenkonstatierungen des Erstgerichtes ihre aktenkonforme Deckung finden. Zu einer eingehenderen, geradezu 'wörtlichen' Analysierung der einzelnen Angaben des Peter B, wie sie der Beschwerdeführer nunmehr moniert, bestand schon angesichts der - im Urteil befolgten - Anordnung des § 270 Abs. 2 Z 5 StPO, in den Entscheidungsgründen in 'gedrängter Darstellung' die vom Gericht als erwiesen angenommenen Tatsachen zu bezeichnen und die (logischen) Gründe anzuführen, die zu seiner Überzeugung von der Richtigkeit dieser Annahmen geführt haben, keine Notwendigkeit. Unbegründet ist schließlich auch die aus dem Grunde der Z 9 lit. a des § 281 Abs. 1 StPO erhobene Rechtsrüge.

Dem damit zunächst vorgebrachten Einwand, das Erstgericht habe die schuldspruchmäßig festgestellten Tathandlungen nur 'mit großer Wahrscheinlichkeit', nicht aber, wie für ein Strafurteil erforderlich sei, mit Sicherheit als erwiesen angenommen, ist zunächst zu erwidern, daß der Beschwerdeführer mit seinem diesbezüglichen, rein verfahrensrechtliche Beweisgrundsätze erörternden Vorbringen den geltend gemachten materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrund nicht zu einer prozeßordnungsgemäßen Darstellung bringt. Im übrigen übersieht der Beschwerdeführer, daß zwar der Sachverständige Dr. E in seinem Gutachten Wahrscheinlichkeitserwägungen anstellte, die das Ersturteil - als Ausführungen des Sachverständigen - wiedergibt (S. 104 d. A), nicht aber das Erstgericht, worauf allein es ankommt.

Aber auch soweit der Angeklagte in weiterer Ausführung dieses Nichtigkeitsgrundes die Ansicht vertritt, die ihm zur Last gelegte Handlungsweise stelle, zumal nicht habe geklärt werden können, ob sein Glied im Zeitpunkt des Küssens (durch die kleine Brigitte B) aus sexuellen Gründen erregt war oder ob dies auf eine Stauung infolge vorangegangenen Alkoholgenusses zurückzuführen war, ein nicht tatbildmäßiges 'sexuell indifferentes' Verhalten dar, ist sein Vorbringen nicht zielführend.

Abgesehen davon, daß es sich bei der letzterwähnten Version (Stauung ...) um eine im Nichtigkeitsverfahren unbeachtliche Neuerung handelt, ist bei dem hier in Rede stehenden - ersten - Deliktsfall der Unzucht mit Unmündigen nach § 207 Abs. 1 StGB in Ansehung der inneren Tatseite gar nicht erforderlich, daß die - sich als Mißbrauch des Opfers zur Unzucht (allerdings nicht durch Beischlaf) darstellenden - Handlungen des Täters dessen erregtem Geschlechtstrieb entsprungen oder zur Erregung seines oder einer anderen Person Geschlechtstriebes bestimmt sind (EvBl. 1976/75 und 205; Leukauf-Steininger, Kommentar2, RN 12 zu § 207). Daraus folgt, daß die Frage, ob und aus welchen Ursachen das Glied des Angeklagten während des Tatgeschehens (letztlich) erigiert war, wie dies das Erstgericht angenommen hat, ohne rechtliche Bedeutung ist. Erforderlich für eine Tatsubsumtion nach § 207 Abs. 1 (erster Anwendungsfall) StGB ist, daß - und zwar insoweit auch vom Vorsatz des Täters umfaßt - zur unmittelbaren Geschlechtssphäre gehörige Körperpartien des Täters oder des Opfers mit dem Körper des anderen in eine nicht bloß flüchtige und (objektiv) sexualbezogene, die Sittlichkeit in geschlechtlicher Beziehung verletzende Berührung gebracht werden, mithin auch äußerlich erkennbar eine gegen die unmittelbare Geschlechtssphäre gerichtete Handlung vorliegt (EvBl. 1977/48; ÖJZ-LSK 1978/24; Leukauf-Steininger, Kommentar 2, RN 5-7 zu § 207). Dies trifft aber auf die urteilsmäßig festgestellte Handlungsweise des Angeklagten, der sein Glied durch ein (noch nicht ganz) vierjähriges Mädchen berühren ließ und das Kind zudem veranlaßte, seinen (erigierten) Geschlechtsteil (zweimal) zu küssen, unzweifelhaft zu. Erfaßt doch der durch den ersten Deliktsfall des § 207 Abs. 1 StGB pönalisierte geschlechtliche Mißbrauch einer unmündigen Person sowohl deren aktive als auch deren passive Beteiligung am Unzuchtsakt (Leukauf-Steininger, a. a. 0., RN 8).

Nach dem Gesagten erweist sich die rechtliche Beurteilung des Erstgerichtes als zutreffend und die Nichtigkeitsbeschwerde mithin zur Gänze als unbegründet.

Die Kostenentscheidung fußt auf der bezogenen Gesetzesstelle.

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